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Gastbeitrag: Private Debt jenseits von Corporate Loans – Mikrofinanz als Anlageklasse

Viele Anleger verbinden Mikrofinanz mit unbesicherten Kleinstkrediten und Entwicklungshilfe. Der Beitrag zeigt, wie ein eigenständiges Segment aus besicherten KMU-Finanzierungen im Private-Debt-Bereich ein anderes Risiko- und Duration-Profil als klassische Corporate Loans bietet, und worauf Allokatoren in der Due Diligence achten sollten.

Dr. Johannes Feist

Mikrofinanz gilt vielen Investoren noch immer als Nischenthema oder wird mit unbesicherten Kleinstkrediten und Entwicklungsprojekten gleichgesetzt. Im institutionellen Private-Debt-Segment hat sich jedoch ein Ansatz herausgebildet, der auf besicherten KMU-Krediten, klaren Governance-Strukturen und hoher Granularität beruht.

Private Debt ist in vielen institutionellen Portfolios etabliert, wird in der Praxis aber häufig mit Corporate Loans gleichgesetzt. Segmente wie Infrastrukturkredite, Asset-Backed-Strukturen oder Mikrofinanz geraten dabei leicht aus dem Blick. Gerade Mikrofinanz ist oft mit Bildern aus der Frühphase des Sektors belegt: unbesicherte Kleinstkredite an Haushalte in einem entwicklungspolitischen Umfeld. Parallel dazu hat sich ein institutioneller Ansatz entwickelt, der Mikrofinanz als eigenständige Private-Debt-Nische versteht: mit besicherten KMU-Krediten, Leasingstrukturen und Governance nach Private-Markets-Standards.

Private Debt ist mehr als Corporate Loans
Private Debt hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbreitert und umfasst heute zahlreiche spezialisierte Segmente. Neben Corporate-Loan-Strategien sind Bereiche entstanden, die andere Risiko- und Cashflow-Profile bieten; Mikrofinanz gehört dazu.

Der globale Mikrofinanzmarkt wird für 2024 auf rund 209 Mrd. US-Dollar geschätzt und könnte bis 2025 auf etwa 310 Mrd. US-Dollar anwachsen; davon entfallen rund 15 Mrd. US-Dollar auf Europa. Für Anleger in der DACH-Region ist dieser Bereich interessant, weil er Zugang zu breit gestreuten KMU-Finanzierungen mit kurzer Duration, granularen Finanzierungen in der Realwirtschaft und einem anderen Risiko-Rendite-Profil als großvolumige Corporate-Loan-Engagements eröffnet.

Wie Mikrofinanz im Private-Debt-Segment funktioniert
Im Portfolio stehen nicht Kleinstkredite an Haushalte im Vordergrund, sondern Finanzierungen für kleine und mittlere Unternehmen. Typisch sind besicherte Investitionskredite und Finanzierungsleasing mit kurz- bis mittelfristigen, amortisierenden Laufzeiten und regelmäßiger Neuprüfung.

Die Kreditvergabe erfolgt über lokale Einheiten in den Zielländern, die sowohl die Kreditprüfung als auch die laufende Betreuung und den Forderungseinzug verantworten. Kapital fließt von der Fondsebene in Betriebsgesellschaften vor Ort und von dort in viele einzelne Kredite und Leasingverträge. Für Investoren entsteht eine Datenbasis auf Kreditebene, die Auswertungen über verschiedene Kreditjahrgänge und Portfolios hinweg ermöglicht.

Sicherheiten und Covenants sind zentrale Elemente der Struktur. Besichert wird meist über Sachwerte wie Maschinen, Fahrzeuge oder Lagerbestände. Entscheidend ist dabei, wie groß der Abstand zwischen Kreditbetrag und Sicherheitenwert ausfällt (Loan-to-Value, LTV) und wie häufig dieser Wert überprüft wird. Ergänzend kommen klar definierte Regeln für den Umgang mit Zahlungsverzug zum Einsatz, von ersten Warnsignalen über Restrukturierungsschritte bis hin zur Verwertung der Sicherheiten, sollten die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Restrukturierung im beiderseitigen Interesse ausgeschöpft sein.

Auf Governance-Ebene orientieren sich professionelle Manager an etablierten Standards der Entwicklungsfinanzierung und verantwortungsvollen Kreditvergabe. Standardisierte Kreditakten, dokumentierte Entscheidungswege und prüfbare Audit-Trails sind Voraussetzung dafür, dass externe Prüfer Portfolios nachvollziehbar analysieren können.

Abgrenzung zu Corporate Loans und „klassischer“ Mikrofinanz
Gegenüber Corporate-Loan-Strategien unterscheidet sich Mikrofinanz vor allem in der Struktur der Einzelengagements. Die Tickets sind kleiner, die Zahl der Schuldner höher und die Laufzeiten kürzer. Statt weniger großvolumiger Finanzierungen steht ein breiter Kreditbestand mit hoher Granularität im Vordergrund.

Auch gegenüber der „klassischen“ Mikrofinanz, die in vielen Köpfen mit Grameen-ähnlichen Modellen verknüpft ist, gibt es klare Unterschiede. Der Fokus liegt nicht auf unbesicherten Kleinstkrediten an Privathaushalte, sondern auf KMU-Finanzierungen und Leasingstrukturen. Die Vergabe erfolgt besichert, basierend auf klaren Underwriting-Standards und marktorientierter Preisbildung; Zuschuss- oder NGO-Logiken spielen keine Rolle.

Investment Case: Welche Rolle kann Mikrofinanz im Portfolio spielen?
Für die Portfolioebene stellt sich die Frage, welche Funktion Mikrofinanz im Private-Markets-Kontext übernehmen kann. Im Vordergrund steht eine Kombination aus Diversifikation, Cashflow-Profil und Granularität.

Die Kreditportfolios sind in der Regel breit über Länder, Sektoren und Schuldner gestreut. Der Gleichlauf mit klassischen Marktindizes ist tendenziell gering, weil es sich einerseits um direktes Realwirtschaftsexposure auf Unternehmensebene handelt, und andererseits die kreditierten KMU meist nur auf dem jeweiligen lokalen Markt tätig und kaum in globale Lieferketten eingebunden sind. Die Cashflows sind kurzlaufend und amortisierend; Zins- und Spread-Duration fallen damit niedriger aus als bei langlaufenden Corporate Loans.

Die hohe Granularität wirkt als Puffer. Einzelne Ausfälle können zwar spürbar sein, haben in gut diversifizierten Portfolios aber begrenzten Einfluss auf die Gesamtperformance. Voraussetzung ist, dass Sicherheiten konsequent bewertet und Prozesse für den Umgang mit Problemkrediten professionell umgesetzt werden. Aus Liquiditätssicht bleibt die Anlageklasse illiquide. Die kurzen Kreditzyklen ermöglichen jedoch eine schrittweise Kapitalrückführung, wenn Portfolios über Laufzeitende auslaufen oder gezielt reduziert werden.

Für Investoren in der DACH-Region ist Mikrofinanz damit ein Baustein im Private-Debt-Segment. Ob eine Allokation sinnvoll ist, hängt vom Risikobudget, der Währungsrisikostrategie und den Governance-Anforderungen ab.

Risikoarchitektur und Due Diligence im Überblick
Die Risikoarchitektur von Mikrofinanz lässt sich in wenige Kernbausteine gliedern. Im Zentrum steht das Kreditrisiko. Underwriting-Standards legen fest, welche Sicherheiten akzeptiert werden, wie groß der Sicherheitsabstand zwischen Kreditbetrag und Sicherheitenwert sein muss (Loan-to-Value, LTV) und nach welchen Kriterien Einnahmen, Ausgaben und Zahlungsströme der Kreditnehmer geprüft werden. Ergänzend werden Kreditportfolios über die Zeit beobachtet: Analysen zu verschiedenen Kreditjahrgängen zeigen, in welchen Phasen Ausfälle gehäuft auftreten und wie sich Rückflüsse entwickeln. Genauso wichtig sind klare Abläufe, wie mit gefährdeten oder ausgefallenen Krediten umgegangen wird, von den ersten Auffälligkeiten bis hin zur Restrukturierung oder, im äußersten Fall, zur Verwertung von Sicherheiten.

Hinzu kommt das Währungsrisiko. In einigen Märkten werden Kredite in Hartwährung vergeben, in anderen dominieren lokale Währungen. Abhängig von Markt und Investor kommen Absicherungsinstrumente, natürliche Hedges über lokale Cashflows oder Limitierungen offener Positionen zum Einsatz. Entscheidend ist, dass Hedging-Kosten, Stresstests und der Umgang mit Wechselkursschwankungen transparent dokumentiert werden.

Länder-, Regulierungs- und geopolitische Risiken werden über Exposure-Caps, Szenarioanalysen und lokale Compliance-Prozesse gesteuert. Investoren müssen nachvollziehen können, wie schnell Portfolios im Stressfall angepasst werden können und welche Entscheidungswege dafür vorgesehen sind.

Für die Due Diligence bietet sich eine strukturierte Prüflogik an. Ausgangspunkt sind Strategie und Anlageuniversum: klare Abgrenzung zu Corporate Loans und Trade Finance sowie konsistente Ticketgrößen, Laufzeiten und Ländergrenzen. In der operativen Struktur stehen die direkte lokale Kreditvergabe, das Underwriting-Manual, die Qualifikation der Teams und der Datenzugang auf Kredit- und Portfolioebene im Fokus. Auf Risiko- und Governance-Ebene sind policybasierte Definitionen für notleidende Kredite (Non-Performing Loans, NPL), dokumentierte Verlustquoten nach Ausfall sowie Rückgewinnungshistorien, Währungsrisikostrategie und interne Kontrollsysteme relevant.

Ein wichtiger Indikator ist zudem der Anteil der Forderungen mit deutlichem Zahlungsverzug. Im Markt liegen die „Portfolio at Risk > 30 Tage“-Quoten (PAR-30) häufig bei rund 4,5%. In den Portfolios der Mikrofinanzinstitute, in die spezialisierte Plattformen investieren, bewegen sie sich typischerweise bei etwa 4,2%; dort lagen die kumulierten Ausfallquoten seit Auflage bei weniger als 1%. Diese Größenordnungen sollten im Einzelfall geprüft und plausibilisiert werden.

Für den Interessengleichlauf zwischen Manager und Investoren spielen verlustabsorbierende Eigenkapitaltranchierung, substanzielle Co-Investments des Managers, transparente Gebührenstrukturen und ein konsistentes KPI-Set eine zentrale Rolle. Als Red Flags gelten eine starke Abhängigkeit von Zwischenhändlern, ein schwaches Sicherheitenregime, intransparente Daten oder das Fehlen einer klaren Strategie zum Umgang mit Währungsrisiken.

Drei verbreitete Missverständnisse: kurz eingeordnet
Erstens wird Mikrofinanz häufig mit unbesicherten Kleinstkrediten gleichgesetzt. Institutionell aufgesetzte Mikrofinanz im Private-Debt-Kontext fokussiert dagegen auf besicherte KMU-Finanzierungen und Leasingstrukturen; Ticketgrößen, Sicherheitenregime und Governance unterscheiden sich deutlich von frühen Mikrofinanzmodellen.

Zweitens gilt Mikrofinanz vielen als Synonym für Entwicklungshilfe. Im institutionellen Kontext handelt es sich jedoch um einen marktorientierten Private-Credit-Ansatz mit definierten Risiko- und Reporting-Prozessen. Relevanter Referenzrahmen sind Bonität, Sicherheiten, Cashflows und Governance, nicht Förderlogiken.

Drittens wird der Bereich oft als „zu exotisch und zu illiquide“ wahrgenommen. Die Strategie ist illiquide, das ist unstrittig. Die Kombination aus kurzen Laufzeiten, hoher Granularität und Sicherheiten führt jedoch zu einer anderen Risiko- und Cash-Dynamik als bei klassischen Private-Equity- oder langlaufenden Corporate-Loan-Strukturen.

Fazit: Drei Kernaussagen für die Allokation
Mikrofinanz ist eine eigenständige Private-Debt-Nische mit einem anderen Risiko-, Rendite- und Duration-Profil als Corporate Loans. Im Zentrum stehen besicherte KMU-Finanzierungen, lokale Kreditvergabe und eine hohe Granularität.

Die Risikoarchitektur basiert auf klaren Underwriting-Standards, Sicherheitenregimen, kurzen Laufzeiten und transparenter Governance. Wenn diese Bausteine zusammenwirken, lässt sich das Risikoprofil für institutionelle Anleger strukturiert steuern.

Für Allokatoren sind weniger die Schlagworte entscheidend als die Qualität des Operating Models. Datenlage, Währungsrisikostrategie, Governance und Interessengleichlauf zwischen Manager und Investoren geben den Ausschlag dafür, ob Mikrofinanz ein sinnvoller Baustein im Private-Debt-Segment ist oder nicht.

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*) Dr. Johannes Feist, Chief Executive Officer, Mikro Kapital Management S.A.