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Gastbeitrag: Die Fed - Unabhängigkeit auf dem Prüfstand

Donald Trump übt seit Beginn seiner Amtszeit starken Druck auf die US-Notenbank aus. Welche Risiken birgt es, wenn die Unabhängigkeit der mächtigsten Zentralbank der Welt schwindet?

Ombretta Signori

Yannick Lopez

Es ist nicht das erste Mal in der US-Geschichte, dass die Fed unter politischen Druck gerät: Im Vorfeld der Wahlen von 1972 drängte US-Präsident Richard Nixon den damaligen Vorsitzenden der Federal Reserve, Arthur Burns, dazu, die Geldpolitik zu lockern. Diese Interventionen fanden damals hinter geschlossenen Kulissen statt, heute übt der US-Präsident öffentlich Druck aus.

Donald Trump hat die Fed mehrfach aufgefordert, die Leitzinsen zu senken, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Kosten für den Schuldendienst zu senken. Als Reaktion auf die abwartende Haltung der Fed drohte er zunächst offen mit der Entlassung ihres Vorsitzenden (Jerome Powell), versuchte dann, eine ihrer Gouverneurinnen (Lisa Cook) zu entlassen, und nutzte schließlich den Rücktritt eines Gouverneurs, um den Vorsitzenden seines Wirtschaftsberaterstabs (Stephen Miran) für den Fed-Vorstand zu nominieren.

Neben Macht und Prestige gibt es darüber hinaus weitere Beweggründe, die Fed in ihrer Unabhängigkeit zu beschneiden:
• Die strengere Kontrolle der Bilanz der Fed, die derzeit 6.600 Mrd. US-Dollar beträgt, was 22% des US-BIP entspricht.
• Das Research der Fed indirekt zu steuern und die mit dem Dodd-Frank-Gesetz nach der Finanzkrise von 2008/2009 eingeführten Aufsichtsbefugnisse über Banken wieder zu lockern.

Die Bedeutung der Unabhängigkeit
Die Vorteile einer unabhängigen Zentralbank sind allgemein anerkannt: Sie soll die Preisstabilität gewährleisten ohne das Wachstum zu beeinträchtigen, da ein klarer negativer Zusammenhang zwischen ihrer Unabhängigkeit und der Inflation besteht.



Diese Erkenntnis lag den institutionellen Reformen der 1990er Jahre zur Gründung der Europäischen Zentralbank und die umfassende Reform der Bank of England im Jahr 1997 zugrunde. Und Mario Draghi bekräftigte, dass die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank auf ihrer Unabhängigkeit beruht.

Die derzeitige Struktur der US-Notenbank zielt darauf ab, sie vor politischem Druck zu schützen. Sie ist von den drei Gewalten unabhängig und nicht vom Haushalt des Kongresses abhängig. Ihre Führungskräfte haben lange Amtszeiten. Das soll Kontinuität über Wahlzyklen hinaus gewährleisten.

Die Auswirkungen
Der Verlust der Unabhängigkeit führt dazu, die Leitzinsen aus politischem Druck zu niedrig zu halten. Das erhöht die Inflationserwartungen und untergräbt die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. In der Folge steigt die Nachfrage und führt zu höheren Löhnen und Preisen. Die Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Zinsen und der Inflation erhöht wiederum die von den Anlegern geforderten Risikoprämien, was einen Rückgang der privaten Investitionen und der Kreditvergabe und letztlich eine Verringerung des potenziellen Wirtschaftswachstums zur Folge hat. Das führt im Ergebnis zu einer Kombination aus höherer Inflation und langfristig schwachem Wachstum.

Darüber hinaus würde auch die Glaubwürdigkeit der US-Institutionen insgesamt untergraben werden, was Auswirkungen auf die globale Wirtschaft und das internationale Finanzsystem hätte. Die Entwicklungen im Frühling und Sommer dieses Jahres geben einen Vorgeschmack darauf. Der erhöhte Druck durch Donald Trump zur Zinssenkung löste ein breites Misstrauen gegenüber US-Anlagen aus, was zu einem zeitweisen Rückgang der Aktienkurse, höheren Renditen für Staatsanleihen, einem Anstieg der US-Zinsstrukturkurve und einer Schwächung des US-Dollars führte.

Präzedenzfälle
Der auffälligste und jüngste Fall eines Verlusts der Unabhängigkeit einer großen Zentralbank ist die Türkei. In fünf Jahren hat Präsident Recep Tayyip Erdogan fünf Zentralbankpräsidenten entlassen und mehrere Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses gefeuert, vor allem weil er gegen hohe Zinsen war. Dies führte unter anderem zu einer galoppierenden Inflation von mehr als 80% im Jahr 2022, einer Abwertung der Lira und Kapitalflucht.



Kurzfristige Risiken
Der US-Präsident ernennt die Gouverneure der Fed für eine Amtszeit von 14 Jahren (vorbehaltlich der Bestätigung durch den Senat), den Vorsitzenden der Fed für eine Amtszeit von vier Jahren (verlängerbar), der aus den Reihen der Gouverneure ausgewählt wird. Der Fed-Vorstand besteht aus sieben Gouverneuren.

Im Jahr 2026 endet die Amtszeit von Stephan Miran. Jerome Powells Amtszeit als Fed-Vorsitzender endet im Mai 2026, aber seine Amtszeit als Gouverneur läuft erst im Januar 2028 aus. Dann hätte Donald Trump nur den Sitz von Stephan Miran, um eine Person seiner Wahl zum Fed-Vorsitzenden zu ernennen.

Lisa Cook wird wahrscheinlich bis mindestens Januar im Vorstand bleiben. Aber selbst wenn der Oberste Gerichtshof zu ihren Gunsten entscheidet, könnte sie sich 2026 zum Rücktritt entschließen, was Donald Trump die Möglichkeit geben würde, einen anderen Gouverneur zu nominieren. Im Falle eines Rücktritts von Powell könnte Trump 2026 also bis zu drei Gouverneure nominieren, was ihm einen deutlichen Einfluss auf den Offenmarktausschuss der US-Notenbank (FOMC) verschaffen würde.

Unser zentrales Szenario
Die US-Wirtschaft hat sich im dritten Quartal gut behauptet, aber in den kommenden Monaten dürfte der geringere Konsum der privaten Haushalte aufgrund der Zölle durchschlagen. Die Unsicherheit bleibt hoch. Eine sanfte Landung ist jedoch wahrscheinlich, da die Binnennachfrage 2026 einen Schub erhalten dürfte: Zum einen durch das Gesetz „One Big Beautiful Bill“, das Steuersenkungen, Kürzungen der Sozialausgaben und Investitionen in Verteidigung und nationale Sicherheit vorsieht. Zum anderen durch die Lockerung der Geldpolitik, die Deregulierung und mehr Klarheit in Bezug auf die Zölle. Die Auswirkungen der Zölle auf die Inflation dürften in den kommenden Monaten weiterhin zu spüren sein, da die effektiven Zollsätze wahrscheinlich weiter steigen und sich dem theoretischen Niveau von 18% annähern werden. Vor diesem Hintergrund ist die Fed eher über die Risiken einer höheren Arbeitslosigkeit als über die Risiken einer steigenden Inflation besorgt. Da die Geldpolitik nach wie vor als moderat restriktiv angesehen wird, dürfte die Fed ihre Zinsen bis Ende 2026 auf 3,25% senken.

Die Unabhängigkeit der Fed ist aus unserer Sicht zwar entscheidend, aber keine Frage von Schwarz oder Weiß. Zwischen dem Status quo, bei dem die institutionelle Unabhängigkeit gewahrt bliebe, und einem Verlust der Unabhängigkeit der Zentralbank, gibt es eine Vielzahl von möglichen Entwicklungen. Letztendlich denken wir, dass die wichtigste „Kontrollinstanz“ die Finanzmärkte sind – nur sie können den US-Präsidenten dazu veranlassen, den Druck auf die Fed zu verringern.

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*) Ombretta Signori, Head of Macroeconomic Research, und Yannick Lopez, Head of Fixed Income und Treasury Solutions – beide Ofi Invest Asset Management