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Gastbeitrag: Nachhaltige Landwirtschaft geht auch Investoren an

Wie Asset Manager ESG-Faktoren im Agrarsektor berücksichtigen, bewerten und durchsetzen können. Im Folgenden ein Beispiel aus der Praxis.

Maria Elena Drew

Die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das auch für Investoren von zunehmendem Interesse ist. Auf der einen Seite verursacht der Agrarsektor schwerwiegende Umweltprobleme. Er steht für mehr als 18% der globalen Treibhausgasemissionen, ist für 70% des weltweiten Süßwasserverbrauchs verantwortlich und trägt durch Rodung, Düngemitteleinsatz und Monokulturen zur Landverödung und dem Verlust natürlicher Ökosysteme bei. Auf der anderen Seite ist eine funktionierende Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung für die Ernährung der Menschheit. Ohne ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln sind Hunger und Armut vorprogrammiert, zumal die Weltbevölkerung nach Prognose der UN bis zum Jahr 2050 auf nahezu 10 Milliarden Menschen ansteigen wird.

Folglich wird die Nahrungsmittelnachfrage weiter zunehmen, nach Schätzung der UN um mehr als 50% bis 2050. Eine derart starke Steigerung der Lebensmittelproduktion würde bei Anwendung traditioneller landwirtschaftlicher Praktiken zur Umwandlung riesiger Flächen und einem beträchtlichen Anstieg der Treibhausgasemissionen führen. Beides steht jedoch im krassen Gegensatz zum Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Denn dafür – so geht aus Szenario-Analysen hervor – müssten die landwirtschaftlichen Emissionen gegenüber dem Niveau von 2016 halbiert und gleichzeitig 585 Millionen Hektar Land wieder aufgeforstet werden.

„So weiter, wie immer“ birgt Risiken
Der oben beschriebene Zwiespalt erfordert auch bei Anlegern ein Umdenken. Denn wer in die gleichen landwirtschaftlichen Praktiken wie in den letzten 50 Jahren investiert, trägt dazu bei, die negativen Auswirkungen des Agrarsektors zu verschlimmern. Die Folgen müssten letztendlich die Gesellschaft, aber auch die Investoren selbst tragen. Sie würden in Unternehmen investieren, die ein erhöhtes Risiko bergen, da die Erderwärmung zu extrem Wetterphänomen führt, was wiederum die Gefahr von Missernten und Umsatzausfällen erhöht. Zudem landen Produkte nicht-nachhaltiger landwirtschaftlicher Erzeuger zunehmend auf dem Bannzettel von privaten Verbrauchern, was ebenfalls ein beträchtliches Geschäftsrisiko für solche Unternehmen darstellt. Investoren sollten ihr Kapital daher in landwirtschaftliche Unternehmen lenken, die zum einen dazu beitragen, die Nahrungsmittellücke zu schließen und dies zum anderen auf eine nachhaltige Weise tun.

Berücksichtigung von ESG-Faktoren
Bei immer mehr Asset Managern sind Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und sonstiger Landnutzung bereits Teil des fundamentalen Anlageresearch, wobei es in bestimmten Fällen nötig ist, die Expertise und Erfahrung von ESG-Spezialisten hinzuzuziehen. Es gilt also, zusätzlich zum Fundamentalresearch nachhaltige landwirtschaftliche Faktoren systematisch zu berücksichtigen und in das Analysemodel einzubinden. Dabei werden die verschiedenen Aspekte von Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) identifiziert und nach einem Punktesystem bewertet.

US-Agrarkonzern Bunge im Nachhaltigkeitscheck
Wie die Praxis zeigt, ist die ESG-Bewertung eines Unternehmens in Bezug auf nachhaltige Landwirtschaft nicht immer einfach, sondern häufig ausgesprochen komplex. Gerade was die landwirtschaftlichen Lieferketten betrifft, sind Kontroversen oftmals vorprogrammiert. Ein Beispiel dafür ist Bunge, ein führender amerikanischer Agrarkonzern mit internationalen Aktivitäten in den Bereichen Sojabohnenexport, Lebensmittelverarbeitung, Getreidehandel und Düngemittel. Bunge wird von externen ESG-Ratingagenturen sehr unterschiedlich bewertet, mal mit Bestnoten, mal mit mangelhaft. Gleichwohl hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren in einigen wichtigen ESG-Aspekten zum Positiven entwickelt. In anderen relevanten Kategorien weist Bunge allerdings noch Nachholbedarf auf. Das hat damit zu tun, dass bei der landwirtschaftlichen ESG-Analyse dem Lieferkettenmanagement des Unternehmens (sowohl, was ökologische, als auch soziale Aspekte betrifft) sowie der Beschaffung von Rohstoffen ein hohes Maß an Relevanz beigemessen werden sollte. Nun hat eine Nichtregierungsorganisation (NGO) darüber berichtet, dass Zulieferer von Bunge in mehreren Fällen mit der Rodung von Wäldern und dem damit verbundenen Verlust der Artenvielfalt in Zusammenhang stehen, insbesondere in sensiblen Regionen Südamerikas und Indonesiens.

Solche Vorwürfe lasten schwer. Asset Manager können in solchen Fällen in direkten Kontakt zu dem Unternehmen treten, um zum Beispiel das Lieferkettenmanagement zu durchleuchten und positive Anstöße zu geben. Bei Bunge hat dieser Meinungsaustausch gefruchtet. So hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, die Lieferkette bis zum Jahr 2025 „rodungsfrei“ zu machen, inklusive der legalen Entwaldung. Weiterhin hat Bunge ein Palmöl-Dashboard eingerichtet, das eine transparente Offenlegung seiner Palmölmühlen bietet. Darüber soll die Zusammenarbeit mit Lieferanten, die gegen die Richtlinien verstoßen, beendet werden.

Asset Manager tragen Verantwortung
Beim sozialen Lieferkettenmanagement zeigte Bunge bereits hohe Standards, schnitt jedoch in einigen Punkten wegen Mängel im Bereich der indirekten Lieferanten schlecht ab. Hier hatte es wiederholt Berichte über den Einsatz von Zwangs- und Kinderarbeit gegeben. Bunge plant deshalb, eine Menschenrechtsbewertung durchzuführen, um das soziale Lieferkettenmanagement zu verbessern. Zudem verpflichtete sich das Unternehmen Lieferantenaudits durchzuführen. Dass Asset Manager positiv auf Unternehmen Einfluss nehmen können, zeigte auch die Jahreshauptversammlung von Bunge im Mai 2021. Das Unternehmen hatte damals einen Aktionärsbeschluss erhalten, der eine zusätzliche Berichterstattung über das Entwaldungsrisiko im Zusammenhang mit der Sojaproduktion forderte. Als das Management mit den größten Investoren des Unternehmens über dieses Thema sprach, zeigte sich der Vorstand gegenüber deren Forderungen aufgeschlossen und sprach sich für eine Empfehlung zugunsten des Aktionärsbeschlusses aus. Mit dieser Unterstützung erhielt der Beschluss schließlich eine hohe Zustimmung von 98% der abgegebenen Stimmen.

Das Beispiel Bunge zeigt, dass Vermögensverwalter – was die gesellschaftliche Verantwortung betrifft – eine aktive Rolle spielen und wie im Fall von Bunge durch Stewardship-Investing zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen können.

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*) Maria Elena Drew, Director Responsible Investing bei T. Rowe Price