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Kommentar: ETFs – Freund oder Feind des institutionellen Investors?

Während die Vorteile von Exchange Traded Funds auf der Hand liegen, ergeben sich die Nachteile oft erst auf den zweiten Blick. Ihr Einsatz sollte deshalb wohl dosiert und in Kombination mit aktiv gemanagten Fonds erfolgen.

Armin Sabeur

In den USA erstmals 1993 zugelassen, erfreuen sich ETFs seit der Jahrtausendwende auch am deutschen Kapitalmarkt kontinuierlich wachsender Beliebtheit. So sind die in ihnen verwalteten Assets under Management hierzulande inzwischen auf 137 Mrd. Euro angestiegen (Stand 31. Dezember 2018). Weltweit lag das in Exchange Traded Funds angelegte Vermögen Ende 2018 bei ca. 4,7 Billionen US-Dollar.

Aktives Management nur selten besser als der Index
Die Investitionsidee, die hinter ETFs steckt, ist äußerst simpel. Ein Anleger kauft einen breiten Index, der einen bekannten Aktienmarktrepräsentanten, wie beispielsweise den S&P 500 oder den MSCI World, abbildet. Der Aufwand ist dabei relativ gering, die anfallenden Kosten somit verhältnismäßig niedrig. Die streng regelbasierte Vorgehensweise sorgt zudem dafür, dass die eigene Markteinschätzung keine Rolle spielt und das Bauchgefühl ausgeschaltet bleibt. Hierin sowie in der Trivialität der Strategie sind die großen Vorteile von ETF-Investments zu sehen.

Hinzu kommt ihr komparativer Performancevorteil gegenüber vielen aktiv gemanagten Anlage-strategien. Zwar besteht praktisch keine Chance auf eine Outperformance des jeweiligen Marktes, gleichzeitig entfällt aber auch das Risiko, über die meist geringen Gebühren und eine mögliche Tracking Difference (meist negative Abweichung von der Indexrendite) hinaus hinter dem zugrundeliegenden Index zurückzubleiben. Dabei können die nur leichten Abweichungen nach unten insofern als gutes Ergebnis gewertet werden, als empirische Analysen immer wieder zeigen, dass ca. 70% der aktiv agierenden Fondsmanager nicht in der Lage sind, ihre Benchmark zu schlagen, sondern diese (zum Teil deutlich) verfehlen. Allerding schwankt die entsprechende Zahl im Zeitablauf. So wurde beispielsweise in einer Untersuchung von Morningstar im Zeitraum zwischen 1997-2009 gezeigt, dass die aktiven Verwalter gerade in Bullenmärkten ins Hintertreffen geraten, während sie in Baissephasen deutlich besser mithalten können. Im „Dot.com-Jahr“ 1999 konnten etwa nur 18% den S&P 500 outperformen, in der Subprimekrise (2008) lag ihr Anteil dagegen bei ca. 68%. Zurückzuführen ist dies wohl insbesondere darauf, dass aktiv gemanagte Sondervermögen im Gegensatz zu ihren passiv agierenden Pendants eine mehr oder weniger hohe Cashquote aufweisen.

Aber auch in Baissejahren können die Verluste im Schnitt größer ausfallen als bei den zugrundeliegenden Indizes, wie das vergangene Jahr eindrucksvoll gezeigt hat. So ermittelt der französische Asset Manager und ETF-Anbieter Lyxor bei seiner jüngsten Analyse aktiv gemanagter Aktienfonds für 2018 nur eine Outperformancequote von 24%, während der entsprechende Durchschnittswert über die vergangenen zehn Jahre zumindest bei 31% lag. Besonders schlecht haben dabei übrigens Investmentfonds aus der Rubrik „Germany Large Caps“ abgeschnitten, also solche, die sich am Deutschen Aktienindex orientieren. Hier waren nur 17% der Manager besser als der Index. Über die vergangene Dekade hinweg waren es im Schnitt jährlich 28%.

Gutes Gefühl in Haussephasen
Losgelöst von diesen doch eher ernüchternden Performancewerten aktiv gemanagter Fonds birgt das ausschließliche Investieren in passive Strategien in steigenden Märkten unter psychologischen Aspekten einen besonders hohen Reiz. Die Einfachheit und Verständlichkeit der Vorgehensweise überzeugt in Verbindung mit entsprechenden Wertzuwächsen auch weniger erfahrene Anleger und sorgt damit in Haussezeiten für immer größere Emissionsvolumina in diesem Finanzanlagesektor. Das treibt wiederum die Nachfrage nach den im jeweiligen Index enthaltenen Titeln. Gleichzeitig wird ein leichtes Zurückbleiben hinter der Benchmark bei steigenden Kursen in aller Regel kritiklos toleriert.

Was bei haussierenden Märkten im Konsens der Anleger uneingeschränkt positiv erscheint, entfaltet in längeren Baisse- oder Seitwärtsphasen, die seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr zu beobachten waren, ein gänzlich anderes Bild. Hier sorgen der Kostenfaktor sowie die Tracking Difference dafür, dass die Performance noch hinter dem ohnehin schon schlechten Indexverlauf zurückbleibt. Diese Entwicklung ist für die meisten Investoren nur relativ kurze Zeit auszuhalten, bevor in einem solchen Szenario eine gewisse Panik um sich greift und es zu massiven ETF-Verkäufen kommt.

Zyklisches Investieren vorprogrammiert
Nicht übersehen werden darf auch ein weiteres Defizit, welches mit dem ausschließlichen Setzen auf ETFs verbunden ist: So achten Portfoliomanager in den verschiedenen Anlageklassen auf eine möglichst breite Diversifikation. Diese ist auf den ersten Blick zwar auch bei börsennotierten Indexfonds gegeben, auf den zweiten Blick sind passive Strategien dieser Art aber nichts anderes als „Momentum-Wetten“ auf die am höchsten kapitalisierten Unternehmen der Welt. Die strikte Regelbasierung hat zur Folge, dass Gesellschaften mit großer und weiter steigender Marktkapitalisierung im Index und damit auch in den entsprechenden ETFs immer höher gewichtet werden. Damit kommt es zu einem stark prozyklischen Anlageverhalten, das in längeren Aufwärtsphasen zu starken Klumpenrisiken führen kann.

So ist der Anteil amerikanischer Aktien am MSCI World inzwischen auf 62,4% angestiegen. Mitte der 80er Jahre waren es noch rund 35%. Während Japan damals mit einem ähnlich hohen Anteil gewichtet war, sind es aktuell gerade noch 8,2%. Die Kursverluste der großen japanischen Titel in den 90ern haben sich unmittelbar in der Indexgewichtung niedergeschlagen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt dürften die USA im „Weltindex“ aktuell dagegen nur eine Gewichtung von 22% aufweisen.

Ebenfalls können Boombranchen einen erhöhten Anteil erlangen. Zur Jahrtausendwende waren es bei Internetwerten am MSCI World Index beispielsweise ca. 30%, mit drastischen Folgen für die Indexentwicklung während des anschließenden überproportional starken Absturzes dieser Titel bis Anfang 2003. Durch Absicherung, Cashmanagement und bewusst gewählte Obergrenzen bei Ländern und Branchen lassen sich derartige Entwicklungen im Rahmen eines aktiven Managements dagegen deutlich abfedern. Aktuell enthält der wichtigste globale Aktienindex übrigens 1.654 Unternehmen, wobei allein Microsoft, Apple und Amazon 6,4% der Gewichtung ausmachen. Werden Alphabet und Facebook noch hinzugenommen sind es sogar 9,2% und damit über 80% der Gewichtung der gesamten Eurozone (11,15%).

Weder besser noch schlechter
Grundsätzlich sollte bei der generellen Beurteilung von Indexfonds keinesfalls um die Entscheidung zwischen aktiven und passiven Anlagestilen gehen. Anzustreben ist vielmehr die sinnvolle Kombination von ETFs und aktiv verwalteter Fonds, um auf diese Weise die Vorteile beider Investmentvehikel in einem breit diversifizierten Portfolio miteinander zu kombinieren. Gerade institutionelle Investoren mit längerem Anlagehorizont können die Volatilität ihrer Wertpapieranlagen insgesamt auf diese Weise erheblich verringern. Die kosteneffiziente und marktbreite passive Strategie wird dabei z.B. durch spezialisierte Fonds ergänzt, welche geografische und branchenspezifische Klumpenrisiken reduzieren. Die Momentum-Eigenschaften eines MSCI World-ETFs können durch die Kombination mit einer aktiven Value-Strategie erheblich entschärft werden, wodurch sich gleichzeitig die aktuellen Übertreibungen im Technologiesektor und die damit einhergehende Gefahr eines starken Absturzes abfedern lassen. Dabei bleiben die Chancen einer Outperformance mit entsprechenden Kombinationen gewahrt.

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*) Armin Sabeur, CFA, ist Vorstand und Portfolio-Manager bei OPTINOVA.