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„Letztlich handeln sowohl die Fed als auch die EZB zu spät und damit falsch“

Frank Schnattinger sprach mit Bernhard Matthes, CFA, Bereichsleiter BKC Asset Management, über die aktuelle Situation an den Märkten und die aktuelle Rolle der Inflation.

Bernhard Matthes, CFA

IPE D.A.CH: Für die Zentralbanken war Inflation lange kein großes Thema, eher eine temporäre Erscheinung. Mittlerweile ist man von dieser Überzeugung doch ein Stück abgerückt, gerade die Fed in den USA. Kam für Sie das Inflationsthema überraschend?
Matthes: Nein, wir haben das Thema Inflation bereits seit längerem auf der Agenda, so waren beispielsweise auch Inflation Linked Bonds über die letzten 18 bis 24 Monate ein wesentlicher Alphagenerator bei uns im Portfolio. Wir haben hier etwas antizyklisch kurz nach Beginn der Covid-Pandemie erste Positionen aufgebaut, als fast noch niemand von Inflation gesprochen hat.

IPE D.A.CH: Wie lange wird uns das Thema am Markt beschäftigen?
Matthes: Ich glaube, dass wir hier schon wieder am Wendepunkt sind, die Notenbanken – namentlich in den USA – haben begonnen gegenzusteuern, aber unabhängig davon dürfte sich die Inflationsrate im Lauf des Jahres eher abflachen.

IPE D.A.CH: Was wird 2022 dann die Märkte bestimmen?
Matthes: Ich denke, der Januar war ein guter Vorgeschmack darauf, wie das Jahr aussehen könnte. Neben der Diskussion um Zinserhöhungen der Notenbanken dürfte zunehmend auch die Angst vor einem nachlassenden Wirtschaftswachstum die Märkte dominieren. Die zwischen Hoffen und Bangen entstehende Volatilität wird uns sicher das Jahr über begleiten, zumal wir von durchaus ambitionierten Bewertungen an den Märkten sprechen.

IPE D.A.CH: Eine gesunde Rückkehr zu einem normalen Marktverhalten?
Matthes: So lässt es sich sehr gut umschreiben. Die Entwicklungen der letzten Jahre, getrieben von den massiven fiskalpolitischen Impulsen und den Reaktionen der Notenbanken auf die Covid-Krise, haben zu spekulativen Exzessen und irrationalen Marktbewegung geführt. Wenn dies in einer gewissen Weise korrigiert wird, so ist es durchaus als gesund zu betrachten.

IPE D.A.CH: Wer handelt aktuell richtig – die US-Notenbank oder die EZB?
Matthes: Letztlich handeln sowohl die Fed als auch die EZB zu spät und damit falsch. 2021 wäre der richtige Zeitpunkt der Normalisierung gewesen, insofern ist hier eine temporäre Realitätsverweigerung nicht von der Hand zu weisen. Es wird sich zeigen, ob die geplante geldpolitische Straffung in den USA in eine wirtschaftliche Abschwächung hinein zu halten sein wird. Meines Erachtens ist dies zum Scheitern verurteilt. Die vom Markt aktuelle prognostizierten fünf bis sechs Anhebungen der Fed in 2022 könnten auch schnell wieder zurückgepreist werden.

IPE D.A.CH: …und die EZB?
Matthes: Da habe ich schon etwas resigniert. Ich glaube nicht mehr, dass die EZB tatsächlich noch das Ziel der Geldwertstabilität vor Augen hat. Die EZB wird so lange warten wie nur irgendwie möglich, damit die finanzielle Repression weiterwirken kann, um die Schuldenberge der Mitgliedsstaaten auf diesem Weg zu reduzieren.

IPE D.A.CH: Das heißt wir werden weiter eine „Flucht“ in Realwerte sehen?
Matthes: Diese machen aufgrund der Alternativlosigkeit unabhängig von der aktuellen Inflationsrate sicher Sinn. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch festhalten, dass Sie beim Kauf einer Wohnung in A-Lage in München oder Frankfurt sicher effektiv eine ähnliche Nullrendite erzielen wie mit Bundesanleihen. Aktien waren und sind in diesem Umfeld ganz sicher eine logische und auch richtige Alternative.

IPE D.A.CH: Auch zum Inflationsschutz?
Matthes: Hier muss man differenzieren. Die Auffassung ist weit verbreitet, aber gerade im Inflationsumfeld mit Raten von über 3% gelingt es nur wenigen Unternehmen mit tatsächlicher Preissetzungsmacht ihre Margen zu verteidigen. Bei vielen anderen Unternehmen können die Margen dagegen dem Kostendruck nicht standhalten. Die Selektion ist dann der Schlüssel zum Erfolg.

IPE D.A.CH: Sind Aktien per se zu teuer?
Matthes: Auch hier muss man sehr differenzieren. Die US-Indizes scheinen optisch teuer. Ursache ist die sehr hohe Gewichtung einiger weniger Technologiewerte und Momentum-Aktien. Rechnet man aber diese aus den Indizes heraus, so ist zu erkennen, dass die Aktienmärkte insgesamt nicht unbedingt zu teuer sind. Außerhalb der USA finden sich zum Teil sogar im historischen Vergleich moderate Bewertungen.

IPE D.A.CH: Wie schätzen Sie – gerade auch als Investor mit kirchlichem Background – das stark gestiegene Interesse bei ESG-Strategien in den vergangenen Jahren ein?
Matthes: Ich habe das immer offen angesprochen, es ist nahezu grotesk was da am Markt passiert. Wer die intrinsische Motivation hat, in dem Bereich aktiv zu werden, der hat wie unsere Anleger gute Gründe. Die Hyperinflation um das Thema in den vergangenen Jahren erschließt sich mir dagegen nur teilweise. Vielfach mag die Regulierung als Motivation dahinter gelten, oder auf Anbieterseite auch höhere Fees für Strategien, aber das sind ja beides keine hinreichenden Begründungen, um eine ESG-Strategie aufzusetzen. Ich denke, hier wird sich die Spreu noch vom Weizen trennen. Ich glaube auch, dass die Taxonomie bzw. Offenlegungsverordnung nicht der richtige Weg sind, dies zu erzwingen. Wer es aus echter Motivation heraus nachhaltige Anlagen nachfragt, benötigt dafür keine Regulierung.

IPE D.A.CH: Was bleibt insgesamt – 2022 dürfte ein schwieriges Jahr für Anleger werden?
Matthes: Wir machen ganz bewusst keine konkreten Marktprognosen. Aber schaut man auf die Begleitumstände des Börsenjahres 2022, abnehmende fiskalische und monetäre Impulse, eine hohe Inflationsrate und ambitionierte Bewertungen – das ist ein unschöner Mix an Beschwerlichkeiten. Es wird für risikonahe Assets sehr schwer, die Performance der Vorjahre zu wiederholen. Generell werden wir aber weiter von der grundsätzlich expansiven Geldpolitik und dem negativen Realzins begleitet werden.

IPE D.A.CH: Was macht Gold in diesem Umfeld?
Matthes: Gold ist für mich in den nächsten Jahren einer der attraktivsten Portfoliobausteine mit einer relativ zu anderen Assetklassen betrachtet hohen Ertragserwartung. Es macht sehr viel Sinn, daher auch erhöhte Quoten innerhalb eines aktiv bewirtschafteten Portfolios zu fahren.

IPE D.A.CH: Besten Dank für die Ausführungen!