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Gastbeitrag: Fokus auf Europa oder USA? Ein Versuch, die Vereinigten Staaten und Europa für Infrastruktur-Investoren zu vergleichen

Die Dichotomie zwischen Europa und den Vereinigten Staaten bei der geografischen Asset Allokation institutioneller Investoren ist derzeit ein viel diskutiertes Thema – vor allem aufgrund der widersprüchlichen Signale der aktuellen US-Regierung. Die US-Regierung hat durch den Inflation Reduction Act von 2022 direkte Unterstützung für Infrastrukturinvestoren bereitgestellt, hauptsächlich in Form von Steuererleichterungen auf Bundesebene. In der EU arbeiten die nationalen Regierungen an direkteren Förderprogrammen, angefangen mit dem 500-Milliarden-Euro-Paket der deutschen Regierung, das voraussichtlich eine günstige Finanzierung ausgewählter Infrastrukturprojekte ermöglichen wird. Abgesehen von der politischen Dimension der Asset Allokation und der Art der Unterstützungsmechanismen bestehen grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Märkten für Infrastrukturinvestitionen.

Serkan Bahçeci

Bei Infrastrukturinvestitionen sind Europa und die Vereinigten Staaten die beiden dominierenden Märkte hinsichtlich Größe und Investitionsvolumina. Beide Märkte sind groß, bestehen aus vielen nationalen oder bundesstaatlichen Gerichtsbarkeiten und sind nicht homogen. Allerdings ist keiner der beiden Märkte groß genug, um allein ein angemessenes Maß an Diversifizierung zu bieten.

Auch auf Sektorebene gibt es erhebliche Unterschiede: Die Vereinigten Staaten sind derzeit weltweit führend bei Investitionen in digitale Infrastrukturen, während Europa beim Transportwesen führend ist. Ein Engagement in beiden Märkten verbessert die Diversifizierung und dürfte langfristig für mehr Stabilität sorgen, was ein wesentlicher Bestandteil der Attraktivität von Infrastruktur als Anlageklasse ist.

Die erwarteten Renditen im Infrastrukturbereich waren in den Vereinigten Staaten zwischen der Großen Rezession von 2008-2009 und dem Zinsanstieg im Jahr 2022 im Durchschnitt höher als in Europa. Der Hauptgrund dafür war der leicht zu beobachtende Unterschied bei den risikofreien Zinssätzen, die durch die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen ausgedrückt werden. Diese Differenz erklärt jedoch nicht vollständig den Unterschied zwischen den erwarteten Infrastrukturrenditen.

Unserer Ansicht nach bot der US-Markt etwas mehr wertsteigernde und opportunistische Investitionen, während Europa bei Core- bis Core-Plus-Ansätzen tendenziell etwas stärker war. Es gibt keine verlässlichen aggregierten Renditedaten, aber es wird davon ausgegangen, dass die europäische Infrastruktur seit 2022 während des anhaltenden Hochzinszyklus besser abgeschnitten hat als die US-amerikanische.

Betrachtet man Europa und die Vereinigten Staaten aus der Perspektive der Portfoliokonstruktion, so gibt es einige Beobachtungen, die dafür sprechen, dass Europa für einen Core Investitionsansatz attraktiver ist.

Europa bietet mehr Diversifikation bei investierbarer Infrastruktur
Die US-Infrastruktur wird von Energie- und neuerdings digitalen Investitionen dominiert, was eine sektorübergreifende Diversifikation erschwert. Verkehrsinfrastruktur ist beispielsweise größtenteils nicht investierbar, da sie über steuerbefreite Kommunalanleihen finanziert wird.

Der Emittent solcher Anleihen – in der Regel eine lokale Regierungsstelle – kann Anleihen bis zu 100% der Projektkosten ausgeben und behält während Bau und Betrieb die vollständige Kontrolle. Da die Schulden bei staatlicher Förderung steuerfrei sind, kann ein privater Sponsor ein solches Projekt niemals kosteneffizient finanzieren.

Das Ergebnis: Obwohl alle europäischen Flughäfen wie teure Einkaufszentren aussehen, zu denen Kunden per Flugzeug anreisen, gibt es in den USA keine privat betriebenen Flughäfen mit kommerziellem Verkehr – mit Ausnahme einiger weniger öffentlich-privater Partnerschaften (P3) an einzelnen Terminals in Denver, La Guardia und JFK in New York sowie LAX in Südkalifornien, die jedoch keine vollständige operative und finanzielle Kontrolle durch private Betreiber ermöglichen.

Ähnlich ist es bei Mautstraßen und Seehäfen, die überwiegend durch Kommunalanleihen finanziert und von lokalen Behörden betrieben werden. Es ist eine gewisse Ironie, die man hervorheben sollte: Während die USA im Kalten Krieg als kapitalistisches Gegenmodell galten, zeigt sich ihre Verkehrsinfrastruktur als kommunistisch – alles ist im Besitz des Staates und wird staatlich betrieben – während das sozialistisch geprägte Europa den privaten Sektor eingebunden hat. Die Folge: Die Verkehrsinfrastruktur in den USA ist unterfinanziert.

Europa ist wirtschaftlich diversifizierter
Europa weist innerhalb der Region eine größere makroökonomische Variation auf als die USA und bietet daher mehr Diversifikationspotenzial. Die Vereinigten Staaten haben 51 staatliche und föderale Zuständigkeiten mit eigenen wirtschaftlichen und demografischen Trends.

Europa ist schwieriger zu zählen – je nach Kontext umfasst es 44 Länder laut Vereinten Nationen (50 laut Wikipedia), die EU hat 27 Mitglieder, und es gibt 23 wohlhabende OECD-Länder. Zum Vergleich: Der Unterschied beim BIP pro Kopf zwischen dem reichsten und dem ärmsten US-Bundesstaat beträgt weniger als das Doppelte.

In der EU hingegen beträgt dieser Unterschied das Fünffache. Auch bei Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum gibt es in Europa größere Bandbreiten als in den Vereinigten Staaten.

Europa hat mehr regulatorische Vielfalt
Die Unterschiede bei Regeln und Vorschriften zu quantifizieren ist zwar schwierig, doch unserer Meinung nach ist auch hier Europa diversifizierter. Trotz politischer Unterschiede zwischen roten und blauen US-Bundesstaaten gelten bundesweite Regeln und Programme überall, insbesondere bei Steuern und Subventionen.

Die EU hingegen, die nur etwa die Hälfte des europäischen Kontinents abdeckt, besitzt keine vergleichbaren föderalen Befugnisse. Die einzelnen Länder sind daher in ihrer Fiskalpolitik für Infrastruktur völlig unabhängig.

Europäische Infrastruktur bietet besseren Inflationsschutz
Langfristige Verträge in den USA basieren meist auf nominal fixierten Preisen, während sie in Europa überwiegend inflationsindexiert sind. Ein typisches Beispiel: Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreements, PPAs), die in den USA von staatlichen Regulierern genehmigt werden müssen, beinhalten traditionell keine Inflationsanpassung.

So tragen unabhängige Energieproduzenten in den USA das Inflationsrisiko über die gesamte Laufzeit des Vertrags. In Europa hingegen sind solche Verträge – oft in Form staatlicher Einspeisevergütungen – inflationsindexiert.

Da die Inflation bis vor Kurzem niedrig war, unterschieden sich die Renditen fixpreislicher und indexierter PPAs kaum. Doch bei der Diskontierung von Cashflows berücksichtigten viele Investoren einen Inflationsrisikozuschlag.

Basierend auf der Break-even-Inflation im Anleihemarkt schätzen wir, dass dieser Zuschlag vor 2022 bei 30 bis 80 Basispunkten für nicht indexierte Verträge lag. Rückblickend war das angesichts einer kumulierten Inflation von 15-20% in den letzten drei Jahren in der OECD zu niedrig.

Der Effekt von nominal fixierten Preisen übertrug sich auch auf andere Sektoren. Wenn auch weniger ausgeprägt im Energiesektor, so weisen Verträge im Digital- und Verkehrssektor sowie regulierte Tarife für Versorger in Europa im Schnitt eine deutlich stärkere Inflationsbindung auf als in den USA.

Heimatmarktpräferenz und Währungsrisiko
Für Core-Infrastruktur – wo die erwartete Rendite eher niedrig ist und die laufende Ausschüttung eine Anleihe ersetzen soll – gibt es dennoch gute Gründe, im Heimatmarkt zu bleiben, unabhängig davon, wie attraktiv die andere Seite des Atlantiks ist.

Auch das Währungsrisiko und die Schwankung der Cashflows durch Wechselkursschwankungen bei Rückführung des Kapitals sollten berücksichtigt werden. Über die Zeit sinkt der Währungseinfluss (annualisiert), und Infrastruktur als langfristige Anlage entwickelt sich langfristig besser bei Stabilität.

Fazit
Europäische Infrastruktur bietet mehr investierbare Sektoren, hat in mehr Bereichen eine längere Historie, bietet besseren Inflationsschutz und profitiert bei Bedarf stärker von direkten Subventionen. Insgesamt ist das Risikoprofil europäischer Infrastruktur niedriger als das der USA, was Europa für Core-Strategien geeigneter macht.

Beim Aufbau ihres Infrastrukturportfolios – über verschiedene Risikoprofile hinweg von Core bis Opportunistisch – sollten Investoren daher sowohl weiterhin die USA als auch Europa berücksichtigen, um ein ausgewogenes Portfolio zu schaffen.

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*) Serkan Bahçeci ist Partner und Head of Research bei Arjun Infrastructure Partners.