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„ESG ist in der Immobilienbranche gekommen um zu bleiben“

Frank Schnattinger, Chefredakteur IPE D.A.CH, sprach mit Ludger Wibbeke, Geschäftsführer für das Real Assets Geschäft bei der HANSAINVEST Hanseatische Investment-GmbH über die Einbindung von ESG-Kriterien bei Immobilienfonds und weitere Themen in der Service-KVG-Branche. Insbesondere die Schwerfälligkeit der Politik und Aufsicht bei digitalen Themen stimmen Wibbeke dabei nachdenklich.

Ludger Wibbeke

IPE D.A.CH: Herr Wibbeke, wenn ich Sie zu den aktuellen Themen in der institutionellen Immobilienanlage frage, gehört sicher auch das Thema ESG dazu?
Wibbeke: Das ist richtig, ESG ist aktuell sicher das bestimmende Thema, das im Übrigen auch in der Immobilienbranche gekommen ist, um zu bleiben. Wir haben mit der Offenlegungsverordnung im März ja erst die erste Anforderungsstufe gezündet. Am 1. Januar 2022 steht dann mit der EU-Taxonomie auch schon die nächste vor der Tür. Vieles wird in der Praxis mehr Zeit und Einsatz brauchen, als es die Theorie vorsieht. Politik und Regulator treiben uns bildlich gesprochen vor sich her.

IPE D.A.CH: Was ist das größte Problem in der Umsetzung, die Daten wie z.B. die Verbrauchswerte der Gebäude müssten ja zumindest vorliegen?
Wibbeke: Ich gebe Ihnen recht, die Daten liegen über das Property Management zumeist vor, allerdings nur selten in einer für das ESG-Reporting gebrauchsfähigen Form. Entsprechend sind wir beschäftigt, diese Daten zu besorgen und sie letztlich auch in einer nützlichen Form in die Systeme zu spielen. Aktuell muss man aber davon ausgehen, dass rund 90% der Fonds noch in Artikel 6 der Verordnung, also als nicht nachhaltig, einzustufen sind. Im Umkehrschluss erfüllt derzeit dann nur einer von zehn Fonds die Kriterien nach Artikel 8 oder gar Artikel 9.

IPE D.A.CH: Das heißt aktuell viel Arbeit…
Wibbeke: Wir sind wie gesagt dabei, die notwendigen Daten zu beschaffen und in die Systeme einzuspielen, um dann eine tatsächliche Zuordnung vornehmen zu können. Gleichzeitig ist auch noch offen, ob die Anlagebedingungen umgeschrieben oder nur im Prospekt entsprechend angepasst werden müssen. Sie sehen, hier ist ein großes Maß an Unsicherheit im Markt. Zum Glück sind institutionelle Anleger soweit noch tolerant und schauen primär auf die ursprünglichen Anlageziele wie die Rendite in den einzelnen Nutzungsarten. Das Thema ESG mit entsprechenden Reporting wird aber natürlich immer wichtiger, der Druck steigt.

IPE D.A.CH: Inwieweit werden sich ESG-Kriterien und Rendite künftig „beißen“?
Wibbeke: Sagen wir so, sie können und werden nicht 100% deckungsgleich sein, darüber müssen sich insbesondere institutionelle Anleger, die ja auch den Auftrag haben, eine entsprechende Rendite zu erwirtschaften, im Klaren sein. Am Ende wird es wohl auf eine Mischkalkulation hinauslaufen, um beide Ziele zu erreichen.

IPE D.A.CH: Glauben Sie, dass sich die Sektorallokation durch das Thema ESG weiter verschiebt?
Wibbeke: Ich glaube die Corona-Krise hat hier einen stärkeren Einfluss, wie wir bei der Nutzungsart Hotel auf der negativen und dem Lebensmitteleinzelhandel auf der positiven Seite gesehen haben. Das nachhaltige Hotel, das keine Rendite bringt, wird letztlich wohl nicht im Portfolio landen.

IPE D.A.CH: Wie stark steht der Faktor „E“ beim Thema ESG in der Immobilienwirtschaft im Vordergrund?
Wibbeke: Hier gibt es ganz klar einen Schwerpunkt beim Immobilieninvestment, es gibt klar quantifizierbare Daten wie den Energieverbrauch. Wir versuchen zunehmend auch das „S“ und das „G“ einzubinden, aber durch fehlende Standards am Markt ist das nicht immer die einfachste Übung. Aber das ist ein laufender Prozess, der nicht per 10. März 2021 abgeschlossen wurde und einfach noch Zeit braucht – es ist ja auch ein dauerhaftes Thema. Ich bin da weiterhin sehr positiv, wir sind auf einem guten Weg.

IPE D.A.CH: Schauen Immobilieninvestoren ESG-bedingt auch stärker in Regionen wie Skandinavien, wo das Thema grundsätzlich bereits stärker verankert ist?
Wibbeke: Es ist durchaus zu einer weiteren Verstärkung des Trends zum Immobilieninvestments im skandinavischen Raum gekommen, das Thema ESG mag da ebenfalls eine Rolle gespielt haben – obwohl es natürlich schwer zu quantifizieren ist. Ich würde hier aber den regionalen Aspekt nicht überbewerten.

IPE D.A.CH: Wie schwer ist es für Sie als Service-KVG den unterschiedlichen Reporting-Anforderungen der Investoren nachzukommen?
Wibbeke: Rund 70 bis 80% der Bedürfnisse sind hier ziemlich einheitlich, der Rest in dann tatsächlich sehr individuell zu betrachten. Je nach Investorengruppe schwankt dies allerdings auch mitunter stark. So ist zum Beispiel bei den Sparkassen die Uneinheitlichkeitsquote nahe null, hier gibt es eine zentral definierte Reporting-Schnittstelle. Im Gegensatz dazu sind beispielsweise die Genossenschaftsbanken dezentral organisiert und daher individuell, was die Bedürfnisse angeht. Wir als Service-KVG sind beim Reporting sehr kompetent und flexibel.

IPE D.A.CH: Lassen Sie mich zum Ende hin noch das Thema Digitalisierung ansprechen, wie weit ist die Branche hier?
Wibbeke: Beim Thema Digitalisierung ist das Verhältnis zum Regulator eher umgekehrt. Wir sind hier in der Immobilienbranche durchaus fordernd, eine entsprechende Regulierung seitens Gesetzgebung und BaFin voranzutreiben, um zum Beispiel Fondsanteile „tokenisieren“ zu können. Wir wollen uns alle von der überbordenden Bürokratie und unnötigem Formalismus sehr gerne entledigen. Gerade auch auf der Kostenseite könnte hier einiges reduziert werden, um zum Beispiel auch die Mehraufwände auf der ESG-Seite zu tragen. Ich denke, der Druck aus der Branche auf die nächste Bundesregierung wird hier sehr stark.

IPE D.A.CH: Ich vermute, das Fondsstandortgesetz ist in dieser Hinsicht für die Branche eher ernüchternd?
Wibbeke: Absolut, ja! Die bereits angesprochene Tokenisierungsmöglichkeit von Fondsanteilen hätten wir zum Beispiel sehr gerne gesehen, es gilt insgesamt den Automatisierungsgrad in der Branche zu erhöhen. In der allerletzten Phase des Gesetzgebungsverfahren wurde die Option der Investition in Krypto-Fonds immerhin ermöglicht. Letztlich wurden neue Kostentreiber und neuer Aufwand, z.B. für das Pre-Marketing, renditebelastend für Investoren installiert. Sie merken, ich sehe das Fondsstandortgesetz in großen Teilen sehr kritisch. Echten Mehrwert gibt es kaum. Primär die Erhöhung der Fremdkapitalquote von 50 auf 60% hilft dem Fondsstartort Deutschland weiter. Leider wurde diese Chance, von der wir uns in der Branche viel versprochen hatten, vertan.

IPE D.A.CH: Besten Dank für diese Einblicke!