Das Interesse deutscher Investoren an Infrastrukturprojekten ist groß, denn die Renditeaussichten sind gut. Seit 2010 erzielen Infrastrukturinvestments global betrachtet eine durchschnittliche jährliche Rendite von 10,7%. Gleichzeitig fallen die Renditeschwankungen mit durchschnittlich 3,8% gering aus (Quelle: Prequin). Für beispielsweise ausschüttungsorientierte Infrastrukturinvestments (Core-Plus) liegt die Internal Rate of Return (IRR) zwischen 8 und 11% auf Zielfondsebene. Bei wachstumsorientierten Value-Add-Infrastrukturinvestments erreicht die IRR sogar Werte zwischen 11 und 15% (Quelle: Helaba Invest). Besonders gefragt sind Investitionen in den Ausbau Künstlicher Intelligenz, in Sozial- und Gesundheitsimmobilien sowie in den Energiesektor. Das Hauptaugenmerk liegt auf Core- und Core-Plus-Produkten.
Viele Investoren würden ihr Kapital gerne in lokale Real-Asset-Projekte investieren, etwa in die Erweiterung einer benachbarten KiTa oder in den Ausbau erneuerbarer Energien durch die lokalen Stadtwerke. Da diese hohe Nachfrage im Inland nicht bedient werden kann, müssen deutsche Investoren wie Family Offices, Versicherungen und Versorgungswerke ins Ausland ausweichen. Länder wie Frankreich, Großbritannien, Griechenland, die Schweiz und die Niederlande ermöglichen seit Jahren private Investitionen in Infrastruktur und verfügen über entsprechende Strukturen und Kompetenzen.
Kommunen und Privatinvestoren haben unterschiedliche Erwartungshaltung
Dass es in Deutschland an diesen Investmentmöglichkeiten mangelt, liegt vor allem an der Divergenz zwischen öffentlicher Hand, die in Deutschland traditionell fast den gesamten Infrastrukturbereich verantwortet, und der Privatwirtschaft. Beide haben oft eine unterschiedliche Erwartungshaltung und verfolgen verschiedene Ziele. Investoren wollen beispielsweise einen stabilen Cashflow, gut strukturierte Produkte und überschaubare Risiken. Nach einer gewissen Zeit, in der Regel nach zehn Jahren, wollen sie aus dem Projekt aussteigen. Daher ist eine Exitstrategie wichtig. Dabei könnten neben Fonds als Alternative auch Infrastruktur-Kreditfonds aufgelegt werden. Diese können vertraglich flexibel gestaltet und vergleichsweise kurzfristig aufgelegt werden, da sie weniger Auflagen erfüllen müssen.
Für die Politik steht hingegen häufig die Daseinsvorsorge im Vordergrund: Kommunalpolitiker wollen beispielsweise ihren künftigen Bedarf an Grundschulplätzen decken oder möglichst viele Haushalte an das Fernwärmenetz anschließen. Außerdem denken sie in Legislaturperioden und suchen nach schnellen Erfolgen. Infrastrukturprojekte sind hingegen langfristig angelegt. Von der Planung bis zur Inbetriebnahme vergehen oft über zehn Jahre.
Weitere Unabwägbarkeiten sind Wahlen: Ändern sich danach im Stadtrat die Mehrheiten, werden unter Umständen Infrastrukturpläne verändert, Gelder gekürzt oder der Zeitplan wird angepasst. Diese Unsicherheit ist für Investoren problematisch, da sie auf Verlässlichkeit und Planbarkeit angewiesen sind.
Oft sehen insbesondere Lokalpolitiker Infrastruktur-Investments als „ihr“ Projekt. Unter Umständen fehlt das Verständnis, wenn sich Investoren bei Public-Private-Partnership-Projekten (PPP) beispielsweise Mitspracherechte vertraglich zusichern lassen wollen, etwa bei der Wahl der Betreiber einer KiTa oder Pflegeimmobilie.
Risk-Sharing gilt es zu gestalten
Herausfordernd ist auch das Risk-Sharing. Kommunen müssen Daseinsvorsorge betreiben und sich auch in ländlichen Regionen um leistungsfähige Stromnetze kümmern, selbst wenn sich dies betriebswirtschaftlich kaum lohnt, weil zu wenig Bürger davon profitieren. Dieses Hindernis ließe sich mildern, wenn riskantere Projekte mit staatlichen Garantien abgesichert werden, etwa durch ein „First-Loss-Modell“. In der Entwicklungshilfe wird dieses Instrument seit Jahren erfolgreich eingesetzt, um Investoren für riskante, aber wichtige Projekte zu gewinnen.
Da es in Deutschland wenig Erfahrung mit PPP gibt, fehlt es bei Behörden und stadtnahen Gesellschaften wie Stadtwerken an Ressourcen. Hilfreich wären zudem standardisierte Vertragsmodelle, damit Investoren nicht mit mehreren Stadtwerken langwierig individuelle Verträge verhandeln müssen. Gerade städtische Betriebe spielen eine zentrale Rolle bei der Energiewende, der Versorgung der Bevölkerung mit fossilfreiem Strom und klimaneutraler Wärme. Für private Investoren sind sie jedoch oft zu klein, um als attraktive Partner im Mid-Market-Bereich zu gelten. Hier wären Zusammenschlüsse benachbarter Betriebe eine Lösung.
Der 500 Mrd. Euro-Betrag, den die Bundesregierung als Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen bereitstellt, klingt erst einmal hoch. Bedenkt man jedoch, dass zum Erreichen der selbstgesteckten Ziele zur Energiewende bis 2030 insgesamt 1 Billion Euro investiert werden müssen, wird klar, dass ohne privatwirtschaftliches Kapital keine Infrastruktur-Fortschritte möglich sind.
Im Grundsatz hat die Politik dies erkannt und mehrere Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. Dazu gehören die Anpassung der Anlageverordnung sowie das Standortfördergesetz, das Anfang 2026 in Kraft treten soll. Letzteres soll Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien vereinfachen. Ferner sorgt die Review von Solvency II im Versicherungswesen für mehr Klarheit bei Investitionen in Nachhaltigkeitsprodukte.
Viele kapitalkräftige Investoren stehen Gewehr bei Fuß. Nun liegt es an den Akteuren bei Bund, Ländern und Gemeinden passende Ticketgrößen, klare Exitstrategien und Verantwortlichkeiten zu schaffen, um einen „Infrastruktur-Turbo“ zu zünden.
Damit deutsche Investoren nicht länger mangels geeigneter Angebote auf niederländische Windparks ausweichen müssen, sollten sie die Möglichkeit erhalten in heimische Projekte zu investieren, etwa in marode Brücken, sanierungsbedürftige Schulen oder eine klimafreundliche lokale Energieinfrastruktur.
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*) Christoph Kraiker ist CEO bei der Hauck & Aufhäuser Fund Services S.A.
Gastbeitrag: Infrastrukturprojekte - Investoren stehen Gewehr bei Fuß, die Politik (noch) nicht
Christoph Kraiker (Bildrechte: Hauck & Aufhäuser Fund Services)
