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Kommentar: Nachhaltigkeitskriterien im Anleihenportfolio - eine Frage der Machbarkeit, nicht der Performance

Was sind die tatsächlichen Konsequenzen für das Rendite-Risiko-Profil eines nachhaltig ausgerichteten Anleihenportfolios? Und wie bringen uns Anlagen in ESG-Bonds bei der Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele voran? Auf diese Fragen müssen Anleiheinvestoren eine Antwort geben können, denn die Themen Klimawandel und Integration von Nachhaltigkeitskriterien in das Anleihenportfolio sind von höchster regulatorischer Aktualität und absoluter realer Notwendigkeit. So ist es dann auch nicht überraschend, dass bis Ende des ersten Quartals diesen Jahres ESG Bonds, gemäß einer kürzlich erschienenen Studie der Investmentbank Barclays¹, bei den in Euro denominierten Hochzinsanleihen rund 40% und bei den sehr gut bewerteten Unternehmensanleihen rund 26% der Neuemissionen ausmachten.

Dr. Tatjana Xenia Puhan

Zwar sind außerhalb der in Euro denominierten Anleihen, insbesondere im wichtigsten, dem US-Dollar-Anleihensegment, ESG Bonds bisher immer noch von untergeordneter Bedeutung. Es handelt sich hier allerdings wohl nur um eine Frage einer zeitlichen Verzögerung als um einen strukturell anhaltenden Unterschied, so dass gerade auch im Bereich global anlegender Anleihenportfolios der Erkundung und Beantwortung der oben genannten Fragen kein Aufschub gewährt werden sollte.

Wie steht es nun um die erste Frage, die nach den möglichen Konsequenzen für das Rendite-Risiko-Profil eines Anleihenportfolios? Die akademische Literatur hat sich nur wenig mit diesem Thema befasst und wenn überhaupt, dann in einer eher sehr abstrakten und für den in der Wirklichkeit stehenden Anleger eher unbrauchbaren Art und Weise². Eine mehr praxisorientierte Literatur, wie beispielsweise die bereits erwähnte Studie der Investmentbank Barclays, stellt fest, dass es zwischen Nicht-ESG Bonds und ESG Bonds ein sogenanntes „Greenium“ gibt, also einen OAS Unterschied von sonst gleichen Anleihenpaaren (im Sinne von Emittent, Seniorität, Währung, Laufzeit...). Dieses Greenium beläuft sich auf rund 4-5bps und ist relativ stabil über die letzten zwei Jahre.

Kein „Greenium“ mit systematischer Portfoliokonstruktion
Bedeutet das nun also, dass die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien in einem Anleihenportfolio einen sicheren Renditeeinfluss hat? Bei TOBAM haben wir diese Frage ganz klar mit „Nein“ beantwortet.

Wir haben für unsere Globale High Yield Strategie einen auf den Klimawandel fokussierten Ansatz untersucht. Dabei haben wir ein Portfolio konstruiert, welches keine Emittenten enthält, die mit der Exploration, Produktion oder Distribution fossiler Energien in Verbindung stehen und das dazu noch die Temperaturkriterien erfüllt, die im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben wurden. In unserer Studie haben wir festgestellt, dass trotz Einhaltung dieser strengen Ausschlusskriterien ein Anleger keine Abstriche beim Risiko-Rendite Verhalten oder der Diversifikation des Portfolios machen muss³.

Zugegeben, wir erzielen dieses Ergebnis aufgrund unserer auf Korrelationen basierten systematischen Methode der Portfoliokonstruktion.

Für einen fundamentalen Portfoliomanager mag dies schwieriger umsetzbar sein. Dies insbesondere im globalen Hochzinsanleihensegment in dem ca. 20-25% des Risikogewichtes des Anlageuniversums aus der Energiebranche stammen. Dennoch bedeuten unsere Forschungsergebnisse und auch die klare Überrendite unseres „Fossil Fuel Free“ Global High Yield Portfolios im Energiepreisboom-Jahr 2021, dass Investoren keine Rendite aufgeben müssen, nur weil sie versuchen beispielsweise Klimaziele in ihr Portfolio einzubauen.

Realismus und Transparenz anstatt Greenwashing
Kommen wir nun zu der zweiten Frage, inwiefern Anleihenportfolios, die in ESG Bonds investieren, ihren Beitrag für eine nachhaltigere Entwicklung unserer wirtschaftlichen Tätigkeit leisten können.

Innerhalb der Familie der ESG Bonds gibt es beispielsweise sogenannte „Sustainability Linked Bonds“. Um dieses Label zu erhalten, muss ein Unternehmen zeigen, dass es bestimmte Ziele und Politiken hat, welche sich z.B. an den UN SDGs orientieren. Ein Fortschritt wäre, abseits von vielen schön formulierten Zielen und Leuchtturmprojekten, verstehen zu können, wie diese Politiken wirklich in einem Unternehmen gelebt werden. Dies ist leider nahezu unmöglich, wenn man nicht in diesem Unternehmen arbeitet. Eine ähnliche Problematik liegt bei sogenannten „Social Bonds“ vor, die soziale Projekte finanzieren sollen, deren Definition aber nicht klar ist. Am besten messbar und mit nachweisbarem Einfluss sind wohl wirklich klimabezogene Ziele. Diese allerdings kann und sollte man durchaus auch jenseits von „Greenbonds“, also Anleihen, die umweltbezogene Projekte finanzieren, verfolgen. Beispielsweise hat eine große Anzahl von Unternehmen sich auf Net Zero oder auf die vom Pariser Abkommen gemachten Forderungen verpflichtet.

Anleihen dieser Unternehmen oder anderer Unternehmen mit geringen Emissionen zu bevorzugen, und sie somit in ihrem eingeschlagenen Weg zu unterstützen (auch jenseits von Umweltprojekten), ermöglicht Anlegern zu einer nachhaltigeren Entwicklung unseres Klimas beizutragen. Deswegen haben wir uns insbesondere für diesen Weg in einem ersten Schritt entschieden. Dennoch ist auch hier Vorsicht geboten. Die Datengrundlagen für die Berechnung von Emissionen eines Anleihenportfolios sind immer noch extrem lückenhaft. Wir versuchen gemeinsam mit dem Carbon Disclosure Project Einfluss auf Unternehmen zu nehmen, hier transparenter zu werden. Außerdem sind die Modelle, auf denen Temperaturvorhersagen basieren mit möglicherweise signifikanten Schätzfehlern behaftet, egal wie gut das Klimaforscherteam ist, das dahintersteht.

Zusammenfassend gesagt: Erstens, mindert die konsequente Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien nicht notwendigerweise Risiko-Rendite- oder Diversifikationseigenschaften eines Anleihenportfolios. Zweitens, wäre eine realistischere Erwartungshaltung dazu, was die Investoren-/Finanzsphäre zu dem Thema beitragen kann, wünschenswert. Hier sollte auch die Finanzindustrie den Mut für eine realistischere Darstellung dessen, was erreicht werden kann, aufbringen. Drittens, sollten alle, sowohl die Inhaber von Vermögen, als auch die Verwalter von Vermögen und die Banken, mit Regulatoren und Institutionen noch mehr gemeinsame Initiativen ergreifen, die weiter unsere Datengrundlagen verbessern. Dann ließen sich schwammige Aussagen so konkretisieren, dass so wenig wie möglich Raum für Greenwashing aber auch Lobbyismus bleibt. Und viertens sollten wir wohl alle selbst bei uns anfangen und uns in unseren täglichen Gewohnheiten und unserer Lebensführung sehr genau überlegen, wie wir sehr direkt steuerbar, und zumindest für uns gut messbar, zu einer nachhaltigeren Entwicklung unserer Volkswirtschaften beitragen können.

¹ Edwards et al, “Currents beneath the corporate greenium’s surface”, Barclays Credit Research 22.04.2022.
² Ein Beispiel hierfür ist das demnächst erscheinende Paper von Harjoto et al., «Bondholders’ returns and stakeholder interests: When are they aligned? », Review of Quantitative Finance & Accounting forthcoming.
³ Sehen Sie hierzu auch Puhan, «Nachhaltige Investments ohne Verlust der Marktprämie», Absolut Report Januar 2021.


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*) Dr. Tatjana Xenia Puhan, Managing Director & Deputy CIO, Tobam, Paris