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Gastbeitrag: Was 2024 von den Emerging Markets zu erwarten ist

Zwar standen Emerging-Market-Anleihen dieses Jahr bislang weniger unter Druck als während des Ausverkaufs 2022, aber die Risikobereitschaft der Anleger schwankt. Käufe und Verkäufe wechseln sich daher ab. Im zu Ende gehenden Jahr reagierte der Markt immer wieder auf die sich ändernden US-Konjunkturerwartungen. Erst ging man von einer harten Landung aus, dann hielt man eine weiche Landung für immer wahrscheinlicher. Zuletzt scheint man eher damit zu rechnen, dass sich die Konjunktur überhaupt nicht signifikant abschwächt, Stichwort „keine Landung“. Die US-Wirtschaft ist überraschend stabil. Die Kerninflation geht zwar allmählich zurück, will ihren Zielwert aber einfach nicht unterschreiten – und der Arbeitsmarkt gab zuletzt etwas nach und heizt die Inflation nicht mehr so stark an. All das scheint den Optimisten recht zu geben, die zwar mit schwächeren Zahlen, aber nicht mit einem Konjunktureinbruch rechnen. Die Fed äußert sich daher zurückhaltender, und das Umfeld für risikobehaftete Titel bessert sich.

Katrina Uzun

Andererseits bleibt der Konjunkturausblick wegen der straffen Geldpolitik und der vermuteten Spätfolgen der hohen Leitzinsen unsicher. Außerdem waren die Renditen auch zuletzt noch volatil. Emerging-Market-Anleihen und Anleihen insgesamt gerieten immer wieder unter Druck. Hinzu kam die weniger günstige Markttechnik. Zuletzt nahmen die Mittelabflüsse wieder zu, vor allem aus Fremdwährungsanleihen.

In diesem Jahr hat der JPM EMBI Global Diversified bislang um 3,91% zugelegt (Stand 19. November 2023). Dabei lag der Index in fünf der letzten zehn Monate im Plus. Im November schien sich dann ein Goldilocks-Szenario abzuzeichnen, sodass die Nachfrage nach risikobehafteten Titeln stieg und Emerging-Market-Anleihen in diesem Monat um bislang 3,51% zulegten. Großen Anteil daran hatten High-Yield-Anleihen, vor allem Titel mit einem Rating von CCC und darunter, mit denen man 7,57% verdiente. Investmentgrade-Titel legten hingegen nur um 0,48% zu.

Insgesamt positionieren wir uns weiter konservativ, da wir das Risiko einer weltweiten Rezession noch immer für recht hoch halten. Sie könnte milde ausfallen, aber bislang haben sich die Emerging-Market-Spreads noch in jeder Rezession ausgeweitet. Zurzeit sind sie eng wie selten, wenn man die spekulativsten Länder (also mit Ratings von CCC und darunter) herausrechnet. Die Kurse von Emerging-Market-Anleihen und anderen risikobehafteten Titeln zeigen noch keine Rezession in den USA oder weltweit an, nicht einmal eine leichte.

Da die Kurse immer wieder einmal fallen und Risiken zurzeit allgegenwärtig sind, halten wir es für äußerst wichtig, in stabile, günstig bewertete Credits zu investieren. Gerade bei risikoreicheren, höher verzinslichen Papieren muss man wählerisch sein. Ausgewählte Lokalwährungsanleihen haben ein attraktives Risiko-Ertrags-Profil. Das zeigt sich auch in der überdurchschnittlichen Performance des GBI-EM in diesem Jahr.

Die wichtigsten chinesischen Konjunkturdaten haben sich im dritten Quartal etwas verbessert, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Ein echter Aufschwung ist aber keineswegs garantiert, da sowohl die Stimmung der Haushalte als auch die der privaten Unternehmen noch immer schlecht ist. Auch dürften etwa die hohen kommunalen Schulden das chinesische Wirtschaftswachstum 2024 strukturell dämpfen.

Erschwerend kommt der Krieg zwischen Israel und der Hamas hinzu, durch den die Weltlage noch unsicherer geworden ist. An den Märkten fragt man sich jetzt, ob er lokal begrenzt bleibt oder größere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat. Der anfängliche starke Ölpreisanstieg und die nachlassende Risikobereitschaft an den Märkten sprechen für eine gewisse Sorge. Wenn die Gewalt weiter eskaliert und sich ausweitet, könnten weitere Akteure wie die Hisbollah oder der Iran eingreifen. Dann würden die Spannungen im Nahen Osten zunehmen, was nicht ohne Folgen für die Märkte bliebe.

Wegen dieser gesamtwirtschaftlichen Risiken und der Bewertungen halten wir eine konservative Positionierung für sinnvoll. Vorsicht heißt aber nicht, dass wir auf Risiken verzichten. Sie bedeutet lediglich, dass wir einige größere Veränderungen am Portfolio vornehmen. Ziel ist, auch dann Mehrertrag zu erzielen, wenn die US-Staatsanleihenrenditen hoch sind, die Geldpolitik nicht weiter gestrafft (oder vielleicht sogar gelockert) wird und der Wachstumsausblick unsicher bleibt.

Viel spricht für strategische statt einfach nur taktische Investitionen in diese Assetklasse. Das Anlageuniversum ist gewachsen und gereift und macht heute etwa 15% des internationalen Anleihenmarktes aus. Damit ist die Assetklasse zu groß, um ignoriert zu werden. Außerdem haben sich die Fundamentaldaten vieler Emerging Markets so stark verbessert, dass sie denen der Industrieländer jetzt oft überlegen sind. Hinzu kommt, dass sich die einzelnen Emittenten- und Anleihenarten mittlerweile stark voneinander unterscheiden. Alle vier Marktsegmente – Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Lokalwährungsanleihen und Währungen – bieten heute eine große Ländervielfalt. Es gibt also viele Möglichkeiten, in allen Ratingklassen und Laufzeitsegmenten. Emerging-Market-Anleihen eigneten sich traditionell zur Diversifikation. Oft verbessern sie das Risiko-Ertrags-Profil eines Portfolios langfristig und sind eine gute Ergänzung zu Industrieländer-Staatsanleihen.

Strategische Investitionen in Emerging-Market-Anleihen sind aber nicht frei von Risiken. Wer über den gesamten Konjunkturzyklus an der Assetklasse festhält, muss mit vorübergehenden Schwächephasen rechnen. Manchmal waren die Verluste hoch, doch kamen die Erholungen, in denen sie wieder ausgeglichen wurden, meist recht schnell. Trotz kurzfristiger Volatilität haben Investoren auf lange Sicht also meist recht viel verdient. Außerdem kann ein kompetentes aktives Management die Verlustphasen verringern.

Bei MFS kombinieren wir für die Einzelwertauswahl und die Asset-Allokation Top-down- mit Bottom-up-Überlegungen. Indem wir Mehrertrag durch Alpha anstreben, wollen wir das Portfolio von der Weltwirtschaft und den Märkten unabhängiger machen. Emerging-Market-Anleihen sind eine langfristig vielversprechende Assetklasse, auch wenn Probleme in einzelnen Ländern und Kreditereignisse nicht auszuschließen sind. Entscheidend für den Erfolg ist daher ein researchintensiver, alphaorientierter Investmentansatz, der weltweit nach günstig bewerteten Titeln Ausschau hält. Dabei wollen wir mit einem konsequenten und disziplinierten Investmentprozess Verlustrisiken begrenzen.

Durch weniger Risiken in turbulenten Zeiten wollen wir unsere Portfolios in die Lage versetzen, Kaufgelegenheiten zu nutzen. Ziel sind hohe risikoadjustierte Erträge durch ordentlichen Mehrertrag in der Hausse wie in der Baisse.

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*) Katrina Uzun, Institutional Portfolio Manager, MFS Investment Management