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Kommentar: Logistik-Joint-Venture – Antwort auf den Assetmangel

In Stuttgart standen im dritten Quartal 2019 2,1% der Büroflächen leer. Berlin konnte diesen Wert mit 1,9% sogar noch unterbieten. Die niedrigen Leerstandsquoten in Berlin und Stuttgart, wie sie aus den „Office Market Profiles“ von JLL für beide Städte hervorgehen, sind symptomatisch für den gesamten deutschen Immobilienmarkt. Aber nicht nur Mieter, auch Investoren leiden unter dem Assetmangel, der sich über sämtliche Gewerbeimmobiliensegmente und den Wohnimmobilienmarkt erstreckt.

Thomas J. Becksmann

In absehbarer Zeit wird sich daran nichts ändern, denn die Nachfrage nach Immobilien bleibt hoch. Die Zinsen verharren auch unter Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) voraussichtlich auf ihrem niedrigen Niveau. Das führt dazu, dass Staatsanleihen weiterhin teilweise negativ rentieren, während die geringen Finanzierungskosten die Nachfrage nach Immobilien treiben. Die wachsende Konkurrenz erschwert es Investoren, Objekte zu finden, die in ihr Portfolio passen.

Nur für Anleger geeignet, die schon in der Planungsphase investieren
Dieser Nachfragedruck hat sich bereits auf ehemalige Nischensegmente wie Logistik- und Industrieimmobilien ausgeweitet. Das Transaktionsvolumen lag auf dem deutschen Markt im dritten Quartal 2019 mit 1,9 Mrd. Euro um 146% über dem Zehnjahresschnitt. Für das Gesamtjahr geht JLL von einem Transaktionsvolumen von 7,5 Mrd. Euro aus. Zum Vergleich: 2016 wechselten Flächen im Wert von 4,72 Mrd. Euro den Besitzer. Wie lange sich die Transaktionszahlen noch Jahr für Jahr überbieten werden, ist fraglich, denn der Flächenmangel begrenzt das Wachstum des Markts und damit die Möglichkeiten der Investoren.

Ein möglicher Umgang mit dem Assetmangel sind Joint-Ventures mit Projektentwicklern, vorausgesetzt, Anleger sind bereit, schon in der Planungsphase zu investieren. Über solche Kooperationen erhalten sie Zugang zu Objekten, die außerhalb des klassischen Markts gehandelt werden. Das hat mehrere Vorteile. Erstens haben Anleger dadurch mehr Investitionsmöglichkeiten. Zweitens gibt es weniger Konkurrenz, Investoren müssen also nicht mit einer Vielzahl von Interessenten um den Zuschlag bieten und profitieren daher von einem vergleichsweise günstigeren Ankaufspreis. Drittens erhöhen Joint-Ventures die Transaktionssicherheit für beide Seiten, indem sie einen Vertrag abschließen, der die Eckpunkte ihrer Zusammenarbeit regelt, darunter die Laufzeit, die Zahl der Projekte, die Verteilung der Anteile und den Kaufpreis. Das ist wiederum besonders für kleine bis mittelständische Projektentwickler wichtig, die wenig Eigenkapital halten und die bei Banken schlechtere Konditionen als große Entwickler bekommen. Es profitieren aber auch große Projektentwickler, indem sie ihren Eigenkapitaleinsatz gering halten können und sich frühzeitig Fremdkapital und einen späteren Exit sichern.

Warum beide Seiten profitieren
Auch die Partnerschaft an sich ist vorteilhaft. Investoren sichern sich damit bei größeren Portfolios gleich mehrere Ankäufe in Folge, Entwickler eine Verkaufspipeline. Zudem profitieren sie von der Expertise des jeweils anderen. Investoren bringen das Wissen über Assetklassen und -management in die Kooperation ein, während Entwickler sich im Projektmanagement und in den lokalen Märkten auskennen. Letzteren ermöglicht zudem das Kapital der Anleger, mehrere Projekte parallel zu entwickeln und so ihr unternehmerisches Risiko zu minimieren. Das wiederum macht sie zu einem sicheren Joint-Venture-Partner.

Ein weiterer Vorteil ist, dass sich beide Parteien mit Eigenkapital am Erfolg des Projekts beteiligen und somit ähnliche Anreize haben. Sie möchten die Risiken gering halten und trotzdem eine möglichst hohe Rendite erzielen. Gleichberechtigt sind Investoren und Entwickler, wenn sie jeweils 50% der Projektkosten finanzieren. Davon kann abgewichen werden. In diesem Fall sollten Investoren die Mehrheit der Stimmen halten, da sie das Objekt nach der Fertigstellung in der Regel übernehmen. Es wäre jedoch ein Fehler, weit mehr als die Hälfte der Anteile zu tragen, da der Projektentwickler dann so wenig Kapital riskiert, dass er versucht sein könnte, hohe Risiken einzugehen, um die Rendite zu steigern.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit
Damit die Zusammenarbeit erfolgreich ist, muss der Investor seine Strategie definieren, bevor er einen Entwickler sucht. Der Anleger muss unter anderem entscheiden, in welche Segmente und Regionen er investieren will, ob er sich auf A-Lagen konzentriert oder bereit ist, auf B-Standorte auszuweichen, und parallel dazu, ob er nur Core- oder auch Core-plus-Objekte in seinem Portfolio halten will. Ebenso sind Projektentwickler auf Kapitalgeber angewiesen, die bereit sind, ihre Pläne zu finanzieren und ähnliche Vorstellungen haben. Wichtig ist zudem für beide Seiten, dass der Partner genügend Expertise hat. Auskunft darüber gibt unter anderem der Track-Record.

Ebenso wie der Partner sollte auch das Projekt für Joint-Ventures geeignet sein. Bei Gewerbeimmobilien ist wichtig, dass sie so geplant werden, dass sie zu geringen Kosten an die Bedürfnisse künftiger Nutzer angepasst werden können – unabhängig davon, ob sie für einen schon feststehenden Mieter, also Built-to-suit, oder spekulativ gebaut werden. So gewährleisten die Immobilien eine gute Drittverwendungsmöglichkeit, die das Leerstandsrisiko senkt und damit ihr Renditepotenzial steigert. Im Logistikimmobiliensegment beispielsweise bieten sich für Joint-Ventures aus diesem Grund Lagerhäuser oder Distributionsimmobilien mit flexibel teilbaren Büroflächen an, da sie von Mietern mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen genutzt werden können.

Der einfachste Weg führt über Fonds
Investoren, die an Joint-Ventures interessiert sind, denen aber die Erfahrung fehlt, um Kooperationspartner oder Projekte zu wählen und zu begleiten, können in Joint-Venture-Spezialfonds investieren und von der Expertise der Assetmanager profitieren. Das hat zudem den Vorteil, dass Anleger schon mit vergleichsweise geringen Summen einsteigen können, die über mehrere Projekte gestreut werden, um das Risiko zu diversifizieren. Diese Fonds sind meist Spezial-AIF, bei denen die Investoren bereits feststehen. Möglich sind aber auch unvollständig investierte AIF und ähnliche Investmentvehikel.

Unabhängig davon, ob Investoren direkt mit Projektentwicklern kooperieren, oder sich über AIF an Projekten beteiligen, sind Joint-Ventures ein geeigneter Weg, um sich an Objekten zu beteiligen, die außerhalb des Markts gehandelt werden. Fraglich ist aber, wie lange Joint-Ventures noch ermöglichen, den Assetmangel zu umgehen, denn sie sind in den vergangenen Jahren so beliebt geworden, dass selbst Kooperationsprojekte bereits rar sind. Andererseits könnte wachsendes Interesse an diesem Modell auch dazu führen, dass sich noch mehr Entwickler dieser Möglichkeit öffnen.

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*) Thomas J. Becksmann, Leiter Projektentwicklung Immobilien, HANSAINVEST Real Assets