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„Beim Thema ESG ist ein ganz wesentlicher Bewusstseinsruck passiert, den wir so auch im Investmentprozess für unsere Kunden abbilden wollen“

State Street Global Advisors, die Vermögensverwaltungssparte der State Street Corporation, gab kürzlich bekannt, dass man die Kriterien Umwelt, Soziales und Governance (ESG) als zusätzlichen Faktor in ihren aktiven quantitativen Aktienstrategien integriert hat. IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Frank Becker, Geschäftsführer bei State Street Global Advisors in München, über den Einfluss des ESG-Faktors auf quantitative Investmentstrategien und die Herangehensweise von institutionellen Anlegern an das Thema ESG.

Frank Becker

IPE Institutional Investment: Herr Becker, bislang ist der Themenkreis ESG/SRI insbesondere bei aktiven Managern kein Thema. Wie kam es bei Ihnen als quantitatives Haus zu einer Integration?
Becker: Verantwortungsvolles Investieren war schon immer ein ganz wesentlicher Teil unserer Investmentphilosophie. Daher war es für uns nie eine Frage, ob wir das Thema ESG/SRI dezidiert in Investmentstrategien umsetzen wollen, sondern vielmehr nur das „Wie und Wann“. Noch immer sind wir bei Investoren ja in erster Linie als Manager von passiven Strategien, welche wir – nebenbei bemerkt – lieber Index-Strategien nennen, bekannt. Allerdings haben wir gerade im Bereich der aktiven quantitativen Investmentstrategien über viele Jahre nun eine starke Expertise aufgebaut. Immerhin konnten über den Zeitraum der letzten 5 Jahre 88% unserer aktiven Strategien, die wir quantitativ managen, eine Outperformance gegenüber ihrem Vergleichsindex erzielen. Das Volumen lag per Dezember 2017 bei 35,4 Mrd. US-Dollar.

IPE Institutional Investment: Wenn ich Sie im Vorgespräch richtig verstanden habe, sprechen wir beim möglichen Investmentuniversum über 16.000+ Einzeltitel global. Wie lässt sich in diesem breiten Rahmen das Modell weiterentwickeln bzw. wie sind Sie konkret auf das Thema ESG/SRI auch von der Investmentperspektive aufmerksam geworden?
Becker: Unabhängig von den positiven Einflüssen auf Umwelt und Gesellschaft sind wir im Rahmen unserer andauernden Weiterentwicklung unseres Investmentprozesses in der Tat auch von der Investment- bzw. Risikomanagement-Seite in den vergangenen Jahren stärker auf das Thema aufmerksam geworden.

IPE Institutional Investment: Ich vermute, es war ein längerer Prozess…
Becker: Wir mussten uns natürlich erst einmal die einzelnen Ebenen der „Environmental“, „Social“ und „Governance“ Faktoren ansehen und die Implikationen auf das Portfolio beurteilen und verstehen. Das geht nicht von heute auf morgen und kann nicht in einer Art „Hauruck“ Funktion implementiert werden. Mit dem jetzigen Ergebnis können wir aber – so denke ich – sehr zufrieden sein.

IPE Institutional Investment: Gleichzeitig sind Sie damit aber auch dem aktuellen Wunsch der Investoren nach einem „mehr“ an ESG im institutionellen Portfoliomanagement nachgekommen…
Becker: Das sehe ich auch so. Gerade deswegen war uns auch wichtig, im Rahmen einer Investorenbefragung dieses Feedback von der institutionellen Seite zurückgespielt zu bekommen. Hier ist ein ganz wesentlicher Bewusstseinsruck passiert, den wir so auch im Investmentprozess bzw. den für Kunden gemanagten Portfolien abbilden wollen.

IPE Institutional Investment: Es gab über viele Jahre bzw. gibt bei Investoren teilweise noch die Diskussion, wieviel Performance ein ESG-Filter bzw. die Einarbeitung von ESG-Kriterien in den Investmentprozess kostet. Jetzt sehe ich in Ihrer Studie, dass 68% dies als Chance sehen, die Gesamtperformance zu verbessern. Hat Sie dies überrascht?
Becker: Es kommt hier auch etwas auf die Definition an, was verstehe ich unter ESG- bzw. SRI-Kriterien und wie setze ich sie ein. Das ist, je nach Investorengruppe, noch sehr breit gefasst. Allerdings sehe ich insgesamt ganz klar, dass gerade institutionelle Investoren das Thema zunehmend positiv einnorden. Gerade auch unter Gesichtspunkten des Risikomanagements gewinnt das Thema mehr und mehr an Bedeutung. Damit einhergegangen ist auch die sophistiziertere Annäherung an das Thema.

IPE Institutional Investment: Was verstehen Sie darunter genau?
Becker: Die Weiterentwicklung von reinen Ausschlusskriterien zu einer sinnvollen Integration in den Investmentprozess. Hier war z.B. das Jahr 2015 ein gewisser Wendepunkt, wo beispielsweise der Ausschluss von Werten der Tabakwarenindustrie deutlich Performance gegenüber dem Index gekostet hat. Neben der zunehmenden Forderung unterschiedlicher Stakeholdergruppen unserer Kunden nach einer stärkeren Berücksichtigung von ESG-Kriterien war dies einer der Punkte die ich als Gründe ansehe, welche zur Weiterentwicklung der ESG-Strategien beigetragen haben. Hier lag es auch an uns als Asset Manager, das Thema granular zu zerlegen und zu analysieren.

IPE Institutional Investment: Lassen Sie uns an dieser Stelle wieder genauer in den Einsatz des ESG-Faktors einsteigen. Sie sprachen ja gerade nochmals das dahinterstehende Research an. Wie passt dies nun in Ihren quantitativen Strategien?
Becker: Im wesentlichen bestehen unsere quantitativen Modelle aus drei Faktorgruppen – Quality, Sentiment und Value. Im Rahmen unseres Research wurde deutlich, dass es gerade bei Unternehmen der modernen Technologien bei der Analyse vielmehr auf immaterielle Werte ankommt, welche anhand von verschiedenen ESG-Kriterien sehr effizient genutzt werden können.

IPE Institutional Investment: Ich habe in Ihrem Research von ESG als asymmetrischen Faktor gelesen, wie verhält es sich damit?
Becker: Bei uns wenden wir die einzelnen ESG-Faktoren branchenspezifisch an. Das Thema effizienter Umgang mit Wasser hat beispielsweise im Bankensektor nur einen untergeordneten Einfluss, hingegen hat es im Energiesektor beispielsweise einen sehr hohen Einfluss. Dies war letztlich auch einer der wesentlichen Gründe unser eigenes Modell für den Einsatz von ESG-Faktoren zu entwickeln, da hier viele Anbieter einen Standard über einen gesamten Index anwenden wollen. Wir wollten dies spezifischer angehen.

IPE Institutional Investment: Wo haben Sie ESG als Faktor nun innerhalb der genannten Faktorgruppen miteingebaut?
Becker: ESG ist ein weiterer Quality-Faktor und wird daher von uns innerhalb dieser Faktorfamilie als zusätzlicher Faktor eingesetzt. Uns hat hier das Ergebnis sehr gefreut, dass Dank der Integration das letztliche Alpha unserer Modelle weiter verbessert werden konnte, also auch ein echter Performancebeitrag vorliegt.

IPE Institutional Investment: Ohne das Thema Performance geht es in diesem Interview natürlich auch nicht. Wie sind dann hier Ihre ersten Erkenntnisse zum Einbau des bzw. der ESG-Faktor(en)?
Becker: Wir haben uns hier das Universum des All Country World Index von MSCI angeschaut und untersucht wie sich die Investmentergebnisse durch Einschluss unserer ESG-Kriterien verändern. Beim sogenannten ESG-Score sehen Sie bis ins siebte Perzentil eine durchaus positive Dispersion bei den Ergebnissen bzw. beim Ergebnisbeitrag. Besonders spannend wird es bei den Unternehmen mit einem unbefriedigendem ESG-Score aus dem achten, neunten und zehnten Perzentil. Hier zeigt sich, dass diese Unternehmen einen stark negativen Beitrag zur Gesamtperformance liefern, hier gilt es aufzupassen. Insgesamt zeigt sich aber damit die bereits ausgeführte Asymmetrie des ESG-Faktors.

IPE Institutional Investment: Das heißt der Vorteil liegt sehr stark auf dem Management der Downside?
Becker: Genau, wir schaffen es, die Unternehmen mit einem schlechten ESG-Score zu vermeiden und damit auch ein aktives Risikomanagement zu betreiben. Hier liegt der große Mehrwert.

IPE Institutional Investment: Gibt es auf Investorenseite noch etwaige Vorbehalte an der Kombination quantitativ und ESG?
Becker: Ich würde eher sagen, dass es in bestimmten Kundensegmenten noch immer eine gewisse Skepsis beim Thema Quant-Modelle gibt. Es sind aber keine Annäherungsängste die sich mit dem Thema ESG vermischen, das würde ich komplett getrennt betrachten bzw. eher sogar positiv sehen, da ESG als zusätzlicher Risikomitigator angesehen wird.

IPE Institutional Investment: Würden Sie ESG-Faktoren auch als Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Managern sehen?
Becker: Das kann man durchaus so sehen. Letztlich haben sich über die vergangenen Jahre viele Strategien in ihrem Setup bzw. Handeln durchaus einander angenähert. Da sind unterschiedliche Ansätze im Umgang mit dem Thema ESG wieder ein klares Differenzierungsmerkmal.

IPE Institutional Investment: Wir haben jetzt viel über den Einbau von ESG-Kriterien in Ihre quantitativen Aktienstrategien gesprochen. Lassen Sie uns abschließend noch den Blick auf das große Ganze werfen. Wie viel Prozent Ihrer Gesamtassets werden mittlerweile nach ESG-Kriterien gemanagt?
Becker: Über alle Assetklassen und Investmentstrategien werden bei State Street Global Advisors rund 209 Mrd. Euro der insgesamt 2.320 Mrd. Euro nach ESG-Kriterien gemanagt. Wir sehen hier über alle Bereiche ein steigendes Investoreninteresse und ich denke wir sind hier auf einem sehr guten Weg, der noch lange nicht zu Ende ist.

IPE Institutional Investment: Vielen Dank für diese Einblicke.