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Kommentar: Wasser(stoff) auf die Mühlen der Energiewende

Die Zeit leerer Bekenntnisse zum Klimaschutz scheint vorbei. Zunehmend werden bisher lose Leitlinien in regulatorische Praxis und Gesetzgebung umgesetzt. Strenge Zielvorgaben sorgen dafür, dass sich auch viele Unternehmer stärker mit dem Thema befassen. Wir gehen davon aus, dass die kommenden zehn Jahre in besonderem Maße vom Ausbau der erneuerbaren Energien geprägt sein werden. Speziell grüner Wasserstoff wird unserer Meinung nach eine entscheidende Rolle spielen.

Ulrik Fugmann (li.) und Edward Lees

Die Gesetzgeber der Welt machen ernst. Immer mehr Entscheidungsträger legen sich darauf fest, den CO2-Ausstoß zu senken. So hat sich zum Beispiel China vorgenommen, bis 2060 klimaneutral zu werden. Norwegen, die Niederlande und selbst Indien haben dem Verbrennungsmotor ein Ultimatum gestellt. Auch in den USA zeichnet sich eine Trendwende ab. Die zukünftige Finanzministerin in Joe Bidens Kabinett, Janet L. Yellen, ist nur ein Hinweis darauf. Die ehemalige Federal-Reserve-Chefin beschrieb den Klimawandel als „Gefahr für das Finanzsystem“ und sprach sich wiederholt für eine CO2-Steuer aus. Die Devise lautet überall auf der Welt: Die Treibhausgasemissionen müssen gesenkt werden, um das Klima zu retten.

In der Europäischen Union (EU) will man bis 2050 Klimaneutralität erreichen. CO2-Emmissionen sollen dann bestmöglich vermieden werden. Wie genau der Weg dorthin aussehen soll, darüber wird noch debattiert. Sicher ist: Bis 2030 will die EU-Kommission den Ausstoß um 55% gegenüber dem Stand von 1990 senken.

Wasserstoff als essenzieller Baustein
Wind- und Solarenergie allein reichen nicht, um diese Ziele zu erreichen. Grüner Wasserstoff muss daher eine zentrale Rolle spielen. Er kann gänzlich CO2-frei hergestellt werden, sofern der für die Produktion benötigte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Mittels Brennstoffzellen und Batterien kann Wasserstoff als grüne Antriebslösung oder zur Aufnahme überschüssiger Energie aus erneuerbaren Quellen genutzt werden. Er schließt damit wesentliche Lücken in einer von Wind und Sonne angetriebenen Energiewirtschaft. Angesichts dieser Vorzüge hat die Europäische Kommission das Ziel ausgegeben, den Anteil grünen Wasserstoffs am Gesamtenergiebedarf der EU bis 2050 von derzeit 2% auf 15% zu steigern.

In seiner aktuellen Studie „Green Hydrogen, Net Zero, and the Future of the EU-ETS“ beschreibt Mark Lewis, Leiter des BNP Paribas AM Sustainability Centers, welche Folgen dies hat: Damit das Potenzial grünen Wasserstoffs voll ausgeschöpft werden kann, gelte es, eine völlig neue Industrie aufzubauen. Speicherlösungen müssen geschaffen, die Verteilung gesichert, Kapazitäten für Forschung, Entwicklung und Produktion vorgehalten werden sowie die nötigen Anlagen zur erneuerbaren Energieerzeugung bereitstehen. Bis zum Jahr 2030 werden dafür Investitionen von schätzungsweise 400 Mrd. Euro benötigt. Eine zunächst erschreckend hohe Summe, die allerdings über den Verlauf der nächsten zehn Jahre verteilt nur einem Anteil von 0,3% des Jahres-Bruttoinlandsproduktes der EU entspricht. Es bleibt eine hohe Summe, die gemessen an dem ambitionierten Ziel aber zu verkraften ist.

Die EU ist bereit für eine neue Industrie
In vergleichbarer Weise wurde in der EU innerhalb der letzten 10 bis 15 Jahre schon einmal eine Industrie der regenerativen Energien aufgebaut. Nach neu geschaffenen, gesetzlichen Rahmenbedingungen investierten die Mitgliedsstaaten direkt in die Industrie der Wind- und Solarenergieerzeugung. Mit handelbaren Herkunftszertifikaten, Einspeiseprämien und garantierten Verkaufspreisen sorgte die EU für wirtschaftliche Anreize. Zusätzlich wurde das Investoren-Interesse durch steuerliche Vorzüge oder Investitionszuschüsse gesteigert.

In Deutschland steht die Gesellschaft hinter dieser Entwicklung: Laut Akzeptanzumfrage der Agentur für Erneuerbare Energien des letzten Jahres erachten neun von zehn Deutschen den Ausbau der erneuerbaren Energien als wichtig. Die Denkfabrik Agora Energiewende belegt darüber hinaus in ihrer aktuellen Studie „Akzeptanz und lokale Teilhabe in der Energiewende“ eine hohe Bereitschaft zur Beteiligung. 82% der Befragten empfinden die Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe. Für zwei Drittel der Bevölkerung wird sie besonders dann vertretbar, wenn sich auch Privatanleger an den Gewinnen beteiligen können.

Privatkapital wird die Energiewende antreiben
Investitionen von Privatanlegern werden einen wesentlichen Anteil daran haben, die nächste Phase der Energiewende einzuläuten. Dass die Anleger dazu bereit sind, in die aufstrebenden Industrien zu investieren, zeigt sich etwa anhand erfolgreicher Themenfonds.

Die Energiewende auf dem Rücken des grünen Wasserstoffes dürfte zu einem der größten Investmenttrends der nächsten Jahre werden. 29 Billionen US-Dollar werden bis 2050 in den Bereich fließen. Besonders das kommende Jahrzehnt wird für die Entwicklung dieser neuen Industrie entscheidend sein. Viele Maßnahmen werden bereits in den nächsten Jahren ergriffen, damit sie ihre Wirkung bis 2050 entfalten können.
 

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*) Ulrik Fugmann und Edward Lees, Fondsmanager des BNP Paribas Energy Transition