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Trade Finance: Die (noch) unentdeckte Anlageklasse

Handelsfinanzierungen haben eine lange Tradition im Bankengeschäft. Die zunehmende Regulierung öffnet den Markt für institutionelle Investoren und bietet, was diese suchen: Gering korrelierte, risikoarme Anlagen, die dennoch Rendite abwerfen.

Patrick Lüthje

Bei Handelsgeschäften gibt es einen grundsätzlichen Interessenskonflikt der beiden Handelspartner. Der Verkäufer der Ware will erst liefern, wenn er Geld gesehen hat. Der Käufer hingegen will erst zahlen, wenn er die bestellte Ware bekommen und idealerweise auch noch geprüft hat. Dieses Dilemma gilt umso mehr, wenn es sich um grenzüberschreitende Handelsaktivitäten handelt und die beiden Geschäftspartner kein enges Vertrauensverhältnis haben.

Der Finanzsektor hat hierfür eine Lösung parat: die Handelsfinanzierung (englisch: Trade Finance). Sie ist nicht neu, sondern ihre Wurzeln sollen sogar rund 5.000 Jahre ins antike Mesopotamien zurückreichen. Während damals Personen hohen Ranges als Mittelsmänner dienten, übernehmen eine solche Rolle heute vor allem Geschäftsbanken oder spezialisierte Versicherungen und finanzieren die Handelsgeschäfte. Allerdings gibt es nicht die eine Handelsfinanzierung, sondern zahlreiche Techniken unterschiedlicher Komplexität. Im Ergebnis geht es jedoch stets darum, zum einen das Risiko des Handelsgeschäfts weitgehend von den Schultern der Ex- und Importeure zu nehmen. Zum anderen kann so die Liquidität auf beiden Seiten geschont werden.

Handelsfinanzierungen sind der Antriebsstoff für weltweite Warenströme
Sie gehören für viele Unternehmen zum Standard. Mit der Globalisierung ist der internationale Handel in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewachsen, und die Handelsfinanzierung hat sich als wichtiges Begleitelement etabliert. Sie unterstützt laut der Internationalen Handelskammer (ICC) rund 80% der weltweiten Warenströme, und die taxiert die Welthandelsorganisation WTO für 2019 auf einen Wert von 18,9 Billionen Dollar.

Bei der Handelsfinanzierung ist die Kreditlaufzeit – im Gegensatz zur Exportfinanzierung – sehr kurz und das Kapital wird – im Gegensatz zum Unternehmenskredit – nicht einfach dem Unternehmen zur Verfügung gestellt, sondern der Kredit ist zweckgebunden an die eine Handelsaktivität und selbstauflösend. Ein klassisches Instrument ist das Akkreditiv. Dabei beauftragt der Käufer sein Kreditinstitut, dem Verkäufer oder dessen Bank gegen Vorlage bestimmter Dokumente einen Betrag zu einem festgelegten Zeitpunkt auszuzahlen. Weitere Instrumente der Handelsfinanzierung sind Techniken, die auf Handelsforderungen basieren, oder strukturierte Finanzierungen.

Die einzelnen Techniken sind vielfältig, zum Teil komplex und sie entwickeln sich stetig weiter – auch durch neue Technologien. Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Blockchain halten in der vergleichsweise immer noch papierintensiven Handelsfinanzierung zunehmend Einzug. Die Covid-19-Pandemie hat wie in vielen anderen Bereichen auch hier für eine kräftige Beschleunigung in Richtung elektronischer Abwicklung gesorgt.

Es klafft eine Finanzierungslücke von 1,5 Billionen Dollar
Gleichzeitig hat die Pandemie die internationalen Handelsströme belastet. Das Handelsvolumen ist 2020 allerdings nur um 5,3% gesunken, deutlich schwächer als erwartet. Und mittlerweile geht es wieder kräftig aufwärts. Für 2021 rechnet die WTO mit einem Anstieg des Volumens um rund 8 Prozent. Die schnelle Erholung dürfte nach Ansicht der ICC zusätzliche Kreditkapazitäten erfordern, die sind aber ohnehin schon gut ausgelastet. Die Asiatische Development Bank sieht mit Stand 2019 eine Finanzierungslücke von 1,5 Billionen US-Dollar.

Zu diesem Mismatch von Angebot und Nachfrage trägt auch die Regulierung bei. Schon Basel III hat die Eigenkapitalvorschriften für Handelsfinanzierungen verschärft. Die nun anstehende Regulierung nach Basel IV zieht die Zügel noch einmal an. In den kommenden Jahren müssen Banken bis zu 120% mehr Eigenkapital für solche Finanzierungsgeschäfte hinterlegen. Die Banken sind daher sehr interessiert daran, zumindest einen Teil der Forderungen an die Kapitalmärkte weiterzugeben. So können sie ihre Eigenkapitalrentabilität deutlich erhöhen.

Im ICC Global Survey on Trade Finance 2020 zeigten sich rund 80% der befragten Banken besorgt oder sehr besorgt über die Kapitalanforderungen nach Basel-Regulierung. Doch viele wollen auch reagieren. 19% gaben an, dass sie auf Sicht von zwölf Monaten einen Fokus darauflegen, Gelder von Nicht-Banken zu nutzen, um ihre Handelsfinanzierungsaktivitäten erhöhen zu können. Auf Sicht von ein bis drei Jahren sieht sogar jede vierte befragte Bank den Weiterverkauf der Finanzierungen als ein Thema hoher Priorität.

Win-Win: Banken suchen Kapital, Investorenkapital sucht Rendite
Hier kommen Asset Manager und ihre institutionellen Anleger ins Spiel, für die Handelsfinanzierungen eine attraktive Anlageklasse darstellen. Im Niedrigzinsumfeld suchen Investoren händeringend nach Anlagen mit geringem Risiko, die dennoch Rendite abwerfen. Und genau das können Handelsfinanzierungen. Darüber hinaus haben sie noch weitere Vorteile. Die Anlageklasse ist zwar unter Investoren noch nicht so weit verbreitet, aber im Bankengeschäft ist sie ein stabiler, gut etablierter und bewährter Markt.

Sie zeichnet sich durch kurze Durationen aus, wie sie typisch für Geldmarktinstrumente sind, hat diesen gegenüber aber einen deutlichen Renditevorteil. Zu anderen Anlageklassen besteht nur eine sehr geringe Korrelation, was dem Anlagesegment positive Diversifizierungseigenschaften beschert. Diese waren gut beim Corona-bedingten Einbruch an den Märkten im vergangenen Frühjahr zu beobachten, als sich die Performance von Handelsfinanzierungen als sehr robust erwies. Zudem zeigen Analysen des ICC, dass die Ausfallrate bei Handelsfinanzierungen sehr gering ist, und deutlich niedriger als in anderen Anlagesegmenten wie etwa der KMU-Finanzierung.

Anlageprodukte brauchen erfahrene Partner, die Risiken umschiffen
Trotz dieser vorteilhaften Merkmale ist die Assetklasse Trade Finance bislang noch von vielen institutionellen Investoren unentdeckt. Das liegt sicherlich zum einen an der Komplexität des Segments. Zum anderen braucht es gut strukturierte Anlageprodukte, die den Bedürfnissen und Interessen der Anleger genügen. Ein Beispiel hierfür ist der Santander Trade Finance Real Economy Fonds I. Er investiert in die internationale Handelsfinanzierung über ein breit diversifiziertes Portfolio mit mehr als 350 Endschuldnern aus Europa, den USA und Asien. Das angestrebte durchschnittliche Kreditrating wird bei BBB+, also im Investmentgrade-Bereich, liegen. Non-Investmentgrade ist ausgeschlossen.

Wichtig für den Erfolg eines solchen Anlageprodukts und damit für positive und stabile Erträge ist die Zusammenarbeit mit Experten, die über tiefgreifende Kenntnisse der Anlageklasse verfügen. Denn das Segment birgt durchaus operative Risiken und ist auch vor Betrug nicht gefeit. Dieses Risiko muss bei jedem Geschäft sorgfältig analysiert werden.

Insgesamt bieten internationale Handelsfinanzierungen für institutionelle Investoren eine attraktive Anlageklasse mit kurzer Duration, geringer Korrelation niedrigem Risiko und einem deutlichen Renditevorteil gegenüber Anlagen mit vergleichbarem Risiko.

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*) Patrick Lüthje, Director Institutionals, Santander Asset Management Germany