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Immobilieninvestments: Einheitliche Megatrends bieten Chancen in Europa

Nicht nur die Marktnetzwerke vieler Investoren haben sich in den vergangenen Jahren stärker internationalisiert, sondern auch deren Portfolios. Während Anfang der 2010er-Jahre noch von vielen Anlegern ein klarer Länderfokus gewählt wurde, wagen inzwischen immer mehr Akteure den Schritt über die Landesgrenzen hinaus. Die aktuelle Marktlage in der ersten Jahreshälfte 2023 könnte ebenfalls dazu beitragen, dass vor allem Investoren mit Schwerpunkt auf deutschen Objekten ihr Engagement in Ländern wie Frankreich, den Niederlanden oder auch in Nordeuropa ausweiten. Aber warum ist das so – und welche Chancen ergeben sich gerade jetzt für europäische Immobilieninvestments?

Dr. Andri Eglitis

Der Investmentstandort Deutschland gilt als der liquideste auf dem europäischen Festland. Nachdem 2022 wiederholt die Frage gestellt wurde, ob das Bild des Safe Havens nach wie vor zutrifft, zeigt sich nun immer stärker: Investoren vertrauen weiterhin auf die Rechtssicherheit und die robuste Wirtschaft. Unseren Analysen zufolge dürfte sich die deutsche Wirtschaft 2023 mit einem leichten Wachstum von 0,1% sogar besser entwickeln, als es der Konsens der Wirtschaftsweisen nahelegt (-0,2%).

Eng damit verbunden ist auch eine überwiegend positive Stimmung auf den Büroimmobilienmärkten, nach wie vor der wichtigste Immobiliensektor für institutionelle Investoren: Einerseits stieg die Zahl der Bürobeschäftigten auch im Jahr 2022. Mit einem Plus von 1,3% wuchs dem Statistischen Bundesamt zufolge vor allem das Dienstleistungssegment. Andererseits zeigt sich in der Praxis, dass die Bürovermietungsmärkte an den wichtigen deutschen Standorten zuletzt wieder angesprungen sind – auch wenn die diesbezüglichen Erhebungen erst zum Quartalsende konkrete Zahlen liefern werden.

Wer also bereits vor dem Jahr 2022 in Deutschland investiert hat, profitiert von dieser Robustheit des Marktes sowie von stetigen Mietsteigerungen durch die vertraglich geregelten Indexanpassungen. Allerdings gibt es einen zentralen Grund dafür, dass die deutschen Immobilientransaktionsmärkte erst allmählich an Fahrt aufnehmen: Trotz zuletzt gestiegener Spitzenrenditen, die JLL zufolge im vierten Quartal 2022 bei 3,3% im Schnitt der deutschen Top-7-Städte lagen, ergibt sich im Vergleich zu den marktüblichen Finanzierungszinsen noch immer eine Lücke.

Das muss unter anderem für eigenkapitalstarke oder auf langfristige Wertzuwächse fokussierte Investoren jedoch kein Hinderungsgrund sein. Im Gegenteil: Aufgrund der gesunkenen Konkurrenz besteht gerade jetzt die Möglichkeit, Opportunitäten wahrzunehmen – wenn auch eher in Form kleinerer Einzeltransaktionen anstatt großvolumiger Portfoliodeals.

Die Megatrends sind in ganz Europa gleich
Dennoch ergibt sich für Investoren, die bereits über zahlreiche deutsche Assets verfügen, nun die Möglichkeit, andere Standorte zu fokussieren. Dabei profitieren sie von der Tatsache, dass die Renditeniveaus an vielen Standorten höher sind als in Deutschland. Savills zufolge liegt die Spitzenrendite für Büroimmobilien im Mittel der europäischen Metropolen bei 4,2%. Dementsprechend ergeben sich an zahlreichen Standorten Opportunitäten, den oben erwähnten Puffer zwischen Rendite und Finanzierungskosten zu erreichen, der in Deutschland momentan manchmal fehlt.

Wichtig dabei ist vor allem, dass die fundamentalen Stützen überall in Europa ähnlich ausfallen, sowohl was das ökonomische Umfeld als auch die immobilienrelevanten Faktoren betrifft. Im Bürosegment wirken sich der Trend zum New Work und die damit verbundene mieterseitige Nachfrage nach modernen, offenen Arealen mit hoher Aufenthaltsqualität und Möglichkeiten zur Teamarbeit wie auch zum sozialen Austausch an sämtlichen relevanten Standorten aus. Aber auch die einheitlichen Regularien der EU-Taxonomie sowie das übergeordnete Streben, die Pariser Klimaziele erfüllen zu wollen, sorgen dafür, dass Green Buildings überall in Europa hoch im Kurs stehen.

Bemerkenswert ist dabei, dass das nicht nur im beispielhaft erwähnten Bürosegment der Fall ist: Im Einzelhandel setzt sich europaweit der Trend zur Gastronomie und damit zur längeren Verweildauer durch. In der Logistik führt die Abkehr von der Just-in-Time-Mentalität dazu, dass Produktionslager nachgefragt sind – und in der Hotellerie besteht der Trend zu kostengünstigen, aber architektonisch anspruchsvollen Budget-Hotels. Auch der Quartiersgedanke zur Schaffung urbaner Berührungspunkte ist in ganz Europa ähnlich.

Diese gleichlaufenden Trends sorgen dafür, dass sich Herausforderungen, aber auch Chancen für Immobilieninvestments auf dem Kontinent zumindest innerhalb der Währungsunion immer stärker ähneln. Das wiederum sorgt dafür, dass Anleger performancestärkere Investments bei ähnlich hohen Sicherheitsniveaus wie in Deutschland realisieren können. Dennoch sind die Vor-Ort-Präsenz sowie die lokale Expertise nach wie vor äußerst wichtig, denn trotz der immer stärkeren Annäherung gibt es weiterhin große Unterschiede bei rechtlichen und steuerlichen Themen sowie bei der exakten Flächennachfrage regional verwurzelter Mieter.

Sonderfall Vereinigtes Königreich
Was den britischen und speziell den Londoner Immobilienmarkt betrifft, ergibt sich hingegen eine Sondersituation. Nachdem der Brexit bereits für Unruhe gesorgt hatte, bewirkte die Regierungskrise im Oktober eine schnelle und deutliche Abwärtsbewegung auf den Immobilienmärkten. Die Dynamik dieser Entwicklung könnte jedoch dazu geführt haben, dass eine Bodenbildung auf den Märkten umso schneller erreicht wurde. Inzwischen werden wieder verstärkt Due Diligences durchgeführt und Ankäufe geprüft, vor allem im opportunistischen sowie im Value-Add-Segment – denn in den verschiedenen Assetklassen ergeben sich teilweise klare Kaufchancen.

Welche Zielregionen nun die größten Chancen für Investoren bereithalten, ist unterm Strich nicht nur von der jeweiligen Ausgangslage und den Businessplänen abhängig. Auch das Timing und die Frage, wie schnell Zukäufe realisiert werden können, spielen eine wichtige Rolle. Noch bedeutender jedoch ist die Haltedauer der jeweiligen Investments. Wer beispielsweise über zehn Jahre hinweg oder länger investieren will, kann den aktuellen Marktentwicklungen weniger Beachtung schenken. Mit dieser Anlagestrategie kann es beispielsweise auch die richtige Variante sein, alle bremsenden Faktoren zu ignorieren und gezielt in Deutschland zuzukaufen, jetzt, wo die Konkurrenz um die Assets so niedrig ausfällt wie kaum zuvor in den vergangenen 15 Jahren.

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*) Dr. Andri Eglitis, Head Research bei Swiss Life Asset Managers Deutschland