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„Nach unserer Einschätzung werden die Ausfallraten europäischer High-Yield-Emittenten bis Ende 2023 bei 3,5% liegen“

Es gibt einige gute Gründe für Investoren, sich Hochzinsanleihen (Euro High Yield) wieder genauer anzusehen, findet Maud Bert, Head of High Yield bei Ofi Invest Asset Management, im Gespräch mit IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger.

Maud Bert

IPE D.A.CH: Frau Bert, warum sind Euro High Yields gerade jetzt interessant für Anleger?
Bert: Renditen auf dem europäischen Markt für Hochzinsanleihen sind nach Jahren mit schwachen Ergebnissen wieder attraktiv. Die Zinsen sind gestiegen, das Umfeld ist aber immer noch durch die Inflation beeinflusst. Außerdem haben sich die Risikoprämien als direkte Folge der Energiekrise ausgeweitet – strengere Bedingungen für stark verschuldete Unternehmen sind also bereits mit eingepreist. Vorausgesetzt, dass die Inflation ihren Höhepunkt schon überschritten hat, die Zinserhöhungen bald zu Ende sind, und es unwahrscheinlich ist, dass das Wirtschaftswachstum nicht mit einem Schlag schwächer wird, dann bieten Euro-High-Yield-Bonds ein sehr gutes Risiko-Rendite-Verhältnis. Mit einer Bruttorendite von 7,5% (ohne den Finanzsektor) liegt es deutlich über dem langfristigen Durchschnitt.

IPE D.A.CH: Wie hat sich die Anlageklasse in den letzten Jahren entwickelt?
Bert: Ganz klar war 2022 ein Ausnahmejahr, geprägt durch schnell aufeinander folgende Zinsschritte der Zentralbanken weltweit. Nach mehr als zehn Jahren mit niedrigen Zinsen traf der rasche Anstieg die Bondmärkte hart und bescherte europäischen Hochzinsanleihen aufs Jahr gesehen einen Verlust in Höhe von fast 12%. Das war die schlechteste Performance seit der globalen Finanzkrise der Jahre 2007/2008. Seit 2010 konnte der europäische High-Yield-Markt jedoch eine positive Wertentwicklung von durchschnittlich 5,46% pro Jahr erzielen. Unternehmen, die sich am Hochzinsmarkt finanzieren, haben die Krisen der vergangenen Jahre gut gemeistert. Sie konnten ihre Kreditkennzahlen sogar noch verbessern. Dabei haben die massiven Steuerhilfen und staatlich garantierte Kredite sehr geholfen. Viele konnten auch ihre Gewinnspannen ausbauen. Zudem befindet sich die Liquidität in den Bilanzen auf einem historischen Höchststand (siehe Grafik).



IPE D.A.CH: Sprechen wir über Ausfallraten: Wie haben diese sich entwickelt und wie ist der Trend?
Bert: Vergleicht man die Ausfälle in Europa mit denen früherer Krisen, dann halten diese sich aktuell wirklich in Grenzen. Rating-Agenturen haben die Zwölf-Monats-Ausfallraten während der Eurokrise von 2010/11 mit 7% berechnet, in der Subprime-Krise des Jahres 2008 erreichten sie sogar 14%. Ende März 2023 hingegen notierten sie gerade einmal bei 2,6% – im langfristigen Vergleich ein wirklich niedriger Wert. Nach unserer Einschätzung werden die Ausfallraten europäischer High-Yield-Emittenten bis Ende 2023 bei 3,5% liegen. Das Niveau steigt langsam an, aber kurzfristig erwarten wir keine Beschleunigung. Denn das Volumen der Darlehen, die in den Jahren 2023 und 2024 zur Refinanzierung anstehen, ist überschaubar. Und weil der Primärmarkt sich in den letzten Wochen wieder geöffnet hat, können Unternehmen sich refinanzieren und brauchen keine Liquiditätsengpässe zu befürchten. Wir meinen, dass Investoren in europäische Hochzinsanleihen für das eingegangene Risiko angemessen entschädigt werden. Grund dafür ist diese einfache Rechnung: Eine Bruttorendite von 7,5% (ohne Finanzwerte) entspricht einer erwarteten Ausfallrate auf Basis der Credit Spreads von rund 8% für ein Jahr und 35% für fünf Jahre. Im Vergleich dazu lag die durchschnittliche Ausfallrate in den letzten 20 Jahren aber lediglich bei 3% für ein Jahr und 15% für fünf Jahre. Und nicht zu vergessen: Diese Rendite kompensiert – ohne Berücksichtigung von Ausfällen – jeden Kapitalverlust bei einer Spread-Ausweitung von 268 Basispunkten für ein Jahr!

IPE D.A.CH: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im europäischen Hochzinssegment?
Bert: ESG-Überlegungen suchte man noch vor drei Jahren in dieser Anlageklasse vergebens. Die europäische Offenlegungsverordnung und die Nachfrage nach nachhaltigeren und engagierteren Investitionen haben die europäischen High Yield- Unternehmen gezwungen, soziale, ökologische und Governance-Aspekte zu berücksichtigen. Mit Ausnahme einiger weniger kleiner Firmen haben heute beinahe alle Emittenten in diesem Bereich ESG-Berichte oder veröffentlichen entsprechende Daten. Die USA, der andere große High-Yield-Markt neben Europa, hinkt bei nachhaltigen Finanzierungen dagegen deutlich hinterher. Hier scheint man die Bedeutung des Themas noch nicht erkannt zu haben. Aber auch in Europa stehen wir noch ziemlich am Anfang: Die ersten ESG-Indizes für High Yield wurden im Juni 2020 aufgelegt. Langfristige Vergleiche sind daher noch nicht möglich. Aber seit diesem Zeitpunkt liegt die annualisierte Performance des Nicht-ESG-Index lediglich 90 Basispunkte über der des ESG-Index. Die Berücksichtigung nachhaltiger Faktoren wirkt sich also nur geringfügig auf die Performance aus. Durch die Investition in einen ESG-orientierten Hochzinsfonds können Anleger ihr Investment jedoch mit einem nachhaltigen, sozialen und/oder ökologischen Ziel verbinden.

IPE D.A.CH: Wie sind Ihre Einschätzungen für die europäische Wirtschaft in diesem Jahr?
Bert: Beginnen wir einmal mit möglichen negativen Szenarien: Sollte die Wirtschaft langsamer wachsen oder sogar schrumpfen, so würden sicherlich eine Ausweitung der Risikoaufschläge sehen. Eine Rezession würde die Gewinn- und Verlustrechnung von Hochzinsunternehmen belasten und die Kreditkennzahlen unter Druck setzen. Für eine Null-Performance müssten sich die Credit Spreads auf Sicht von zwölf Monaten und bei einer Rendite von 7,5% allerdings um ganze 268 Basispunkte ausweiten. Und falls die Banken die Finanzierungsbedingungen erschweren, so würde sich das natürlich auch nachteilig auf die Gewährung neuer Kredite an europäische Hochzinsunternehmen auswirken. Aber die Wirtschaft in Europa scheint deutlich widerstandsfähiger zu sein, als Experten es zu Beginn des Jahres erwartet hatten. Wir rechnen für 2023 nicht mit einer Rezession in Europa, sondern eher mit einem abgeschwächten Wachstum, was letztendlich die Teuerungsrate senken dürfte. Der Markt für Hochzinsanleihen geht mit 515 Basispunkten von einer sanften Landung der Wirtschaft ohne starke Ausschläge bei den Ausfallraten aus.

IPE D.A.CH: Frau Bert, besten Dank für diese Einblicke.