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Kommentar: ESG-Regulierung – Wer nicht mitmacht, fliegt raus

Bei der Ausrichtung eines Immobilienportfolios auf Nachhaltigkeit bzw. ESG handelt es sich keineswegs nur um die Erfüllung irgendwelcher regulatorischer Vorgaben. Sie sind vielmehr im Interesse fast aller Investoren, die auf der Suche nach Werterhalt und stabilen Einnahmen sind. Wer sein Portfolio nicht nach den ESG-Anforderungen ausrichtet, geht gleich mehrere Risiken ein – Transaktionsrisiken, Vermietungsrisiken und Finanzierungsrisiken.

Prof. Dr. Steffen Sebastian

In der Immobilien- und Fondsbranche rollen neue Regulierungsvorhaben mehr oder weniger kontinuierlich über die Branche hinweg. Als Beispiele seien nur das KAGB, MiFID II, die Investmentsteuerreform oder das Fondsstandortgesetz genannt. Das aktuelle regulatorische Großvorhaben heißt ESG-Regulierung und wurde von der EU angestoßen. Es krempelt die Immobilienbranche in Gestalt von zwei Richtlinien um – der Taxonomie und der Offenlegungsverordnung. Bei der ESG-Regulierung handelt es sich jedoch nicht einfach um die nächste Vorgabe aus Brüssel, die nur von Fonds und Versicherungen erfüllt werden muss.

Die Integration des Themas ESG – und hier vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit – in die Immobilienanlagestrategie liegt im Interesse nahezu aller langfristigen Investoren, die auf der Suche nach langfristigem Werterhalt und stabilen Einnahmen sind. Wer sein Portfolio jetzt nicht danach ausrichtet, geht gleich mehrere Risiken ein.

Risiko Nummer 1: Weitere Regulierung
Das erste Risiko besteht darin, dass der ESG- oder Klimaschutzzug mit der aktuellen Regulierung keineswegs seinen Endbahnhof erreicht hat. Es ist vielmehr sehr wahrscheinlich, dass er immer weiter beschleunigt. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass die Klimaschutzvorgaben in der jüngeren Vergangenheit immer weiter verschärft wurden. Bereits vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie hatte sich die EU darauf festgelegt, den europäischen CO2-Ausstoß bis 2030 um 40% gegenüber 1990 zu verringern. Als Fernziel wurde die Klimaneutralität bis 2050 ausgerufen. Im Dezember 2020 hat die EU das Zwischenziel dann deutlich verschärft und eine Reduktion um 55% bis 2030 ausgerufen. Im April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht dann in einem spektakulären Urteil das deutsche Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 als in Teilen nicht mit den Grundrechten vereinbar eingestuft. Das höchste deutsche Gericht forderte die Bundesregierung dazu auf, die Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für die Zeit ab 2031 besser zu regeln. Allein die Aufzählung dieser Schritte zeigt, dass wir uns in einem längeren Regulierungsprozess befinden und dass die Vorgaben mit sehr großer Wahrscheinlichkeit immer strenger werden.

Für den Immobilieninvestor ist es demnach sinnvoll, für das aktuelle Immobilien-Portfolio so bald als möglich die ESG-Konformität zu erreichen. Mit hoher Wahrscheinlich ist man dann für längere Zeit vor weiteren Regulierungsschritten geschützt. Und die Anforderungen werden immer höher werden.

Die Regulierung wird aber nicht nur immer weiter verschärft, sondern auch ausgeweitet werden. Bislang konzentriert sie sich noch auf die Bereiche Ankauf, Sanierung und Bau. Das ist aber nur der Anfang. Perspektivisch werden auch Bestandsimmobilien sukzessive reguliert werden. Bestandshalter sollten sich auf keinen Fall in der falschen Sicherheit wähnen, von der Regulierung nicht betroffen zu sein. Das kann sich rasch ändern und ist auch naheliegend: Will man wirklich CO2 einsparen, müssen die Bestände angegangen werden. Auf den Neubau entfallen pro Jahr rund ein Prozent aller Immobilien, auf den Bestand dagegen die übrigen 99%. Der große Hebel für eine Verbesserung der CO2-Bilanz ist also der Bestand.

Risiko Nummer 2: Vermietung
Neben dem regulatorischen Risiko besteht auch ein Vermietungsrisiko. Dieses dürfte perspektivisch ansteigen. Vor allem die Nutzer gewerblicher Immobilien achten bei der Anmietung von Flächen auf Nachhaltigkeitsaspekte. Tech-Firmen, große Kanzleien oder Beratungsunternehmen akzeptieren oft eine höhere Miete, wenn das Objekte ESG-konform ist. Zudem haben sich einige Unternehmen interne Leitlinien gesetzt, wonach auch bei der Flächenanmietung Faktoren wie der CO2-Ausstoss oder andere ESG-Kriterien zu berücksichtigen sind. Auch diese Entwicklung wird sich eher verstärken als abschwächen. Man braucht nicht viel Fantasie, um abzusehen, dass Gewerbeflächen ohne ESG-Nachweis immer schwieriger vermietbar werden und die Mieten hierfür tendenziell sinken werden.

Risiko Nummer 3: Eingeschränkte Transaktionsfähigkeit drückt Verkaufspreis
Neben der Vermietbarkeit wird auch die Transaktionsfähigkeit von nicht-ESG-konformen Immobilien leiden. Wenn Objekte nur noch eingeschränkt handelbar sind, dann wirkt sich das logischerweise auch auf mögliche Verkaufspreise aus. Kurz gesagt: Ist eine Immobilie nicht ESG-konform, wird das den Werterhalt erheblich beeinträchtigen. Diese Entwicklung wird noch dadurch verstärkt, dass sich immer mehr institutionelle selbst ehrgeizige Klima- bzw. CO2-Ziele setzen. Beispielsweise will Allianz Real Estate bis 2050 einen klimaneutralen CO2-Bestand aufbauen. Auch das größte deutsche Wohnungsunternehmen Vonovia hat sich das gleiche Ziel gesetzt. Die Deutsche Bank Tochter DWS hat sich bereits im Dezember 2019 dazu verpflichtet, den CO2-Ausstoß ihres europäischen Büroimmobilien-Portfolios bis 2030 um 50% zu senken. Meiner Einschätzung nach werden noch deutlich mehr Investoren bzw. Unternehmen auf den Zug aufspringen. Das bedeutet, dass der Käuferkreis für nicht ESG-konforme Immobilien rapide sinken wird und damit auch mögliche Verkaufserlöse. Für Objekte, die deswegen gänzlich unverkäuflich sind, hat die Immobilienbranche den Begriff des „stranded assets“ geprägt.

Risiko Nummer 4: Finanzierung wird schwieriger
Ähnlich gelagert wie das Transaktionsrisiko werden Probleme beim Thema Finanzierung auftreten. Denn nicht nur die Investoren, sondern auch die Banken prüfen die zu finanzierenden Objekte immer genauer auf ESG-Konformität oder vergleichbare Kriterien. Der Extremfall sähe dann so aus, dass man für ein Objekt mit schlechter CO2-Bilanz keine Finanzierung mehr bekommt. In der Praxis bedeutet das: Das Objekt wird damit schwer verkäuflich, denn nur wenige Investoren kaufen Immobilien nur mit Eigenkapital – und diese unterliegen meist der ESG-Taxonomie.

Risiken sind additiv
Die Schilderung der unterschiedlichen Risiken aus den Bereichen Transaktion, Finanzierung und Vermietung zeigt, dass diese nicht isoliert voneinander zu sehen sind. Sie hängen zusammen und tendieren dazu, sich zu addieren.

Doch nicht nur die kumulierten Risiken sprechen dafür, dass Immobilien, die ESG-Kriterien erfüllen, langfristig im Interesse des Anlegers liegen. Man kann auch an die staatsbürgerliche Verantwortung appellieren. Dazu gehört, dass jeder nach seinen Möglichkeiten einen Beitrag zur Abwendung des Klimawandels leisten sollte. Da Immobilien für 40 Prozent der gesamten globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind, entfällt ein größerer Teil der Anstrengungen auf die Immobilienbranche.

Fazit
Den Immobilienbestand so umzugestalten, dass er ökologischen, sozialen und Governance-Kriterien entspricht, ist mit Aufwand und teilweise erheblichen Kosten verbunden. Aber diese große Umgestaltung hat längst begonnen. Sie wird sich in den kommenden Jahren verstärken. Nichts zu tun ist die Gefährlichste aller Optionen. Langfristig ist die Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Interesse aller Anleger und Investoren, die eine stabile, nachhaltige und rentierliche Geldanlage suchen.

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*) Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS, Universität Regensburg