Foundation | Welcome

Menu


Kommentar: Zinserhöhungen und ihre Folgen für die Finanzmärkte in den USA

Die Geschichte zeigt, dass Zinserhöhungen der US-Notenbank allein die Märkte in der Regel nicht aus der Spur werfen. Allerdings sollten Anleger weitere Faktoren in den Blick nehmen, die die Entwicklung von US-Aktien, -Anleihen und -Dollar beeinflussen könnten

Yoram Lustig

Die US-Notenbank (Fed) ist zweifellos die einflussreichste Zentralbank der Welt. Wenn sie wichtige Entscheidungen trifft, hat das Folgen für die Finanzmärkte weltweit, insbesondere aber in den USA. Die jüngste Ankündigung der Fed, sie werde im März den Leitzins anheben, bereitet Anlegern daher große Sorgen. Um zu beurteilen, ob diese Sorgen gerechtfertigt sind, lohnt ein Blick in die Vergangenheit: Wie haben sich US-Aktien, US-Treasuries und der US-Dollar in den Sechs- und Zwölf-Monatszeiträumen nach Beginn von US-Zinserhöhungszyklen seit 1974 entwickelt?

1. US-Aktien
Es zeigt sich, dass sich US-Aktien in den betrachteten fast fünf Jahrzehnten tendenziell stark entwickelt haben, nachdem die Fed einen Zinserhöhungszyklus eingeläutet hatte: In den untersuchten 21 Zinserhöhungszyklen erzielten US-Aktien in den sechs und zwölf Monaten nach der ersten Erhöhung 16-mal (76% der Fälle) bzw. 17-mal (81% der Fälle) positive Gesamtrenditen. Betrachtet man nur den Zeitraum ab 1984, liegt die Trefferquote sogar bei 100%, mit einer positiven Gesamtrendite in allen elf Zinserhöhungszyklen in den sechs bzw. zwölf Monaten nach der ersten Zinsanhebung.

Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Denn mit einer Zinserhöhung verschlechtern sich die Finanzierungsbedingungen, was höhere Kapital- und Kreditkosten zur Folge hat. Zugleich steigt der Diskontierungssatz, der zur Berechnung des Barwerts künftiger Cash-flows verwendet wird, was (bei ansonsten gleichen Bedingungen) die Aktienkurse nach unten drückt. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Zinsen üblicherweise dann angehoben werden, wenn der Konjunkturmotor rund läuft und die Inflation hoch ist oder steigt. Der Beginn von Zinserhöhungszyklen fällt also in der Regel mit einer starken Wirtschaft zusammen, was wiederum auch die Aktienmärkte stützt. Hierin liegt auch der Grund dafür, dass sich die Aktienmärkte in den Monaten nach einer ersten Zinserhöhung üblicherweise stark entwickeln. Wenn die Zinsen dann allerdings weiter steigen, wirken sich die schlechteren Finanzierungsbedingungen irgendwann potenziell negativ auf die Aktienmärkte aus.

Lässt sich daraus folgern, dass wir zumindest in dem Jahr, das auf die erste Zinserhöhung folgt, an den Aktienmärkten eine gute Performance erwarten können? Hier ist Vorsicht angebracht. Denn es kommt auf den Kontext an, in dem die Zinsen angehoben werden. Betrachtet man ausschließlich die Zinsschritte, bleiben viele Faktoren unberücksichtigt. Dazu zählen die unkonventionellen Maßnahmen der Fed seit der globalen Finanzkrise 2008 wie die quantitative Lockerung (QE), das Beenden der Wertpapierkaufprogramme (Tapering), die quantitative Straffung (QT) und die Forward Guidance, sowie die Auswirkungen der Zentralbank-Politik auf die Stimmung der Anleger.
 In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Zentralbanken den Finanzmärkten eine Art Rückendeckung gegeben, bekannt als „Zentralbank-Put“. Der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi brachte das 2012 markant auf den Punkt, als er erklärte, man werde tun „whatever it takes“, um den Euro zu schützen.

Wenn die Anleger nun zur Überzeugung gelangen, dass den Zentralbanken wegen der hohen Inflation die Hände gebunden sind, der Zentralbank-Put also effektiv ausgesetzt wird, könnte dies die Stimmung erheblich verschlechtern. Ohnehin müssen sie den Kontext genau im Auge behalten. Denn es gibt viele andere Faktoren, die den Aktienmarkt ins Wanken bringen könnten, darunter die wirtschaftliche Lage, das Niveau der Aktienbewertungen und die Stimmung der Anleger.

2. US-Treasuries
US-Treasuries erzielten nach der ersten Zinserhöhung in einem Zyklus tendenziell positive Gesamtrenditen. In den 21 Zinserhöhungszyklen seit 1974 generierten US-Treasuries in den sechs und zwölf Monaten nach der ersten Erhöhung 18-mal (86% der Fälle) bzw. 21-mal (100% der Fälle) positive Gesamtrenditen.

Dieses Ergebnis mag angesichts des umgekehrten Verhältnisses zwischen steigenden Zinsen und Anleihekursen ebenfalls unerwartet sein, ergibt aber Sinn. Auch wenn die Kurzfristzinsen tendenziell steigen, wenn die Fed ihren Leitzins anhebt, spiegeln sich in den längerfristigen Zinssätzen vor allem drei Faktoren wider: die Markterwartungen hinsichtlich der künftigen kurzfristigen Zinssätze, die Inflation und das Wirtschaftswachstum. Da steigende Leitzinsen eine sinkende Inflation und ein langsameres Wirtschaftswachstum erwarten lassen, könnten die langfristigen Zinssätze sinken, wenn die Fed den Leitzins anhebt. Das relativ hohe Niveau der Kupons und Renditen, das während eines Großteils des untersuchten Zeitraums vorherrschte, wirkte ebenfalls als Puffer für Treasury-Anleger.

3. US-Dollar
In den zwölf Monaten nach der ersten Zinserhöhung wertete der US-Dollar gegenüber den wichtigsten Weltwährungen in der Vergangenheit meistens auf, während er in den ersten sechs Monaten eines Erhöhungszyklus tendenziell abwertete. In den betrachteten 21 Zinserhöhungszyklen seit 1974 verteuerte sich der Greenback in den 12 Monaten nach der ersten Erhöhung 12-mal (57% der Fälle) und in den 6 Monaten nach der ersten Erhöhung achtmal (38% der Fälle).

Steigende Zinsen sind zwar für ausländische Investoren attraktiv und können die Nachfrage nach der Währung und ihren Wert steigern. Allerdings ist die Entwicklung einer Währung von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig, die mitunter viel wichtiger sind als das Zinsniveau – so etwa die politische und wirtschaftliche Stabilität eines Landes sowie die Nachfrage nach seinen Waren und Dienstleistungen.

Eine (vorsichtige) Lektion aus der Geschichte
Die Geschichte zeigt, dass der Beginn eines Fed-Zinserhöhungszyklus weder die Aktien- und Anleihemärkte noch die Währung der USA aus der Spur wirft – eine gute Nachricht für Anleger, aber längst keine Garantie dafür, dass sich diese Märkte zu Beginn des nächsten Fed-Zinserhöhungszyklus gut entwickeln. Die Zinsentscheidungen der Fed mögen sehr wichtig sein. Doch sollten Anleger darüber hinaus auch berücksichtigen, wie die Fed die Wirtschaft und die Finanzmärkte anderweitig lenkt, wie sie die Stimmung der Anleger beeinflusst und welche anderen Faktoren für die erwartete Performance den Ausschlag geben.

---
*) Yoram Lustig ist Head of Multi-Asset Solutions EMEA bei T. Rowe Price.