Foundation | Welcome

Menu


Kommentar: Photovoltaik – größere Vielfalt und Komplexität richtig managen

Die Entwicklung im Bereich erneuerbarer Energien schien vorgezeichnet: Nach einer Phase, in der Investments in Windkraft oder Photovoltaik nur durch staatliche Subventionen oder feste Einspeisevergütungen rentabel waren, wurde die Branche dank sinkender Gestehungskosten, technologischen Fortschritts und höherer Energiepreise zunehmend auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen wettbewerbsfähig.

Michael Ebner

Entsprechend haben die Regierungen begonnen, die Förderungen schrittweise zurückzuführen. In Teilsegmenten war bereits Netzparität erreicht, also die vollständige preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Erneuerbaren mit konventionellen Stromerzeugungsformen. Die Energiewende schien erwachsen zu werden. Doch nicht nur angesichts der COVID-19-Pandemie stellt sich die Frage: War diese Einschätzung vielleicht etwas zu voreilig? Müssen die Regierungen zurückrudern?

In Deutschland beispielsweise wurde kürzlich die Förderung von Photovoltaikanlagen verlängert. Ursprünglich sollte die Förderung bei Erreichen einer förderfähigen Gesamtleistung von 52 Gigawatt auslaufen. Diese Schwelle ist nun annähernd erreicht, doch jetzt haben Bundesregierung und Bundestag die Aufhebung dieses Solardeckels beschlossen. Auch wenn dies nur für Anlagen bis 750 Kilowattpeak gilt: Noch scheint die Regierung der Wettbewerbsfähigkeit der Photovoltaik nicht ganz zu trauen. Stattdessen hat man gut in Erinnerung, dass der Zubau von Onshore-Windkraft nach der Umstellung auf ein Auktionssystem Anfang 2019 eingebrochen war. Im Frühjahr 2020 hat nun die Corona-Krise zu einem starken Rückgang der Strompreise an den Spotmärkten geführt. Die angestrebte Netzparität rückt damit wieder in weite Ferne und gefährdet den weiteren Ausbau. Somit könnte der Ruf nach weiterer staatlicher Stützung wieder lauter werden.

Doch so wichtig es ist, regulatorische Veränderungen am Energiemarkt stets kritisch zu hinterfragen und Deregulierungsfahrpläne gegebenenfalls nachzujustieren, so richtig ist es auch, dabei nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Das gegenwärtige niedrige Strompreisniveau an den Spotmärkten hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen war die Stromerzeugung aus Erneuerbaren dank günstiger Witterungsbedingungen in weiten Teilen Europas in der ersten Jahreshälfte vergleichsweise hoch, zum anderen führten die Lockdown-Maßnahmen im März und April zu einem starken Rückgang der Stromnachfrage. Gleichzeitig sind auch die Preise für Öl und Gas deutlich zurückgegangen. Doch diese Momentaufnahme ist nicht nachhaltig.

Seither haben sich die Spotpreise wieder ein wenig erholt, wenn auch auf weiterhin niedrigem Niveau. Mittel- bis langfristig wird die Stromnachfrage aber wieder steigen, da zum einen der Corona-bedingte Lockdown enden wird, und zum anderen fundamentale Entwicklungen wie die Digitalisierung oder die Elektrifizierung der Mobilität die Nachfrage erhöhen werden. Gleichzeitig werden mit dem Atom- und Kohleausstieg auch schrittweise konventionelle Erzeugungskapazitäten aus dem Markt genommen. Die Dekarbonisierung der Elektrizitätswirtschaft ist und bleibt ein langfristiges politisches Ziel mit hoher Priorität. Um die Ausbauziele nicht zu gefährden, wird ein Zurückdrehen einzelner deregulierender Maßnahmen zumindest temporär nicht vermeidbar sein – zum Beispiel bei den Fördermechanismen – oder aber die Implementierung neuer, zusätzlicher Mechaniken wie die aktuell diskutierte Anschlussvergütung für ältere Windkraftanlagen. Eine besondere Rolle spielt auch das Thema Bepreisung von CO2-Emissionen.

Dennoch müssen sich Betreiber und Investoren fragen, wie sie vor dem Hintergrund tendenziell rückläufiger staatlich festgelegter Vergütungen strategisch mit dauerhaft volatilen sowie kurzfristig mit sehr niedrigen Strompreisen umgehen. So sollten bei Auktionsmodellen Preisrisiken realistisch eingepreist werden. Auf Dauer werden sich jedoch langfristige Lieferverträge mit Energieversorgern oder industriellen Abnehmern, sogenannte Power Purchase Agreements (PPA), durchsetzen. Diese Verträge garantieren die Abnahme fester Strommengen zu festen Preisen oder Preisbändern über einen mehrjährigen Zeitraum. Im Grunde handelt es sich um eine Möglichkeit, die Volatilität der Strompreise ohne Finanzmarktinstrumente wie Derivate zu hedgen. Doch wie immer beim Hedging fallen dabei Kosten an: Deshalb besteht ein gewisser Abschlag gegenüber den zu erwartenden durchschnittlichen Spotmarktpreisen. Dafür sichern sich Investoren im Rahmen der Erzeugungskapazität relativ zuverlässige und prognostizierbare Cashflows.

Der PPA-Markt hat sich auch während des Corona-Lockdowns als vergleichsweise robust erwiesen. Nach einer kleinen Delle im März und April, die deutlicher flacher verlief als die heftigen Schwankungen am Spotmarkt, haben sich die PPA-Konditionen seit Mai auf einem leicht niedrigeren Niveau als vor der Krise eingependelt – bei Neuverträgen, wohlgemerkt. Da während des Lockdowns nur wenige neue Verträge abgeschlossen wurden, ist die Belastbarkeit der zur Verfügung stehende Datenbasis begrenzt. Der hohe Abstand zu den niedrigen Spotpreisen kann gleichwohl als Indiz dafür dienen, dass die Marktteilnehmer eine baldige Rückkehr der Spotpreise auf deutlich höhere Niveaus erwarten. Die Stabilität der PPA-Konditionen nutzt letztlich allen Vertragspartnern.

Mit dieser Entwicklung aber erhöht sich die Komplexität der Vermarktungsmechanismen. Anders als bei den festen Einspeisevergütungen handelt es sich nicht um weitgehend standardisierte Verträge. Fast jedes PPA ist ein Unikat. Dies beinhaltet auch neue Risiken, beispielsweise ein Kontrahentenrisiko. Grundsätzlich gehört es aber zu marktwirtschaftlichen Prinzipien, dass gewisse Markrisiken dem typischen Geschäftsmodell eines Stromerzeugers inhärent sind – seien es Preis- und Kontrahentenrisiken oder Volumenrisiken auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite. Erneuerbare-Energien-Investments sind heutzutage keine Selbstläufer mehr.

Es ist deshalb entscheidend, die Risiken für jedes Asset individuell zu identifizieren und zu bewerten. Die Heterogenität nimmt zu: Selbst bei gleicher Technologie und den gleichen Märkten können die einzelnen Projekte aus Risiko-Rendite-Sicht stark voneinander abweichen. Der Gesetzgeber wird das regulatorische Rad nicht wieder vollständig zurückdrehen. Damit ein Investment, unabhängig von dessen Klassifizierung als Core-, Core-plus- oder Value-Add-Asset, wirtschaftlich erfolgreich umgesetzt werden kann, ist es wichtig, einen Asset Manager zu haben, welcher die inhärenten Risiken des jeweiligen Investments versteht und zu managen weiß. Dies erfordert eine größere Kompetenz als in Zeiten der staatlich garantierten Einspeisevergütung. Ein Investor, der die Chancen auch im gegenwärtigen Marktumfeld nutzen will, muss auch die Risiken verstehen.

---
*) Michael Ebner, Geschäftsführer Assetklasse Infrastruktur, KGAL Investment Management