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Kommentar: Fünf gute Gründe für die Wertstabilität von Wohnimmobilien

Rund eineinhalb Jahrzehnte kannten die Preise für deutsche Wohnimmobilien nur einen Weg: nach oben. Jetzt jedoch zeigen sich erstmals Preisrückgänge. Die Pessimisten auf den Märkten sehen darin eine platzende Immobilienblase und ziehen Parallelen zu den Jahren 2007 und 2008, als die Banken- und Immobilienwirtschaft einen Kollaps erlebte. Tatsächlich jedoch ist ein neuerlicher Immobiliencrash äußerst unwahrscheinlich. Das weitaus realistischere Szenario ist, dass auf den Märkten eine gewisse Normalität einkehrt: weg von den klaren Verkäufermärkten der jüngeren Vergangenheit und hin zu einem neuen Gleichgewicht zwischen beiden Parteien. Aber welche Argumente sprechen gegen einen Crash – und für eine moderate, neue Normalität auf den Märkten?

Jürgen Kelber

Erstens: Die Finanzierungssituation ist solide
Anders als gegen Ende der 2000er-Jahre sind in Deutschland nur sehr wenige Immobilien spekulativ finanziert. Vielmehr agieren die deutschen Finanzierer schon seit Jahren sehr zurückhaltend, mit konservativen Beleihungswerten sowie relativ hohen Eigenkapitalforderungen. Dies ist nun ein wichtiger Sicherheitsanker, da nur sehr wenige und sehr offensiv orientierte Investoren, die beispielsweise mit hohem Mezzaninkapitalanteil agieren, durch die aktuelle Situation ernsthaft in Bedrängnis geraten werden.

Zudem sind die Bauzinsen im Jahresvergleich zwar um circa 200 Basispunkte gestiegen und betragen nun zwischen drei bis dreieinhalb Prozent, dennoch liegt das Zinsniveau der Plattform Interhyp zufolge nur leicht über dem Wert von 2012 und deutlich unter dem Zinsniveau von 2008, als die Zinsen teilweise bei über 5% lagen. Wer nun also seinen Kredit refinanzieren muss, kann dies oftmals zu ähnlichen, wenn nicht sogar günstigeren Konditionen tun als zur damaligen Erstfinanzierung. Auch Eigenheimkäufer werden nach wie vor ihren Traum von den eigenen vier Wänden realisieren – auch, wenn dieser womöglich einige Quadratmeter kleiner ausfallen mag als zuvor.

Zweitens: Es gibt hierzulande keine Leerstände, sondern Wohnungsmangel
Noch immer zeugen in Spanien mehrere „Geisterstädte“ von der wahrscheinlich größten europäischen Immobilienblase im neuen Jahrtausend – und eine halbe Million Immobilien waren der Süddeutschen Zeitung zufolge auch im Jahr 2018 noch nicht fertiggestellt. Die Situation in Deutschland könnte nicht unterschiedlicher ausfallen: Die Leerstände sind historisch niedrig, in Berlin liegt die Quote seit mehr als fünf Jahren beispielsweise bei konstant unter einem Prozent. Das Ziel von 400.000 neu entwickelten Wohneinheiten wird zudem seit Jahren immer wieder verfehlt, im Jahr 2021 waren es dem Statistischen Bundesamt zufolge 293.000 tatsächlich errichtete Wohneinheiten. Dass Mieter nach wie vor bei Besichtigungsterminen Schlange stehen müssen, ist zweifellos ein großes gesellschaftliches Problem. Allerdings ist es eines der deutlichsten Zeichen überhaupt gegen eine Blasenbildung. Die Tatsache, dass die steigenden Zinsen in Verbindung mit deutlich wachsenden Baupreisen und Lieferkettenengpässen Projektentwicklungen zurzeit stark erschweren, wird dafür sorgen, dass mittelfristig sogar noch weniger neu gebaut wird und der Nachfrageüberhang weiter steigt.

Drittens: Die Demografie spricht für das Produkt Wohnimmobilie
Obwohl nach Angaben des Statistischen Bundesamts die Geburtenziffer 2021 erstmals seit 2017 wieder gestiegen ist und bei aktuell 1,58 Kindern je Frau liegt, werden in Deutschland nach wie vor zu wenige Kinder geboren. Dies wird jedoch durch die Zuwanderung mehr als wettgemacht. 2021 sind etwa 329.000 Personen mehr zugewandert als ausgewandert. 2022 wurde dieser Trend nochmals durch die zahlreichen Neuankömmlinge aus der Ukraine verstärkt. Dennoch gibt es eine größere demografische Herausforderung für Deutschland: die Alterung der Gesellschaft. Daher sollten Kapitalanleger darauf achten, dass sie in einer Region investieren, die nicht zu stark von dieser Alterung betroffen ist – oder aber auf alternative Wohnungsformen wie das betreute Wohnen setzen. Es gibt in Deutschland jedoch zahlreiche Zukunftsregionen, die sowohl eine steigende Kaufkraft infolge wachsender Einkommen als auch städtebauliche Konzepte bezüglich der alternden Gesellschaft bieten können. Immer wichtiger wird in diesem Zusammenhang das urbane Quartier, das sowohl Wohn- als auch Gewerbenutzungen miteinander vereint und somit eine Stadt der kurzen Wege ermöglicht. Aber auch andere Annehmlichkeiten wie Ärzte, Cafés, Einzelhändler und Freizeitangebote tragen zur Stabilität eines Wohnimmobilienstandorts bei, indem sie eine hohe Lebensqualität für alle Altersgruppen ermöglichen. Andere, strukturschwächere Regionen hingegen sind nach wie vor von Wegzug und Abwanderungstendenzen betroffen. Daher müssen Investoren beim Standort noch genauer hinschauen als bisher.

Viertens: Die Inflation kann abgefedert werden
Aktuell befinden wir uns in einer Phase mit 7,9% Inflation und – wie bereits erwähnt – maximal 3,5% Zinsen. Die Immobilienmärkte haben vor einigen Jahren aber auch schon mit 7% Zinsen und 4% Inflation funktioniert. Zudem ist Sparen eine schlechtere Alternative als je zuvor: Mit den geringen Guthabenzinsen und der hohen Inflation erleiden Sparer empfindliche Kaufkraftverluste. Anleihen und andere Liquid Assets sind zwar wieder zu einer Alternative geworden, doch auch dort existiert keinerlei Form von Inflationsbesicherung. Immobilien hingegen profitieren von ihrem „eingebauten“ Inflationsschutz in Form stetig steigender Mieten. Denn aktuell zeigen sich bereits höhere Lohnforderungen, die wiederum Raum für Mietpreissteigerungen bieten.

Fünftens: Neue Käufer drängen auf den Markt
Tatsächlich zeigt sich sowohl im Privatanleger- als auch im institutionellen Geschäft, dass aktuell einige Käufer eher abwarten und auf weiter fallende Preise setzen, anstatt weiterhin zu kaufen. Gleichzeitig jedoch werden wir erleben, wie neue Käufergruppen auf die Märkte drängen werden. Dies können Privatanleger und professionelle Investoren sein, denen die Ankaufsfaktoren in den vergangenen Jahren zu hoch waren und die nun die gute Kaufgelegenheit wahrnehmen wollen – oder auch diejenigen Akteure, die aufgrund komplizierterer Ankaufsprozesse die teilweise enorme Geschwindigkeit auf den Märkten vor Corona nicht mitgehen konnten. Zusätzlich erkennen einige, dass es plötzlich rentable Investments gibt, die vorher gar nicht zu haben waren. Diese werden nun die vorübergehende Abwesenheit anderer für sich nutzen können. Es gibt allerdings noch zahlreiche weitere „neue“ Investorenprofile, beispielsweise professionelle Anleger aus den USA oder der Schweiz, die die relative Stärke ihrer Heimatwährungen gegenüber dem Euro nutzen wollen, um günstiger an deutsche Immobilien zu gelangen.

Fazit: Kein Sprint, sondern ein Marathon
Es mag also sein, dass sich während der kommenden Monate weitere vorübergehende Preisrückgänge ereignen. Auf eine lange Sicht haben Wohnimmobilien hingegen immer von einer sehr hohen Wertstabilität in inflationären Phasen profitiert – dies wird nur aktuell durch den Zinsschock verlagert. Eine Immobilie ist und bleibt nun einmal kein kurzfristiges Anlageprodukt, sondern ein Engagement über Jahrzehnte hinweg. Oder anders gesagt: Es geht nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathon. Wer jetzt also klug handelt und mit Augenmaß zukauft, kann sich einen wichtigen strategischen Vorteil über die kommenden Jahrzehnte sichern.

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*) Jürgen Kelber, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Lübke & Kelber GmbH