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Kommentar: Marktkräfte melden sich zurück und offenbaren Chancen und Risiken für Bondinvestoren

Nach pandemiebedingter Pause war es endlich soweit: Der zehnte Swiss Bond Congress des unabhängigen Kreditresearch-Unternehmens Independent Credit View (I-CV) fand statt. Der wichtigste Anlass in der Schweiz für institutionelle Bondinvestoren und Risikomanager präsentierte den Gästen in Zürich am 21. September zahlreiche Vorträge, Workshops und eine Podiumsdiskussion zum Thema Immobilien. Als Keynote-Sprecher fungierte Prof. Dr. Reiner Eichenberger von der Universität Freiburg – einer der einflussreichsten Schweizer Ökonomen.

Christian Fischer

Die Stimmung an den Finanzmärkten hat sich in den ersten Monaten 2022 dramatisch verändert. Die Pandemie, welche die Weltwirtschaft seit 2020 fest im Griff hatte, ist noch nicht abgeklungen und schon sehen sich Anleger mit den nächsten Krisenherden konfrontiert. Die kriegerische Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt kam nicht nur überraschend, sondern verursachte einen globalen Energiepreisschock in einem bereits inflationären Umfeld. Vielen Investoren fehlen die historischen Referenzpunkte für den Umgang mit der aktuellen geo- und geldpolitischen Lage. Das Anlageumfeld hat sich schlagartig verändert und Risiken, welche lange von der laxen Geldpolitik der Zentralbanken überlagert wurden, melden sich vehement zurück.

Zinserhöhungen zum Schutz vor Hyperinflation nötig
Die Eröffnung oblag Prof. Dr. Reiner Eichenberger von der Universität Freiburg. Er beleuchtete Risiken in Wirtschaft und Politik mit Blick auf die Schweiz und Europa. Eichenberger lieferte ein Potpourri aus plakativen Beispielen. Dazu zählten die wichtigen Themen Altersvorsorge, Verschuldung, Energiekrise und Klimapolitik. In unterhaltsamer Manier zeigte er auf, in welchen Zwängen die Politik steckt und erläuterte Lösungsvorschläge. Unter anderem führte er zum Thema Inflation aus, dass mutige Zinsschritte erforderlich sind, um eine Katastrophe wie die Hyperinflation abzuwenden. Gleichzeitig gab er zu verstehen, dass die wahren Probleme mit der Inflation im Steuersystem liegen und es sinnvoll wäre, reale und nicht nominelle Kapitaleinkünfte zu besteuern.

Beim Swiss Bond Congress kamen auch Vertreter aus der Industrie zu Wort und erläuterten in den Vorträgen ihre Credit Story und Unternehmensstrategien. Dies waren Swiss Prime Site AG, Mobimo AG, Iberdrola S.A. und Grenke AG. Aus Asset Manager-Sicht referierte Maria Stäheli vom Co-Veranstalter Fisch Asset Management über Investment Grade Credit im Licht historischer Drawdowns. Und in den Workshops wurden vielfältige Themengebiete von I-CV abgedeckt. Darunter beispielsweise ein marktnaher und praxisorientierter Ansatz zur Berücksichtigung von ESG-Aspekten im Anlageprozess (ESG-Radar) sowie Chancen und Risiken bei Privatplatzierungen von Schuldnern im Einflussbereich der öffentlichen Hand.

Die Podiumsdiskussion stand ganz im Zeichen der Immobilienmärkte: „Quo vadis? Wird der Effekt steigender Zinsen unterschätzt?“ Prof. Dr. Reiner Eichenberger, Prof. Dr. Donato Scognamiglio (CEO der IAZI AG), René Zahnd (CEO der Swiss Prime Site AG) und Marc Meili von I-CV diskutierten das Thema ausgiebig. Das geflügelte Wort „Lage, Lage, Lage“ bleibt angesichts der laufenden Zinswende von Bedeutung. Insbesondere, wenn es zu Verwerfungen im Immobilienmarkt kommen sollte, zahlen sich gute Lagen aus. Die höheren Zinsen seien nicht besorgniserregend, da es sich prinzipiell um eine Normalisierung des Zinsniveaus handelt. Aber natürlich sah das Gremium mit den steigenden Zinsen und den Entwicklungen bei Energieversorgung sowie Inflation die Immobilienmärkte vor herausfordernden Zeiten. Generell erscheint der Schweizer Immobilienmarkt robuster als zum Beispiel der Deutsche. Weiter wurde auf politische Risiken hingewiesen, die zu einer Angebotsreduktion führen könnten. Dies würde gegen Preisrückgänge sprechen. Allerdings haben nach den Aktien- und Anleihen-Kursrückgängen Immobilien nicht korrigiert. Doch ein Crash im Immobiliensektor ist aus Sicht des Gremiums nicht zu erwarten.

Auszüge der aktuellen I-CV Länderstudie vorgestellt
Den Swiss Bond Congress nutzte I-CV auch dieses Jahr wieder, um Auszüge aus der aktuellen Länderstudie zu veröffentlichen. Denn die Bonitäts-Einschätzungen der Staaten gehören mit zu den wichtigsten Parametern, die Bondinvestoren bei ihren Anlageentscheidungen einfließen lassen sollten. Wir beobachten, dass die Nebenwirkungen der lockeren Geldpolitik nun zu Tage treten und bei den Notenbanken eine hektische Rückkehr zur Normalität vorherrscht. Positiv ausgedrückt: die Marktkräfte erwachen zum Leben. Wir sehen einen erhöhten Druck auf die Länderbonitäten, da eine zehnjährige Tiefzinsphase verstrichen ist, ohne dass viele Staaten die notwendigen Weichenstellungen vorgenommen haben. Das Versagen der Politik wird sich nun rächen und die Bonitäten in Kombination mit der hohen Inflation und der sich anbahnenden Energiekrise destabilisieren.

Wir raten zur umsichtigen Emittentenwahl und dazu, das überwiegend stabile Bild bei den Ratingagenturen mit Skepsis zu betrachten. Energieintensive Volkswirtschaften mit hoher industrieller Wertschöpfung, dazu zählen Staaten in West- und Zentraleuropa, sind besonders exponiert. Empfehlenswert sind dagegen aus unserer Sicht Länder mit hoher Fiskaldisziplin und unabhängiger Geldpolitik. Namentlich wären dies beispielsweise Schweden, Norwegen oder Tschechien.

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*) Christian Fischer ist CEO und Senior Partner der Schweizer Independent Credit View AG (I-CV) und verantwortet die Bereiche Sales, IT sowie Administration. Ins Unternehmen trat er 2007 ein. Vor seiner Zeit bei I-CV war er in verschiedenen Funktionen für das Private Banking sowie das Hypothekargeschäft der Credit Suisse Group tätig. Fischer ist ausgewiesener Betriebsökonom und hat einen Master in Corporate Finance.