IPE D.A.CH: Private-Markets-Investitionen sind aktuell in Mode. Gibt es bei institutionellen Anlegern bestimmte Sektoren mit besonders starker Nachfrage?
Thürmer: Private-Markets-Anlagen sind nicht nur aktuell sehr gefragt, sondern erfreuen sich seit Jahrzehnten großer Beliebtheit. Schon in den 70er Jahren wurden oft Immobilienanlagen getätigt. Von 2010 bis 2020 wurde die bestehende Immobilienquote vieler Investoren nochmals deutlich aufgestockt – quasi als Zinsersatz für nicht vorhandene Zinscoupons in der Niedrigzinsphase. Seit Anfang des Jahrtausends gab es zudem eine große Bereitschaft, in Private Equity und Erneuerbare Energien zu investieren. Derzeit konzentriert sich die Nachfrage stark auf Infrastrukturanlagen. Diese Assetklasse passt als Anlagevehikel gut in die momentan wirtschaftlich angespannte Zeit und bietet darüber hinaus einen hohen Inflationsschutz, meist durch Inflationsindexierung. Laut unserer aktuellen Studie „Präferenzen institutioneller Investoren bei Immobilien und Alternativen Investments“, welche seit 2020 im jährlichen Rhythmus durchgeführt wird, wünschen 64% der befragten Anleger, ihre Infrastrukturquoten in den kommenden Jahren weiter auszubauen. Hauptmotive sind die Aussicht auf höhere Renditen mittels Illiquiditätsprämie, die niedrige Korrelation zu anderen Assetklassen und die Möglichkeit aktiver Mitgestaltung bei Nachhaltigkeit.
IPE D.A.CH: In Private-Markets-Assets inkludieren Sie Immobilienanlagen, was thematisch richtig ist. Einige institutionelle Investoren trennen aber nach wie vor nach Assetklassen wie Immobilien und klassische Alternatives?
Thürmer: Stimmt, aber der Trend deutet darauf hin, dass Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerke die Bereiche Immobilien und Infrastruktur zunehmend zusammenfassen – so wie manche Investoren festverzinsliche Anlagen mit Private Debt-Investments kombinieren, um eine ganzheitliche Betrachtung zu ermöglichen.
IPE D.A.CH: Sie haben eingangs die aktive Mitgestaltung von Investoren bei Infrastrukturinvestments hervorgehoben. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist seit 2020 einer der Megatrends. Wie sehen Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren?
Thürmer: Nachhaltigkeit wird dauerhaft eine hohe strategische Bedeutung bei der Asset Allokation einnehmen und ist längst zu einem wirtschaftlichen Erfolgsfaktor geworden. Die vollständige ESG-Integration in den Anlageprozess ist mittlerweile Standard und unumkehrbar. Regulierte Anleger wie Versicherer oder Altersvorsorgeeinrichtungen haben hier auch personell bei Nachhaltigkeit und ESG ihre Hausaufgaben gemacht. Diese orientieren sich laut unserer Studie zu 67% an den SDG und zu 52% am CO2-Fußabdruck. Mit Nachhaltigkeit lassen sich Risiken besser steuern und erheblich reduzieren. Unter den genannten Anlegergruppen besitzen bereits etwa 90% einen Leitfaden zu Nachhaltigkeitsinvestments oder planen einen solchen.
IPE D.A.CH: Welche Infrastruktursegmente bevorzugen institutionelle Anleger in Deutschland?
Thürmer: Der Energiesektor zieht nach wie vor das meiste Kapital an. Thematisch steht bei Institutionellen die Energiewende im Fokus. Bis 2040 werden weltweit schätzungsweise fast 90 Billionen Euro für Energieinfrastruktur benötigt. Gefragt sind mittlerweile nicht nur Erneuerbare, sondern auch Netze und Energiespeicher. Bei Letzteren sind jährliche Wachstumsraten von etwa 20% in den nächsten Jahren möglich. Investitionen in Batteriespeicher werden als zentraler Baustein der Energiewende eine Hauptrolle einnehmen, denn der Energiebedarf wird in den nächsten Jahren allein durch Elektromobilität und Digitalisierung weiter massiv zunehmen. Nachdem Institutionelle in den vergangenen Jahren erste Erfahrungen mit dem Energiesektor gesammelt haben, geraten nun auch andere Sektoren wie Verkehr/Transport, Digitalisierung und soziale Infrastruktur stärker in den Blick. Laut unserer Studie wollen 51% der befragten Investoren in Verkehr/Transport, 37% in Digitalisierung und 30% in soziale Infrastruktur investieren. Verkehr/Transport ist wahrscheinlich das spannendste Segment neben dem Energiesektor. Bei Verkehr ist Europa einer der größten Emittenten von CO2. Die Transformation eines klimafreundlichen Warenverkehrs wurde von Politik und Anlegern lange Zeit vernachlässigt. Besonders der Bahnsektor erscheint interessant, da sich staatliche Investitionen auf Schienennetze, Personen- und Güterverkehr konzentrieren. Der Gütertransport auf der Schiene reduziert die Treibhausgasemissionen gegenüber dem LKW-Verkehr um rund 80%. Der Güterverkehr wird laut der neuen „Verkehrsprognose“ des Bundes bis 2040 um bis zu 35% zulegen. Die bestehende Waggonflotte ist veraltet und muss ersetzt werden – zusätzlich wird neue Ausrüstung für das Wachstum benötigt. Moderne Technik ist effizienter, sparsamer und umweltfreundlicher. Zu diesem Bedarf stehen die begrenzten Finanzmittel der Bahnunternehmen in deutlichem Widerspruch. Solche Investments sind überschaubar und die Fondslaufzeiten kürzer als in anderen Segmenten.
Bei der Digitalisierung haben Investoren Themen wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Halbleiter, Daten- und Rechenzentren oder Glasfasernetze im Blick. Der Sektor ist vielversprechend, aber komplex. Solche Anlagen können mit hohen unternehmerischen Risiken verbunden sein. Daher ist eine umfassende Due Diligence von enormer Wichtigkeit. Soziale Infrastruktur umfasst Liegenschaften wie Kindergärten, Schulen, Universitäten, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Dieser Sektor wird noch etwas stiefmütterlich behandelt, da viele Investoren solche Investments entweder der Immobilien- oder der Infrastrukturquote zurechnen – es liegt also eine Art Zwitterstellung vor. Fakt ist aber, dass neben der populären Nutzungsart Wohnen auch Sozialimmobilien zunehmend an Bedeutung gewinnen. Egal, wie die Targets aussehen: Investoren sollten sorgfältig alle Chancen und Risiken abwägen, sich nicht nur auf ein Teilsegment konzentrieren und andere Bereiche nicht vernachlässigen.
IPE D.A.CH: Welche Renditeerwartungen, Risikoklassifizierungen und Laufzeiten sind bei Infrastruktur derzeit gefragt?
Thürmer: Bei Core- oder Core-Plus-Strategien sind 5-7% IRR nach Kosten realistisch – abhängig von der Anlagekategorie, dem Fondsvehikel, den implementierten Risiken und dem Einsatz von Fremdkapital. Core- oder Core-Plus-Strategien bieten Renditen, die in der Regel deutlich höher sind als die von festverzinslichen Wertpapieren mit Investment Grade. Klassische Core- oder Core-Plus-Strategien bilden den Schwerpunkt der institutionellen Investitionen. Zur Abrundung eines Portfolios können Value-Add- und opportunistische Strategien beigemischt werden. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Institutionellen investiert langfristig und sieht sich als klassische Buy-and-Hold-Investoren – im Unterschied zu angelsächsischen Investoren, die oft schon nach wenigen Jahren einen Exit anstreben.
IPE D.A.CH: Betrachten Sie die neue Infrastrukturquote als Wachstumsmotor?
Thürmer: Noch vor wenigen Jahren war das Volumen privater Investitionen in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ gering. Das hat sich inzwischen geändert. Der Markt verzeichnet schon länger starkes Wachstum. Vorreiter waren die Versicherer. Mit der Einführung der neuen Infrastrukturquote können nun auch VAG-Investoren wie Pensionskassen oder Versorgungswerke verstärkt investieren. Bislang wurden solche Investments unter Quoten wie Beteiligungen oder Immobilien geführt, die oft bereits ausgeschöpft waren – neue Infrastrukturinvestments wurden daher häufig vernachlässigt. Es ist davon auszugehen, dass die Infrastrukturquote bei Altersvorsorgeeinrichtungen in den kommenden Jahren deutlich ansteigen wird und sich die Assetklasse Infrastruktur zu einem echten Wachstumsmotor für Wirtschaft und Kapitalmärkte in Deutschland und Europa entwickeln kann.
IPE D.A.CH: Welche Themen stehen derzeit aktuell zusätzlich bei Ihnen an?
Thürmer: Ich freue mich auf unseren gemeinsamen Auftritt bei Prof. Dr. Bernd Wieberneit an der Hochschule RheinMain (HSRM) in Wiesbaden am 14. November 2025. Er ist dort Professor für Investment und Asset Management von Immobilien in den Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen. Dort werden wir die Ergebnisse der Studie im Rahmen einer Vorlesung mit Studierenden diskutieren. Der ursprüngliche Arbeitstitel lautete: „Finanzplatz Frankfurt & Research: Immobilien, Alternative Investments, ESG“. Ich bin gespannt auf Ihr Intro zu den Themen Frankfurt RheinMain, Studien und Financial Education – die Studierenden werden hier auf besondere Weise eingebunden. Herr Prof. Dr. Wieberneit hatte hier eine sehr interessante Idee, um den Dialog mit den Studenten zu fördern. Der Titel der Vorlesung lautet: „INTERNATIONAL INVESTMENT VEHICLES AND TAX STRUCTURING“, es gibt hier noch einige weitere interessante Fachleute, die ebenfalls dort vortragen werden.
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de
Sebastian Thürmer ist geschäftsführender Gesellschafter der artis Institutional Capital Management GmbH in Frankfurt am Main. artis ist ein unabhängiger Placement Agent und Consultant für institutionelle Anleger in der DACH-Region mit der ausschließlichen Ausrichtung auf Immobilien und Alternativen Investments. Seine Schwerpunkte sind die Eigenkapitalgenerierung für Produktinitiatoren sowie die Allokationsberatung für institutionelle Investoren.
Die Studie „Präferenzen institutioneller Anleger bei Immobilien und Alternativen Investments 2025“ kann digital unter info(at)artis-icm.de angefordert werden. Institutionellen Investoren wird die Studie kostenfrei zur Verfügung gestellt.
„Bei der Digitalisierung haben Investoren Themen wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Halbleiter, Daten- und Rechenzentren oder Glasfasernetze im Blick“
Markus Hill (re.) im Gespräch mit Sebastian Thürmer
