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Gastbeitrag: Wohnimmobilieninvestments - ohne Glamour gegen den Trend

Im Wohnimmobiliensegment hält die Renditekompression weiter an: Die Analysten des Immobiliendienstleisters CBRE ermittelten in ihrer aktuellen Halbjahresmeldung beispielsweise eine durchschnittliche Spitzenrendite von 2,26% in den fünf größten deutschen Städten. Entsprechend reagieren institutionelle Anleger noch häufiger mit den bekannten Ausweichbewegungen und suchen Investments nicht mehr in den Zentren der großen Metropolen, sondern in eher peripheren Lagen. Oder aber sie wählen gleich die nächstgrößeren „klassischen“ B-Städte wie Dresden, Leipzig, Nürnberg oder auch Bonn – also Standorte mit einigen hunderttausend Einwohnern und einer internationalen Strahlkraft.

Moritz Kraneis

Diese ausschließliche Fokussierung bedeutet jedoch, dass die Konkurrenz der Investoren inzwischen auch in den B-Städten stark gestiegen ist, was wiederum zu Bieterkriegen und Preisaufschlägen führt. Warum also nicht auch kleinere, regional fokussierte Standorte in der Größenordnung von 50.000 bis 100.000 Einwohner als Investmentstandort identifizieren? Schließlich bieten Regionalzentren wie Fulda oder auch überregional bekannte Universitätsstandorte wie Marburg ebenfalls eine positive Demografie, eine überdurchschnittliche Wirtschaftskraft dank der dort vorhanden starken Mittelständler den sogenannten „Hidden Champions“ und eine hohe Nachfrage nach adäquatem Wohnraum.

Regionalstandorte mit beachtlicher Mietentwicklung
So zeigt eine Analyse des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) von 2020: In der vergangenen Dekade haben Regionalstandorte vor allem in einer Hinsicht überrascht: Sie weisen in der Neuvermietung eine jährliche relative Mietsteigerung auf, die höher war als in den klassischen B-Städten. Auch bei der Wiedervermietung haben die Regionalstädte die B-Städte geschlagen. Zugleich sind die Kaufpreise für Wohnungsneubauten und Bestandswohnungen aber vergleichsweise langsamer gestiegen als in B-Städten. Natürlich muss man hier die jeweils niedrigere absolute Ausgangsbasis bedenken. Dennoch deutet sich an: Das Rendite-Risiko-Profil hat sich verschoben – zugunsten der Regionalstädte.

Gießen schlägt Hannover, Fulda schlägt Dortmund
Diese Verschiebung zugunsten der kleineren Regionalstandorte zeigt sich auch im aktuellen Risiko-Rendite-Städteranking von Dr. Lübke & Kelber: Mittlerweile seien nicht mehr nur Städte aus der zweiten Reihe wie Leipzig, sondern eben auch Städte dahinter wie beispielsweise Flensburg für Wohnungsinvestments deutlich attraktiver geworden. Entsprechend schneiden im besagten Ranking viele Regionalstandorte erstaunlich gut ab. So stehen Städte wie Gießen oder Marburg besser da als beispielsweise Hannover, das unter Investorenkreisen auch den Spitznamen „Königin der B-Städte“ trägt. Wieder andere Regionalstandorte wie Fulda schlagen die durchaus beachtenswerte B-Stadt Dortmund, der ein Strukturwandel hin zu Zukunftsbranchen gelungen ist. Das Risiko-Rendite-Städteranking von Dr. Lübke & Kelber unterstellt für die Kategorien Neubau und Bestand jeweils eine Haltedauer von zehn Jahren. Analysiert wurden Bevölkerung, Sozioökonomie, Wohnungsmarkt sowie Miet- und Kaufpreise. Insbesondere mit Blick auf eine positive Bevölkerungsdynamik und die sozioökonomische Entwicklung haben auch die vorgenannten Fulda und Marburg gut abgeschnitten.

Neues räumliches Muster
Woher kommt diese Dynamik? Die Analysten von CBRE beobachten zunehmend veränderte räumliche Muster auf den Wohnungsmärkten: Viele Menschen treffen die bewusste Entscheidung, nicht in Berlin, Frankfurt und Co. leben zu wollen. Dabei geraten vermehrt auch Regionen in den Fokus, die außerhalb der engeren Metropolräume liegen. Die Menschen verbinden so unter anderem die landschaftliche Attraktivität und das Kleinstadtflair mit dem vielfältigen urbanen Angebot, das sich auch in den kleineren Städten herausgebildet hat. Oder anders gesagt: Abgesehen von Opernhäusern und wenigen anderen Einrichtungen bieten auch die meisten Regionalzentren inzwischen ein reichhaltiges Kultur- und Freizeitangebot und zahlreiche urbane Berührungspunkte. In Verbindung mit einer herausragenden Netzinfrastruktur, einer guten Nahversorgung sowie Schulen und Kindergärten werden derartige Regionen laut der CBRE insbesondere für Familien immer attraktiver. Auch die steigende Akzeptanz des mobilen Arbeitens wird die Re-Suburbanisierung in den kommenden Jahren noch verstärken. Diese Erkenntnisse werden zusätzlich durch das diesjährige ZIA-Frühjahrsgutachten gestützt, demzufolge die Entfernung zur nächsten Metropole als Marktkriterium an Relevanz verliert. Die Zentralität eines Standortes kann also für Investoren nicht mehr uneingeschränkt als Sicherheitsargument für die Metropolen und ihre Speckgürtel herangezogen werden.

Erschwinglichkeit gleich Sicherheit
Zudem gilt: Regionalstädte punkten mit Erschwinglichkeit für die jeweiligen Mieterhaushalte. In Fulda beispielsweise liegt die Mietbelastungsquote in einer Bestandswohnung inklusive der Nebenkosten laut Dr. Lübke & Kelber bei etwa 21%. Im Neubau sind es rund 24%. In Frankfurt und Berlin hingegen liegt die Belastung im Bestand bei über 30%. Im Neubau in Frankfurt bei knapp 40% und in Berlin noch einmal erheblich darüber. Aus Investorensicht bieten Regionalstädte damit eine gewisse Sicherheit und einen Puffer für wirtschaftlich unsichere Zeiten. Schließlich werden die ökonomischen Wachstumsprognosen für die zweite Jahreshälfte derzeit wieder zunehmend hinterfragt. Bringt eine vierte Corona-Welle womöglich die Kurzarbeit zurück?

Mietausfallrisiko bedenken
Der Immobilienberater PREA hatte im vergangenen Jahr für die deutschen Metropolen ermittelt: Kurzarbeit führt aufgrund der verschlechterten Gehaltssituation gerade in den teuren Innenstädten zu einem erhöhten Mietausfallrisiko. Das gilt für fast alle untersuchten Städte. Das zugrundeliegende Modell war dabei zwar ein Extremmodell für den absoluten Worst Case und bezog sich wie bereits erwähnt nur auf die Metropolen. Dennoch sprechen derartige Überlegungen dafür, neben der Mietentwicklung und -prognose auch das absolute Mietniveau in Relation zum Einkommen der Haushalte in der Investitionsentscheidung stärker zu bedenken.

Haltestrategie und Asset Management
Derartige Überlegungen haben selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Haltestrategie: Luxussanierungen, die auf große Mietpreissprünge abzielen, sind vor diesem Hintergrund kontraproduktiv. Die Haltestrategie sollte auf ein behutsames Manage-to-Core beziehungsweise auf die „natürliche“, marktgetriebene Mietentwicklung abzielen. Zumal es die großen Mietregulierungen, wie man sie beispielsweise in Berlin gesehen hat, in kleinen Regionalstädten wohl eher nicht geben dürfte. Damit ist eine Deckelung der natürlichen Entwicklung nicht zu erwarten. Für das Asset Management sei außerdem noch einmal auf die Beobachtung von CBRE verwiesen: Die Bedeutung von Familien als Mieterzielgruppe nimmt in Regionalstädten zu. Es ergeben sich somit Implikationen für ausreichend große und familiengerechte Grundrisse und eine entsprechende Wohnumfeldgestaltung mit Spielplätzen und Grünflächen.

Transparenz und Marktkenntnis
Eine Hürde aus Investmentsicht ist sicherlich die geringere Transparenz als in den Metropolen oder in den B-Städten. Es bedarf daher lokaler Partner mit einer exzellenten Marktkenntnis bis an den Stadtrand sowie einer guten Vernetzung vor Ort. Ist dies gegeben, können im „ganz normalen“ Wohnimmobiliensegment durchaus Renditen erwirtschaftet werden, die man sonst eher von Mikroapartments oder Studentenwohnheimen kennt – und das sogar bei deutlich reduziertem Risiko. Umgekehrt wiederum ist der Projekterfolg von allzu exotischen oder glamourösen Wohnungskonzepten keinesfalls sichergestellt. Investoren sollten sich daher auf hochwertige, erschwingliche konventionelle Wohneinheiten konzentrieren.

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*) Moritz Kraneis, geschäftsführender Gesellschafter, Deutsche Zinshaus Gesellschaft mbH