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Kommentar: Rechenzentren, Labore oder Studentenwohnheime – bei Alternatives kommt es auf den Teilsektor an

Derzeit erleben wir einen Hype um „Alternatives“ in der Immobilienbranche. Doch einige Teilbereiche werden wohl schneller wachsen als andere.

José Pellicer

Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diejenigen Bereiche des Marktes zu identifizieren, in denen ein andauernd hoher Bedarf besteht und die Nachfrage entsprechend relativ preisunempfindlich ist. Investoren in Gewerbeimmobilien sind derzeit verunsichert. Das Anlageuniversum besteht traditionell aus Büro-, Einzelhandels- und Industrieimmobilien. In einigen Ländern sind auch Wohnimmobilien Teil des Anlagemix. Doch die 2020er Jahre stellen diese lange Zeit der Stabilität auf die Probe. Die Coronakrise hat bei bestimmten Büroimmobilien ein zuvor undenkbares Fragezeichen aufgeworfen; der Einzelhandel befindet sich weiterhin in einem tiefgreifenden Wandel, und Industrieimmobilien werden mit atemberaubenden Renditen gehandelt.

Wo liegt das Investmentpotenzial?
Viele in der Investmentbranche verweisen auf Alternatives als eine Lösung quasi aus einer Hand. Manche sprechen von einer „operativeren“ Zukunft für Immobilien. Damit haben sie Recht. Die Portfolios müssen erweitert und diversifiziert werden, und vieles davon ist operativer Natur. Dennoch sind nicht alle alternativen Teilbranchen gleich oder für Investoren gleich gut zugänglich. Sie reichen von defensiven Anlageformen wie Wohnimmobilien bis hin zu Nischensegmenten wie Rechenzentren, medizinischen Einrichtungen und Laboren.

Ich glaube, der Schlüssel zu erfolgreichen Anlagen in Alternatives liegt darin, von Anfang an zu akzeptieren, dass einige dieser Sektoren immer eine Nische bleiben werden, während andere durchaus Mainstream werden könnten.

Was ist unter Alternatives zu verstehen?
Es gibt kein Patentrezept, aber hier ist meine Faustregel:
• Sie müssen illiquide sein (d. h. ein kleiner Prozentsatz des gesamten jährlichen Transaktionsvolumens)
• Sie sind in der Regel schwer zu erwerben - auch wenn sie manchmal leicht zu verkaufen sind.
• Sie sind entweder operativ tätig oder werden von spezialisierten Managern geleitet.

Wie gehen Investoren am besten vor?
Wie man am besten die Gewinner der Alternatives findet, hängt von grundlegenden Fragen ab:
• Besteht ein dauerhafter Bedarf am Markt für diesen Teilsektor?
• Ist die Nutzernachfrage relativ unelastisch? Wenn ja, wo?
• Ist die Marktstruktur so beschaffen, dass ein starkes Wachstum bei den privatwirtschaftlichen Nutzern möglich ist?
• Ist privates Beteiligungskapital in der Branche weit verbreitet und sind die Betreiber hoch verschuldet?
• Ist der Standort dauerhaft nutzbar und gibt eine alternative Nutzungsmöglichkeit?

Welche Teilsektoren passen dazu?
Nehmen wir Studentenwohnungen. In den frühen 2010er Jahren gab es ein massives Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Die steigende Zahl internationaler Studierenden sah sich mit einem chronischen Mangel an qualitativ hochwertigen Unterkünften konfrontiert. Die Nachfrage war ziemlich stabil, dank der aufstrebenden Mittelschicht und der Bereitschaft der Eltern, eine sichere, komfortable Unterkunft für ihre Kinder zu suchen.

Gleichzeitig gab es wenige bauliche Einschränkungen. Die ersten luxuriösen, zweckgebundenen Projekte waren ein Erfolg. Dadurch wurde Raum für die Entwicklung des mittleren Marktsegments geschaffen, und zwar in den richtigen Lagen, d. h. in Gebäuden, die sich zwischen Campus und Kneipen befinden. Nach der globalen Finanzkrise kam Liquidität in den Markt. Privates Beteiligungskapital der Betreiber war wenig vorhanden; und ein Betreiber war im Grunde nur ein Vermögensverwalter, nicht der Mieter.

Sind Alternatives in einem Abschwung widerstandsfähig?
Das ist meines Erachtens die Millionenfrage. Als Anhaltspunkt können wir uns den letzten Konjunkturzyklus ansehen. Vor der Finanzkrise investierten einige Anleger in alternative Teilsektoren wie Studentenwohnungen, Pflegeheime oder Freizeitimmobilien. Manche haben sich dabei die Finger verbrannt. Angesichts der alternden Bevölkerung schienen Pflegeheime ein Selbstläufer zu sein. Dabei wurde jedoch die Tatsache unterschätzt, dass Pflegeheime in hohem Maße betriebsnotwendige Vermögenswerte sind und als solche von der Qualität des Betreibers und einer guten Bilanz abhängen. Die Finanzkrise hatte zur Folge, dass eine Reihe von Pflegeheimen, die sich in Privatbesitz befanden, ins Straucheln kam, als die Auslastung zurückging. In einigen Fällen waren die Vermieter am Ende sogar selbst Eigentümer der Anlagen.

Könnte der etablierte US-Markt ein Modell für Europa sein?
Ich glaube, dass dies eher unwahrscheinlich ist. Erstens sind die USA ein besser skalierbarer Investitionsmarkt als Europa. Die USA sind ein einziges Land mit mehr als 325 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, die eine Hauptsprache sprechen. Außerdem gibt es dort eine große Anzahl von US-amerikanischen Investoren und Managern mit umfangreichen Ressourcen.

Zweitens befindet sich die überwiegende Mehrheit der „investierbaren“ Immobilien in den USA in institutionellem Besitz, darunter Mehrfamilienhäuser und medizinische Einrichtungen. Die großen privaten Gesundheits- und Hochschulsysteme des Landes erleichtern Investitionen in Spezialgebäude; die lockeren Planungsvorschriften begünstigen diese Entwicklung. Dies ist in Europa weniger der Fall. Wenn etwas also kommerziell sinnvoll ist, ist es meiner Meinung nach oft einfacher, dies in den USA zu realisieren. Wenn etwas in den USA funktioniert hat, kann dies den Anlegern helfen, die Dynamik von Angebot und Nachfrage oder die grundsätzliche Attraktivität des Sektors zu beurteilen.

Was macht eine erfolgreiche Strategie für Alternatives aus? 
Die Vorteile, die alternative Anlagen einem Portfolio bringen können, liegen auf der Hand, darunter potenziell höhere Renditen und eine bessere Diversifizierung. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie der Erfolgsfaktor schlechthin sind. Meiner Meinung nach werden sich einige Teilsektoren gut entwickeln und andere nicht. Der Unterschied liegt im dauerhaften Bedarf in Kombination mit einer relativ unelastischen Nachfrage nach einem Produkt, innerhalb der Struktur eines Teilsektors. So besteht kaum ein Zweifel daran, dass der Erfolg der Investoren in den 2020er Jahren davon abhängen wird, ob sie sich für die richtigen Alternatives entscheiden.

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*) José Pellicer ist Head of Investment Strategy bei M&G Real Estate.