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Kommentar: Health Care-Investments – viel mehr als nur Krisenprofiteure

Es dauerte nicht lange, bis die Investoren an den globalen Finanzmärkten die Covid-19-Pandemie nicht nur als Risiko begriffen, sondern auch eine darin liegende Chance erkannt hatten. Schnell war klar, dass es eine Reihe von Unternehmen geben würde, die mit ihren Produkten dabei helfen würden, die medizinischen Herausforderungen dieser Pandemie zu meistern. Plötzlich standen Produzenten von Beatmungsgeräten oder Impfstoffhersteller, die vorher kaum jemand kannte, auf dem Einkaufszettel der Großinvestoren.

Michael Li

Keine Frage, Health Care-Investments bekommen derzeit viel Aufmerksamkeit von Anlegern. Das lässt sich auch an der starken Kursentwicklung ablesen. So hat der MSCI World Health Care den breiten MSCI World auf Sicht der letzten zwölf Monate ebenso hinter sich gelassen wie der der Russell 3000 Health Care den breiten Markt in den USA. Per Ende Januar 2021 hat der Gesundheitssektor, gemessen am weltweiten Index, um 17% gegenüber seinem Stand von Ende Januar 2020 zugelegt.

Doch es wäre fahrlässig, die Anlagechancen im Gesundheitssektor auf die Covid-19-Pandemie oder gar auf diejenigen Firmen zu reduzieren, die unmittelbar bei der Bekämpfung der Pandemie helfen und damit gutes Geld verdienen. Auch die unter Investoren verbreitete Ansicht, der Gesundheitssektor sei per se eine „defensive“ und vergleichsweise langweilige Branche, ist längst überholt.

Tatsächlich sehen wir im Bereich Health Care eine Reihe von innovativen Unternehmen, die auf einen bislang ungedeckten Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen abzielen – und damit das Potenzial haben, dauerhaft hohe Wachstumsraten zu erreichen und damit attraktive Renditen für Investoren zu erwirtschaften. Wichtig ist auch, dass Anleger mit ihren Investments im Bereich Health Care nicht nur finanzielle Ziele verwirklichen können, sondern auch einen positiven Nutzen für die Gesellschaft stiften – neudeutsch „Impact“.

Zunächst ein Blick auf die Wachstumschancen. Diese fußen auf drei wesentlichen Entwicklungen, die Investoren kennen sollten, wenn sie ein langfristiges Engagement im Gesundheitssektor anstreben:

Erstens sorgen große Fortschritte in der Forschung dafür, dass in den nächsten Monaten und Jahren viele neue Medikamente und Behandlungsmethoden marktreif werden. So kann etwa seit dem Abschluss des Humangenomprojekts, also der Entschlüsselung des menschlichen Genoms, die Erforschung erblich bedingter Erkrankungen entscheidend vorangetrieben werden. Bis jedoch Durchbrüche in der medizinischen Grundlagenforschung unmittelbar in kommerzielle Anwendungen münden, braucht es oft mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte weiterer anwendungsbezogener Forschung.

Nachdem etwa das Humangenomprojekt 2003 abgeschlossen wurde, bekam erst im Jahr 2016 das erste kommerziell genutzte Antisense-RNA-Medikament seine Zulassung von der US-Arzneimittelbehörde. Im August 2017 dann genehmigte die Behörde die erste immunonkologische Zelltherapie und im Dezember 2017 die erste kommerzielle Gentherapie für eine genetisch bedingte Krankheit. Dies sind nur einige wenige Beispiele für die Möglichkeiten, basierend auf den Durchbrüchen der Grundlagenforschung Therapien zu entwickeln. Unternehmen zu identifizieren, die dabei eine Führungsrolle übernehmen, bietet Anlagechancen auf Jahre hinaus.

Zweitens stellt der Health Care-Sektor, angetrieben durch moderne Technologien, eine erhebliche Innovationskraft unter Beweis. So haben verschiedene Unternehmen in den vergangenen Jahren erfolgreich daran gearbeitet, Kosten und der Zeitaufwand für die DNA-Sequenzierung drastisch zu senken – was übrigens ein Grund dafür war, dass der Sars-CoV-2-Erreger so schnell von den Forschern verstanden und damit die Grundlage für die Entwicklung von Impfstoffen gelegt werden konnte.

Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung von Lösungen für die Flüssigbiopsie, die eine Früherkennung von Krebs auf Basis einer Blutprobe statt einer Gewebeprobe ermöglichen, und damit invasive Maßnahmen in vielen Fällen vermeiden können. Eine der Firmen in diesem Bereich ist etwa die kalifornische Guardant Health. Auch in der Krebsbekämpfung gibt es beeindruckende Innovationen. Hier treibt etwa die ebenfalls in Kalifornien ansässige Iovance Biotherapeutics die Entwicklung von Zelltherapien voran, bei denen körpereigene Immunzellen den Krebs bekämpfen. Wir sehen hier eine Reihe innovativer Ansätze, die das Potenzial haben, die Bekämpfung von Krebs grundlegend zu revolutionieren und sich auch kommerziell entsprechend auszuzahlen.

Drittens – und vielleicht am wichtigsten – wird es auf absehbare Zeit eine steigende Nachfrage nach Medizinprodukten und -dienstleistungen weltweit geben. Dieser dauerhafte Nachfrageschub resultiert aus zwei globalen Trends: zum einen der Anstieg des Wohlstands in Entwicklungs- und Schwellenländern und zum anderen die Demografie.

Der zunehmende Wohlstand in den Schwellenländern, insbesondere in China und Indien, erhöht dort das Bedürfnis nach einem besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung. Dies wird die Gesundheitssysteme zunächst erheblich belasten, so dass wir Investitionen in Infrastruktur und Kapazitäten sowie Innovationen bei Behandlungen und Medikamenten benötigen. Wir müssen kosteneffiziente Wege finden, um die Gesundheitsversorgung auf neue, wachsende Bevölkerungsgruppen auszuweiten.

Gleichzeitig führt eine immer bessere Gesundheitspolitik in vielen Ländern weltweit dazu, dass die Menschen weltweit länger und gesünder leben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass sich der Anteil der 60-Jährigen von 2015 bis 2050 fast verdoppeln wird, wobei 80% dieser Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen leben werden.

Einfach ausgedrückt bedeutet eine ältere, länger lebende Bevölkerung einen steigenden Anteil der Ausgaben für die Gesundheitsversorgung. Hier haben insbesondere große Schwellenländer wie Russland oder China noch Nachholbedarf. Firmen, die diese in Sachen Gesundheitsversorgung noch relativ jungen Märkte effektiv und mit kostengünstigen Lösungen erschließen, werden für Anleger äußerst interessant sein.

Vielleicht sind es am Ende also nicht nur die Entwickler und Hersteller von Covid-19-Impfstoffen, die mit den größten langfristigen Wachstumschancen ausgestattet sind. Dennoch sind es einige dieser Unternehmen, die mit der schnellen Erforschung und Erprobung eines Impfstoffes gezeigt haben, wie wichtig leistungsstarke und innovative Health Care-Unternehmen nicht nur für Anleger sind, sondern für die gesamte Gesellschaft.

Nicht umsonst lautet die Nummer 3 unter den Sustainable Development Goals (SDG), Wohlbefinden und ein gesundes Leben für alle Menschen, ungeachtet ihres Alters, zu gewährleisten. Deswegen können Health Care-Investments gerade für diejenigen Investoren von Bedeutung sein, die neben der finanziellen Rendite auch einen Impact erreichen wollen. Wir halten es deswegen für einen sinnvollen Ansatz, Investments im Gesundheitssektor neben finanziellen Kennzahlen systematisch an ihrem Beitrag zum dritten SDG auszurichten.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Operationalisierung und Messung dieses Impacts gerade im Health Care-Sektor ein Schlüsselfaktor ist. Unsere Health Care-Strategie tut dies in drei Dimensionen, beginnend bei unserem eigenen Hauptaktionär: Der Mehrheitseigentümer von American Century Investments ist das Stowers Institute for Medical Research, eine gemeinnützige biomedizinischen Forschungseinrichtung, die sich auf die Erforschung genbasierter Krankheiten, einschließlich Krebs, konzentriert. Das Institut wird von einer Stiftung getragen, in deren Besitz auch unser Asset Management-Geschäft ist. Auf diesem Wege sind seit dem Jahr 2000 Dividendenausschüttungen an das Institut von insgesamt 1,7 Mrd. US-Dollar geflossen. Die zweite Dimension ist der Fokus des Portfolios auf die vier Impact-Themen, die auch in den SDG hinterlegt, und die dritte Dimension sind die einzelnen Portfolio-Unternehmen selbst, die mit ihren Leistungen bislang ungedeckte medizinische Bedürfnisse abdecken. So kann ein Investment in innovative Health Care-Unternehmen nicht nur überzeugende Rendite erwirtschaften, sondern einen dauerhaften gesellschaftlichen Nutzen stiften.

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*) Michael Li, Senior Portfoliomanager, American Century Investments