Foundation | Welcome

Menu


Gastbeitrag: Hotelification – wie Büros immer mehr auf Qualitäten setzen, die aus der Hotellerie kommen

Bürolandschaften muss man mehr denn je als Hotel denken, heißt es in der Studie „Die Zukunft der Stadt als Ort der Wissensarbeit“. Konzipiert wurde sie von Wealthcap, einem Immobilieninvestor und Bestandshalter mit mehr als zwei Millionen Quadratmeter Mietfläche im Portfolio. Meiner Meinung nach nähert sich das Büro vor allem auf drei Ebenen den Qualitäten von Hotels an: Kostenklarheit, Nutzungszeitraum und Annehmlichkeiten beziehungsweise Service.

Oliver Lehmann

1. Kostenklarheit ohne Inflation und Energiepreissorgen
Der Immobilienberater JLL geht für alle großen deutschen Städte davon aus, dass 90 bis 95% der abgeschlossenen Büromietverträge der vergangenen Jahre die üblichen Anpassungsklauseln enthalten: Zum überwältigenden Teil sind das Vereinbarungen, welche die Miethöhe während der Laufzeit des Vertrags an die Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten koppeln. Also an die Inflation. Über den Effekt solcher Verträge in der gegenwärtigen Zeit müssen wir nicht weiter sprechen: Die Mieten steigen damit jährlich enorm an. Alternativ dazu enthalten viele Verträge fixe Staffelmietsteigerungen, also auch hier steigende Mieten während der Laufzeit. Nicht zu unterschätzen: Im klassischen Büromietvertrag kommt zur Quadratmetermiete immer noch die Belastung durch die Nebenkosten hinzu. Diese Nebenkosten werden – das ist bekannt – in den Vertragsverhandlungen nur selten wirklich ehrlich kommuniziert: Meist wird eine Vorauszahlung angesetzt, von der der Vermieter weiß, dass sie zu niedrig ist, sodass Nachzahlungen fällig werden. Man möchte den Mieter erst einmal locken mit einer vermeintlich günstigen Gesamtbelastung. Wenn nach einem Jahr die erste Nachzahlung für Energie, Wasser und Co. ansteht, läuft der Mietvertrag ja noch jahrelang weiter, der Unzufriedenheit des Mieters zum Trotz. Das soll kein Angriff gegen konventionelle Büroflächen sein. Das ist schlicht und ergreifend Praxis und Realität.

Ein Hotel zu buchen, bedeutet hingegen, dass man Klarheit über die Kosten hat. Es gibt die jeweilige Zimmerrate – und alle relevanten Kosten wie für Energie und Reinigung sind darin enthalten.

Im Bürosegment sind derartige All-inclusive-Pakete bislang nur bei Flex-Office-Anbietern verbreitet. Bei Mindspace ist das ebenfalls so: Es gibt einen pauschalen Gesamtpreis inklusive Energiekosten, der unabhängig von den allgemeinen Preissteigerungen ist. Übrigens werden auch die Kosten für Druckerstationen, Kaffeemaschinen und so weiter mit abgedeckt. Der Trend, die immobilienbezogenen Kosten zu deckeln, dürfte mittelfristig auch auf klassische Büros überschwappen. Kürzlich hat die International Workspace Group (IWG) eine weltweite Umfrage unter 250 Chief Financial Officers verschiedenster Branchen durchgeführt. Zwei Drittel der Befragten wollen aus Sorge vor einer wirtschaftlich unsicheren Zukunft mehr als 10% Einsparung pro Jahr bei den Immobilienkosten erreichen. Die Büroimmobilienwirtschaft wird darauf reagieren müssen.

2. Die Laufzeiten sind so kurz wie gewünscht – und bieten Flexibilität
In der heutigen Zeit kann kein Unternehmen mehr fünf oder zehn Jahre in die Zukunft blicken – zu dynamisch sind die Veränderungen an den Märkten. Und doch sind fünf bis zehn Jahre laut Frühjahrsgutachten 2022 des ZIA die in Deutschland aktuell vorherrschende Laufzeit. Fast 33% der neu abgeschlossenen Büromietverträge kamen zum Berichtszeitpunkt auf besagte fünf bis zehn Jahre.

Das Büro der Zukunft hat kürzere und vor allem variable Laufzeiten, auch hier ähnlich wie bei einem Hotel, in dem man je nach Bedarf Short-Stay- oder Long-Stay-Aufenthalte bucht. Der oben genannten IWG-Umfrage zufolge haben sich 50% der Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit für Flex-Offices oder andere kurzfristig ausgestaltete Mietverträge entschieden. Als Grund wird genannt, dass man sich so im Zweifel kurzfristig verkleinern kann – oder im Wachstumsfall neue (erneut flexibel buchbare) Arbeitsplätze dazumietet.

3. Annehmlichkeiten bis hin zum Concierge
Von Sportraum bis Massagebank: Herausragende Hotels bieten ein Maximum an Annehmlichkeiten für ihre Gäste. Für Büros, die herausragen und Unternehmen sowie die Menschen in den Unternehmen für sich gewinnen wollen, gilt das auch: Das Büro wandelt sich daher langsam zur Wohlfühl- und Gesundheitsoase. Das Fraunhofer-Institut sieht Yogakurse und Entspannungssessions als generelles Büroszenario, das bis 2030 Realität werden kann. Meiner Meinung nach ist der Zeitpunkt zwar vergleichsweise ambitioniert. Oft sind es (zumindest in Deutschland) die veralteten räumlichen Bürostrukturen, die entweder keine geeignete Atmosphäre oder schlicht nicht genug Platz für entsprechende Angebote im Büro bieten. Aber die Richtung stimmt: In modernen Büros halten derzeit tatsächlich immer häufiger Yoga- und Familienzimmer Einzug. Hinzu kommt mehr Raum für den Austausch untereinander: Die Nachfrage nach Treffpunkten für Kooperation und Kollaboration innerhalb von Bürolandschaften ist laut JLL heutzutage um 40% höher als früher. Moderne Büros bilden diesen Bedarf ganz ähnlich ab wie Hotels: mit modernen Konferenzräumen für die formelle und der Bar mit Bierzapfanlage für die informelle Kommunikation.

Mitunter gibt es auch bereits Concierge-Dienste im Büro: Ähnlich wie in einem Sterne-Hotel kümmert sich eine Person um die Belange der Menschen. Im Flex-Office-Segment ist dies Standard – die Hotelification ist hier entsprechend weiter fortgeschritten: Sogenannte Community-Manager sind dafür verantwortlich, das individuelle Stresslevel der Menschen zu senken – indem sie ihnen die vielen kleinen und größeren täglichen Herausforderungen abnehmen, die nicht direkt mit der eigentlichen Arbeit zusammenhängen. Ähnlich wie bei einer guten Nachbarschaft in einem Wohnhaus werden im Flex-Office-Gebäude außerdem wohltuende Gemeinschaftswerte getriggert, oft kombiniert mit Health-Benefits. Beispiele sind gemeinsame Yogakurse, Pilates-, Meditations- oder Entspannungssessions. Oder Events beziehungsweise Expertenvorträge rund um eine gesundheitsfördernde Ernährung. Insgesamt gilt: Statt Quadratmetern zählt künftig „Office as a Service“, wie es in der eingangs erwähnten Wealthcap-Studie heißt.

---
*) Oliver Lehmann, General Manager, Mindspace Germany