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Gastbeitrag: Der Kreditmarkt für Gewerbeimmobilien - wichtige Trennung zwischen Fakten und Fiktion

Die aktuellen Probleme des Bankensektors sind kein systemisches Problem des Kreditmarktes für Gewerbeimmobilien, und das Verlustrisiko für Kreditgeber ist möglicherweise geringer als häufig angenommen wird.

Rich Hill

Bankenschließungen und die rigorosen Maßnahmen von Finanzaufsichtsbehörden zur Verhinderung eines Übergreifens im Bankensystem haben Verunsicherung bezüglich der Stabilität des US-amerikanischen Kreditmarktes für Gewerbeimmobilien (Commercial Real Estate/CRE) ausgelöst. Unsere Analyse legt nahe, dass das Ausmaß des Problems und seine Auswirkungen nicht genau untersucht und missverstanden werden.

Der CRE-Hypothekenmarkt im Überblick
Der CRE-Hypothekenmarkt für Bestandsimmobilien hat laut einer Datenanalyse der Mortgage Bankers Association einen Umfang von etwa 4,5 Bio. US-Dollar. Hinzu kommen noch 467 Mrd. US-Dollar an Baufinanzierungen, und die FDIC stuft 627 Mrd. US-Dollar an Darlehen für selbst genutzte Wohngebäude als gewerbliche Hypotheken ein.

Obwohl der Gesamtbetrag der CRE-Hypotheken in den Bankbilanzen in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, bleibt der Anteil an den gesamten Bankkrediten weitgehend unverändert im Bereich zwischen 10-14%. Darüber hinaus ist dieser Anteil auf 4.700 Banken verteilt, was zur Risikominderung beiträgt – eine Tatsache, die unserer Meinung nach nicht ausreichend gewürdigt wird.

Es besteht die weit verbreitete Meinung, dass kleinere Banken den Großteil der ausstehenden gewerblichen Hypotheken in ihren Bilanzen halten. Während diese Banken mehr als 70% der in den Bankbilanzen gehaltenen Kredite besitzen (aufgrund der Verringerung des Engagements der Top 25 Banken), halten sie nur 31,5% aller ausstehenden gewerblichen Hypotheken.

Diese kleineren Banken haben eine durchschnittliche CRE-Exposure von knapp 20% des Gesamtvermögens. Und nur 3% sind Darlehen für Bürogebäude. Es stimmt, dass eine Handvoll kleinerer Banken ein CRE-Engagement von mehr als 50% haben, einige sogar von mehr als 70%. Sie finanzieren jedoch in der Regel eher kleinere Immobilien in kleineren Märkten als größere Kernimmobilien, die von institutionellen Investoren gehalten werden

Wie stark werden die Immobilienpreise sinken?
Wir gehen davon aus, dass die geringere Kreditverfügbarkeit, höhere Kosten und gestiegene Renditeerwartungen die Bewertungen beeinflussen werden. Laut dem NCREIF ODCE Index, der die Renditen privater Immobilien erfasst, besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Kreditwachstum und den Preisen von Gewerbeimmobilien. Noch enger verknüpft sind die Kreditvergabebedingungen (basierend auf der Meinungsumfrage der Senior Loan Officer Federal Reserve) und der NCREIF ODCE Index.

Wir glauben, dass die Preise für Gewerbeimmobilien um 20-25% sinken könnten. Diese Entwicklung hat bereits vor den aktuellen Ereignissen im Bankensektor begonnen. Der NCREIF ODCE Index fiel im 4. Quartal 2022 um knapp 5% und damit zum ersten Mal seit 2009. Angesichts der zeitlichen Verzögerung zwischen öffentlichen und privaten Immobilien sowie der Tatsache, dass REITs im Jahr 2022 um 25% nachgaben, ist der Rückgang der Renditen bei Privatimmobilien nicht überraschend.

Wie hoch ist das Verlustrisiko?
Auch wenn 20-25% Wertverluste viel klingen mögen, könnte das Verlustrisiko für Kreditgeber geringer sein als von vielen erwartet. Das liegt daran, dass die Beleihungsquoten zwischen 50 und 60% das Risiko sinkender Immobilienbewertungen mildern, insbesondere da die Immobilien nach wie vor Einnahmen generieren. Anders ausgedrückt, wenn der Wert einer Immobilie um 40% sinkt und der Beleihungsauslauf 50% beträgt, hat das Darlehen immer noch einen Verlustpuffer von 10%.

Tatsächlich könnte der gesamte gewerbliche Hypothekenmarkt unterverschuldet sein, aufgrund niedriger Kapitalisierungssätze (Cap Rates), aber auch aufgrund der unterschätzten jährlichen Wachstumsrate des Netto-Betriebsergebnisses, die in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 4,5% betrug. Die Kombination dieser beiden Faktoren hat in den letzten 5-10 Jahren zu erheblichen Wertsteigerungen von Immobilien geführt und den Beleihungsauslauf in vielen Fällen sinken lassen. Allerdings stellen Kredite, die in den letzten Jahren zu Spitzenbewertungen mit kürzeren Laufzeiten abgeschlossen wurden, wahrscheinlich das größte Risiko dar, da ihre Beleihungsquoten schwer aufrechtzuerhalten sein werden.

Vor diesem Hintergrund kamen Befürchtungen auf, dass REITs stark unter Druck geraten könnten. Wir gehen aber davon aus, dass dieses Risiko vom Markt überschätzt wird. Erstens sind die REIT-Bilanzen mit einem aktuellen Beleihungsauslauf von 34,8% solide, während fast 86% der börsennotierten REIT-Schulden in den USA im Durchschnitt für die nächsten sechs Jahre festgeschrieben sind. Zweitens machen Büroimmobilien zwar 20,2% des NCREIF ODCE-Index aus, Ende Dezember 2022 entsprach dies nur 3,6% der Marktkapitalisierung der gelisteten REITs in den USA. Es ist zu beachten, dass börsennotierte REITs den NCREIF ODCE-Index in den letzten beiden Quartalen um fast 14% übertroffen haben. Dies stärkt unsere Ansicht, dass REITs ein Frühindikator sind und Anlagechancen für Investoren bieten.

Das Problem der Kapitalausstattung
Letztendlich betrachten wir dies in erster Linie als ein Eigenkapitalproblem bei bestimmten Immobilienarten, jedoch nicht als ein Verschuldungsproblem. Kreditnehmer müssen neues Eigenkapital in ihre Immobilien investieren, um bei sinkenden Immobilienbewertungen den Beleihungsauslauf aufrechtzuerhalten. Wir rechnen mit einer Zunahme von Zahlungsausfällen und Zwangsverkäufen, da Kreditnehmer mit Herausforderungen bei der Refinanzierung zu kämpfen haben. So verfügen sie möglicherweise nicht über ausreichend Kapital, um ihre Darlehen zu refinanzieren und die Opportunitätskosten zu decken. Allerdings unterscheidet sich diese Situation erheblich von der Subprime-Krise während der Finanzkrise, als die Beleihungsausläufe bei Wohnimmobilien etwa 90% betrugen und die Immobilienwerte um 40% fielen, während die Arbeitslosigkeit hoch war.

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*) Rich Hill, Head of Real Estate Strategy & Research, Cohen & Steers