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Kommentar: High-Yield-Rallye - war’s das schon?

Wirtschaftliche Erschütterungen sind nichts Neues – sie begleiten mich durch mein gesamtes Berufsleben: 1998, 2001, 2008, 2011, 2015, 2018 und 2020 mussten Hochzinsanleihen jeweils stark Federn lassen. Dabei war jede Episode auf ihre Weise besonders. Dieses Jahr beeindruckte mich die Intensität der Erschütterung, mit Kursverlusten im zweistelligen Prozentbereich innerhalb eines einzigen Monats.

Martin Reeves

Aber wenn Erfahrung mich eines gelehrt hat, dann ist es, nicht in Panik zu verfallen. In den letzten Jahrzehnten folgte auf jeden Absturz um mehr als zehn Prozent in drei Monaten eine vollständige Kurserholung innerhalb der folgenden vier bis acht Monate. Wir glauben, dass diese Erholung auch aktuell noch im Gange ist.

Die Auswirkungen des wirtschaftlichen Shutdowns sind für viele Emittenten sicherlich erheblich. Für Anleger aber wirken sich die Senkung der Kreditkosten durch die Zentralbanken und staatliche Finanzhilfen noch massiver aus. Zentralbanken und Regierungen haben nämlich bei allen Abstürzen massiv interveniert und unserer Meinung nach das Risiko für Anleger mehr als kompensiert. Deshalb tendiert der Hochzins-Markt nicht nur dazu, Verluste auszugleichen, sondern sogar Renditen zu erzielen, die die anfänglichen Rückgänge deutlich übertreffen.

Deshalb gehe ich davon aus, dass die Rallye noch im Gange ist und dass noch Zeit bleibt, um den Aufwärtstrend nutzen zu können. Auf dem US-High-Yield-Markt (wo wir über die am weitesten zurückreichenden Daten verfügen und deshalb langfristige Muster am besten erkennen können) liegen die Spreads, selbst wenn man den Energiesektor berücksichtigt, immer noch lediglich um das 75. Perzentil. Das heißt, in drei Vierteln der Fälle haben die Spreads sich verengt.

Angst vor Ausfällen?
In einem schwierigen Umfeld sorgen sich High-Yield-Investoren typischerweise um Zahlungsausfälle. Der historische Vergleich zeigt allerdings, dass die Spreads Anleger in der Regel für tatsächlichen Anleiheausfälle in den folgenden zwölf Monaten überkompensieren.

Seit 1998 hat der Kauf von Hochzinsanleihen, die vier Jahre lang im Portfolio blieben, mit einer einzigen Ausnahme in jedem Jahr eine Rendite erbracht, die den Anleger für Ausfälle mehr als entschädigt hat. Die Geschichte zeigt, dass die Spreads ihren Höhepunkt vor den Ausfällen erreichen, und die Spitzenspreads preisen regelmäßig zu hohe Spitzenausfälle ein.

Angenommen, ein Anleger hat Ende April gekauft, als die Renditeaufschläge bei Unternehmensanleihen mit BB-Rating 570 Basispunkte und bei einzelnen B-Anleihen 920 Basispunkte betrugen. In diesem Fall müssten die Ausfallraten in den nächsten zwölf Monaten bei zwölf Prozent für BB-Anleihen und 17% für Titel mit B-Rating liegen, bevor der Anleger Geld verlieren würde. Angesichts der beispiellosen weltweiten Unterstützungsmaßnahmen durch Regierungen und Zentralbanken scheinen diese Ausfallraten unwahrscheinlich.

Was ist mit den Recovery Rates? Sie spielen irgendwie eine Rolle – und auch wieder nicht. Die Rendite wird von der Ausfallrate bestimmt. Die Recovery Rates spiegeln die Preise der Vermögenswerte wider und sind im Allgemeinen mit dem Niveau des S&P 500-Index korreliert, insbesondere mit den Bewertungen bestimmter Aktiensektoren.

Im derzeitigen Umfeld werden Ausfälle wahrscheinlich mit Recovery Rates zusammenfallen, die gemessen am wirtschaftlichen Umfeld höher als normal sind, denn die Aktienmärkte stehen hoch, und eine potentiell rasche Erholung könnte die Nachfrage nach Vermögenswerten befeuern.

Darüber hinaus befinden sich die Unternehmen im Allgemeinen in einer guten Solvenzsituation, so dass sich Umstrukturierungen auf die Verlängerung und Senkung von Schulden konzentrieren könnten, etwa durch eine Verlängerung der Kupons anstelle von deutlichen Haircuts.

Spreads – enger, am engsten?
Eins ist klar: Die Ausfallraten werden steigen, dürften sich jedoch auf strukturell angespannte Sektoren konzentrieren – zum Beispiel Unternehmen, die Amazon oder Google Konkurrenz zu machen versuchen, oder Unternehmen, die die Umwelt stark belasten – sowie auf Bereiche, die zu stark fremdfinanziert waren.

Ausklammern möchte ich hier Anleihen mit CCC-Rating. Hier ist die Verschuldung zu hoch, so dass der wirtschaftliche Schock ebenso wie schon in der Vergangenheit hohe Ausfallraten nach sich ziehen wird. Anleihen mit CCC-Rating sind jedoch nur ein kleiner Teil des Universums.

Wenn der Staub sich legt, wird unserer Ansicht nach die überwältigende Mehrheit der hochverzinslichen Unternehmen nicht ausfallen. In Zahlen: Wir gehen davon aus, dass über 95% der Unternehmen mit BB-Rating und etwa 90% der Unternehmen mit B-Rating überleben werden. Diese hohe Überlebensquote wird niedrige Spreads rechtfertigen, möglicherweise wieder auf demselben Stand wie zu Jahresbeginn. Damit könnten aktuell noch fünf Dezile Retracement der Spreads möglich sein. Das entspricht etwa 300 Basispunkten für BB-Ratings und 500 Basispunkten für B-Ratings.

Wir glauben, dass diejenigen Unternehmen, die überleben, widerstandsfähig sein werden und dass ihre Anleihen in einem Niedrigzinsumfeld gehandelt werden. Wir gehen davon aus, dass sich der Wert der Erträge aus Kupons erhöhen wird, da sie die Rendite von Staatsanleihen in den Schatten stellen werden. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass die absoluten Erträge aus hohen Renditen nach einem wesentlichen Ausverkauf bald die Mark-to-Market-Verluste übersteigen und noch einige Jahre anhalten werden.

Fallen Angels
Die Benchmark ist nicht statisch. Fallen Angels führen zu Refinanzierungen und Neuemissionen. Dies alles geschieht in den etwa zwölf Monaten nach dem Höchststand der Spreads und trägt dazu bei, die Renditen der Benchmark über das Niveau der verzeichneten Mark-to-Market-Verluste zu heben.

Stellen Fallen Angels eine Bedrohung dar? Der Markt rechnet schon seit einiger Zeit mit ihnen, und die Geschichte zeigt, dass sie auch Chancen bieten können. Manche scheitern natürlich, aber die Mehrheit der Fallen Angels hat sich in der Vergangenheit gut entwickelt. Fallen Angels mögen vielen Beobachtern Angst machen – aber wenn es etwas gibt, das den aktiven Investor anziehen sollte, dann ist es unserer Meinung nach Angst.

Wahrscheinlich wird sich die Geschichte wiederholen, und Fallen Angels stellen weiterhin ein gutes Jagdrevier dar. Das liegt zum Teil daran, dass Rating-Agenturen in wirtschaftlich angespannten Situationen dazu neigen, ihre Ratings schnell zu senken. Um fair zu sein: Oft haben Unternehmen auch einfach zu lange am unteren Rand des Investment Grades verweilt, ohne sich um die klaren Warnungen in den Agenturberichten zu kümmern. Den Investment-Grade-Investor mag das ärgern, aber für High-Yield-Investoren schafft es Möglichkeiten.

Die Fallen-Angels-Story und die Aussicht auf hohe Spreads waren schon immer gut dafür, frisches Geld in den High-Yield-Sektor zu leiten. Deshalb gibt es in der Regel auch keine Verdrängungsproblematik, wenn Emittenten mit Investment-Grade-Rating in die Benchmark abrutschen.

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*) Martin Reeves, Head of Global High Yield, Legal & General Investment Management