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„Es ist schlicht falsch, dass Kreditmarktplätze unreguliert sind“

Dr. Dominik Steinkühler ist einer der Gründer und Geschäftsführer des Online-Kreditmarktplatzes Lendico. Er ist Doktor der Betriebswirtschaftslehre der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Vor der Gründung von Lendico arbeitete Dr. Steinkühler bei der Boston Consulting Group und der Investmentbank Rothschild. IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit ihm über das Geschäftsmodell des Fintechs und das Interesse institutioneller Anleger am Kreditgeschäft.

Dr. Dominik Steinkühler

IPE Institutional Investment: Herr Dr. Steinkühler, vor wenigen Tagen haben Sie zusammen mit der PostFinance ein Joint Venture in der Schweiz gegründet. Welchen Zweck hat das Gemeinschaftsunternehmen?
Steinkühler: Die Lendico Schweiz AG soll einen Online-Kreditmarktplatz aufbauen, über den wir ab dem vierten Quartal dieses Jahres Darlehen an kleine und mittelgroße schweizerische Unternehmen vergeben wollen.

IPE Institutional Investment: Warum haben Sie die Schweiz für den nächsten Schritt bei der Internationalisierung von Lendico gewählt?
Steinkühler: Die Neungründung eingeschlossen ist Lendico jetzt in acht Ländern auf drei Kontinenten aktiv. In den Niederlanden und in Deutschland vermitteln wir neben Privat- auch sehr erfolgreich Unternehmenskredite. Und wir sind der Auffassung, dass auch in der Schweiz alle Voraussetzungen erfüllt sind, um mit diesem Produkt zu reüssieren. Denn ähnlich wie in den Niederlanden und in Deutschland wird dort die Wirtschaft von kleinen und mittelgroßen Unternehmen geprägt. Ein Großteil dieser Firmen hat sich zwar über viele Jahre hinweg erfolgreich am Markt behauptet, kommt dessen ungeachtet aber nur sehr schwer an Kredite von traditionellen Banken. Das ist unsere Marktlücke. Noch dazu ist die Qualität der Daten zu den Unternehmen in der Schweiz sehr hoch, was eine sehr genaue Bewertung der Bonität ermöglicht.

IPE Institutional Investment: Warum haben Sie den Weg eines Joint Ventures gewählt?
Steinkühler: Die PostFinance ist eine Tochter der Schweizerischen Post und gehört zu den fünf größten Banken der Eidgenossenschaft. Das Unternehmen verfügt über eine 110-jährige Erfahrung im Bankgeschäft der Schweiz und hat rund drei Millionen Kunden. Einen besseren Partner für die Expansion in die Schweiz können wir uns also gar nicht wünschen. Und auch für das Peer-to-Peer-Lending in Europa insgesamt kann das Gemeinschaftsunternehmen Signalwirkung haben. Denn dass sich ein großer Player wie die PostFinance dort engagiert, ist auch ein Zeichen für die Reife, die der Markt mittlerweile hat.

IPE Institutional Investment: Wie kann man sich die Kooperation in der Praxis vorstellen?
Steinkühler: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass wir durch das Joint Venture die komplementären Stärken von Lendico und der PostFinance zusammenbringen, nämlich jahrzehntelang etablierte Kundenbeziehungen einerseits und frei von Legacy entwickelte Finanztechnologie andererseits. Ein ganz sichtbarer Ausdruck für diese Zusammenarbeit wird das Co-Branding des Online-Kreditmarktplatzes sein.

IPE Institutional Investment: Wie sieht das Geschäftsmodell von Lendico genau aus?
Steinkühler: Bei der Kreditvergabe an Privatpersonen, Selbstständige, Freiberufler sowie kleine und mittelgroße Unternehmen werden traditionelle Banken immer zögerlicher. Parallel sind private und institutionelle Investoren im derzeitigen Niedrigzinsumfeld auf der Suche nach attraktiven Renditen in Anlageklassen, die bestenfalls negativ zu klassischen Vermögenswerten wie Aktien oder Renten korreliert sind. Genau diese Konstellation eröffnet die Nische für Lendico. Wir bringen mit einer neuen Form der Finanzierung Kreditsuchende und Investoren, die in Kreditprojekte mit attraktiven Renditen anlegen wollen, auf unserem Online-Kreditmarktplatz zusammen.

IPE Institutional Investment: Was sind die Hauptgründe für die Zurückhaltung traditioneller Banken bei der Vergabe von Krediten an Privatpersonen, Selbständige, Freiberufler sowie kleine und mittelgroße Unternehmen?
Steinkühler: Für viele Kreditinstitute ist das Ausreichen von Darlehen an diese Kundengruppen zunächst ein technologisches Problem. Sie müssen sich vorstellen, dass eine durchschnittliche Großbank im Kreditgeschäft zwischen 20 und 50 IT-Systeme mit einem durchschnittlichen Alter von 20 Jahren einsetzt. So ausgestattet wird die Kreditvergabe natürlich zur hoch komplexen Angelegenheit, die gerade bei den eher niedrigen Summen, die Privatpersonen, Selbstständige, Freiberufler sowie kleine und mittelgroße Unternehmen nachfragen, niemals die Kosten decken kann. Gleichzeitig kann man den aus diesem Zustand resultierenden langwierigen Genehmigungsprozess keinem Unternehmer zumuten, der im Wettbewerb steht und beispielsweise schneller als der Konkurrent das Sortiment mit Hilfe eines Darlehens erweitern will. Online-Kreditmarktplätze wie Lendico bieten in dieser Hinsicht das Gegenprogramm. Unser Kreditvergabeprozess ist schlank und effizient strukturiert und führt somit schnell und kostengünstig zum Ergebnis. Im Fall von Unternehmenskrediten fällt eine Entscheidung in der Regel 48 Stunden nach dem Eingang aller Dokumente.

IPE Institutional Investment: Welchen Einfluss haben die immer strenger werdenden Eigenkapitalvorschriften für die Banken?
Steinkühler: Das ist in der Tat der zweite wichtige Grund dafür, dass selbst kleine und mittelgroße Unternehmen mit Jahr für Jahr erfolgreich belegtem Geschäftsmodell immer schwerer an Kredite kommen. Und diese Situation dürfte sich in den kommenden Jahren weiter zuspitzen. Zum einen könnte der Baseler Ausschuss die Kapitalanforderungen an die Banken noch einmal verschärfen. Zum anderen lastet das aktuelle Niedrigzinsumfeld wie ein Mühlstein auf der Profitabilität der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, den traditionellen Finanzierungspartnern des deutschen Mittelstands. Bundesbank und BaFin rechnen wegen der niedrigen Zinsen in den kommenden fünf Jahren mit einem Gewinnrückgang bei den kleineren Banken und Sparkassen von bis zu 60%. BaFin-Präsident Felix Hufeld hat kürzlich ebenfalls angekündigt, diese Kreditinstitute an die kurze Leine zu nehmen und ihnen eine Eigenmittelausstattung vorzuschreiben, die auch das Zinsrisiko im Anlagebuch umfasst. Im Klartext: Selbst wer unter den kleinen und mittelgroßen Unternehmen heute noch gut für ein Bankdarlehen ist, wird sich künftig wohl nach Alternativen umsehen müssen, um Wachstum zu finanzieren. Und diesen trüben Aussichten werden sich auch Freiberufler, Selbständige und Privatpersonen kaum entziehen können.

IPE Institutional Investment: Wie viele Großanleger haben bereits Geld in die Kreditvergabe von Lendico investiert und zu welcher Assetklasse rechnen die Investoren diese Anlagen?
Steinkühler: Es haben beispielsweise bereits mehrere Banken aus Deutschland aber auch Asset Manager aus dem Ausland Geld in Lendico-Kredite investiert. Je nach Hintergrund der Investoren betrachten sie ihre Investition entweder als klassisches Kreditengagement oder als Alternative Investments.

IPE Institutional Investment: Nun ist der Markt, in dem Lendico operiert, noch jung und gilt als unreguliert. Institutionelle Investoren wie Banken und Versicherungen werden von den Aufsichtsbehörden hingegen an einer immer kürzer werdenden Leine geführt. Wie lassen sich diese beiden Welten zusammenbringen?
Steinkühler: Es ist schlicht falsch, dass Kreditmarktplätze wie Lendico unreguliert sind. Tatsächlich ist unser Geschäft vollständig reguliert: Zum einen dadurch, dass Lendico in Deutschland mit einer Vollbank zusammenarbeitet, die die Kredite ausreicht und zum anderen unterliegen wir dem Kleinanlegerschutzgesetz. Im Ausland sind wir teils als Credit Provider lizensiert und direkt der relevanten Aufsicht unterstellt.

IPE Institutional Investment: Fintechs wie Lendico fokussieren sich auf einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette klassischer Banken, bei dem sie dank effizienterer Technologie und höherer Servicequalität ein besseres Angebot machen können. Die Banken hierzulande stehen Ihnen vor diesem Hintergrund skeptisch bis kritisch gegenüber. Können Sie das verstehen?
Steinkühler: Nein. In den USA, dem Mutterland der Fintechs, wird diese Diskussion um die vermeintlich feindlichen Fintechs auch gar nicht geführt. Vielmehr werden dort die ersten Allianzen geschmiedet. Ein Beispiel dafür ist die unlängst angekündigte intensive Zusammenarbeit zwischen der auf Unternehmenskredite spezialisierten OnDeck Capital und J.P. Morgan, der größten Bank des Landes, bei der Vergabe von Darlehen an kleine und mittelgroße Unternehmen. Ziel der Partnerschaft ist es, durch die Technologie von OnDeck Kredite nahezu in Echtzeit zu bewilligen und das Geld noch am selben oder am Folgetag auszuzahlen. Weitere Details kennen wir bislang zwar nicht, dessen ungeachtet ist aber schon jetzt klar, dass die Kombination der Technologie von OnDeck mit der breiten Kundenbasis und dem Kapital von J.P. Morgan eine Win-win-Situation für alle Beteiligten ist. Und ich bin mir sicher, dass auch die Banken in Deutschland dem Charme solcher Kooperationen letztlich nicht widerstehen können. Denn Kunden, die ihnen derzeit scharenweise den Rücken kehren, weil sie entweder nur halbherzig oder gar nicht bedient werden, lassen sich durch die Verbindung solch komplementärer Stärken wieder langfristig binden.

IPE Institutional Investment: Zum Abschluss noch die Frage nach der Rendite: Was kann Lendico privaten und institutionellen Investoren bieten, die in die Kredite investieren?
Steinkühler: Während des Vergabeprozesses teilen wir die Kreditsuchenden durch unser proprietäres Scoring-Verfahren in fünf Risikoklassen ein. Diese gehen mit unterschiedlich hohen Darlehenszinsen einher. Investoren können so Kreditportfolios mit sehr fein abgestuften Risikoprofilen zusammenstellen und so investieren, dass sie die eigene Risiko-Komfortzone nicht verlassen müssen. Und nicht nur beim Risiko, sondern auch bei der Rendite machen wir Investoren ein attraktives Angebot: Über das gesamte Kreditportfolio hinweg erwarten wir für das Deutschlandgeschäft eine Rendite von 6%. In Zeiten, in denen selbst die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen um die Nulllinie oszilliert, ist das sicher nicht zu verachten.


IPE Institutional Investment: Herr Dr. Steinkühler, danke für diese Einblicke.