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„Wir werden die Klimaziele nur erreichen, wenn wir bereits bestehende Wohngebäude energetisch sanieren“

Jörg Kotzenbauer, CEO der ZBI Zentral Boden Immobilien Gruppe, erklärt im Gespräch mit Frank Schnattinger, Chefredakteur IPE D.A.CH, warum der Bau neuer Wohnungen stockt und Deutschland eine neue Wertgemeinschaft für das Wohnen braucht.

Jörg Kotzenbauer

IPE D.A.CH: Es wird dringend neuer Wohnraum benötigt. Das sehen nicht nur Mieter, sondern auch der Staat und Immobilienunternehmen so. Trotzdem stockt der Bau neuer Wohnungen. Warum ist das so?
Kotzenbauer: Die Immobilienbranche muss sich nach wie vor mit den Auswirkungen auseinandersetzen, die die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg auf die Wirtschaft hatten und haben: Lieferketten wurden unterbrochen, es folgte eine Inflation – explodierende Energiepreise, steigende Baukosten und die erhöhten Zinsen haben die Investitionsbereitschaft verkleinert. Nach der Pandemie hat sich vermehrt gezeigt, dass nun auch das Thema ESG die Baubranche verändert – und zwar nachhaltig, im wörtlichen Sinne. Immer strengere Nachhaltigkeitsstandards sind beim Bau von Gebäuden zu beachten und bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für die Investoren. Und das nicht nur beim Neubau, sondern auch beim Erhalt des Bestands. Dabei sind die Kosten im Hinblick auf neue Regulierungen vonseiten des Gesetzgebers, wie etwa im Fall des Heizungsgesetzes, häufig nur schwer abzuschätzen. Den Projektleitern fehlt in einer ohnehin wirtschaftlich schwierigen Zeit die Planungssicherheit, und diese Verunsicherung macht sich durch abnehmende Transaktionen und Stillstand auf den Baustellen bemerkbar.

IPE D.A.CH: Die Bundesregierung will den Gebäudebestand bis zum Jahr 2045 nahezu klimaneutral machen. Wie kann die Immobilienbranche dieses Ziel erreichen und gleichzeitig neuen Wohnraum schaffen?
Kotzenbauer: Betrachtet man den Energieverbrauch im laufenden Betrieb, so scheint der Neubau zunächst die ökologischere Variante zu sein. Es wird dabei aber vernachlässigt, dass der Bau neuer Gebäude nur mit hohem Energie- und Ressourcenaufwand zu bewerkstelligen ist. Berücksichtigt man diesen Aspekt, so ist ein sanierter Altbau in der Gesamtbilanz häufig klimafreundlicher. Wir werden die Klimaziele nur erreichen, wenn wir bereits bestehende Wohngebäude energetisch sanieren. Inzwischen hat die Bundesregierung das Potenzial erkannt, dass die energetische Sanierung bestehender Gebäude zur Reduktion der CO2-Emissionen im Gebäudesektor hat und arbeitet an entsprechenden Maßnahmen. Trotzdem stehen wir hier vor einer beachtlichen Herausforderung, denn zwei Drittel des Wohngebäudebestands stammen aus der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1979 und verfügen über keine Ausstattung zur Verbesserung der Energieeffizienz.

IPE D.A.CH: Eine energetische Sanierung nützt eigentlich allen: Investoren können den Wert ihrer Immobilie steigern, Mieter sparen langfristig Energiekosten und die gesamte Gesellschaft kommt ihrem Ziel näher, die Umwelt zu schützen. Wo gibt es Konflikte?
Kotzenbauer: Die Antwort ist nicht überraschend: bei den Kosten. Auf die Mieter kommt eine Doppelbelastung zu: Wird eine Wohnung saniert, so sind die Bewohner zunächst einmal Strapazen ausgesetzt, und gleichzeitig gibt die Modernisierungsumlage vor, dass ein Anteil der Kosten auf die Miete umgelegt werden kann. Auch Investoren müssen gut planen: Sanieren sie ihren Bestand nicht, so riskieren sie einen Leerstand. Steigen die Mietkosten aufgrund von Sanierungen jedoch zu stark an, riskieren sie eine Gentrifizierung. Brisant ist, dass gerade unsanierte Wohnungen aus den 1950er- und 1960er-Jahren sehr günstig vermietet werden – die Kosten für eine energetische Sanierung in diesen Fällen aber sehr hoch sind.

IPE D.A.CH: Wie lässt sich dieser Konflikt lösen?
Kotzenbauer: Klar ist, dass die Kosten für die energetische Sanierung nicht vollständig auf die Mieter umgelegt werden können – gerade vor dem Hintergrund, dass die Wohn- und Energiekosten ohnehin stark steigen, und darum gibt es ja auch eine feste Sanierungsumlage. Um die Kosten aufzubringen, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen – Mieter, Investoren und der Staat. Es wird sich nicht vermeiden lassen, die Mieten nach Sanierungen moderat zu erhöhen, aber die Kosten sollten auch von der Gesellschaft getragen werden. Die Politik sollte weiterhin an einem pragmatischen und praxisnahen Rahmenwerk arbeiten, das sozioökonomische Folgen berücksichtigt. Die ZBI-Gruppe vertritt die Meinung, dass wir eine neue Wertgemeinschaft für das Wohnen brauchen, die sich an den Zielen einer sozialen Marktwirtschaft orientiert – denn nur so kann die Gesellschaft den Klimawandel im Immobilienbereich gut bewerkstelligen.

IPE D.A.CH: Besten Dank für diese Einblicke.