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Gastbeitrag: Die Zukunft von Plastik aus Investmentperspektive

Strengere behördliche Auflagen und veränderte Verbraucherpräferenzen zwingen die Plastik- und Verpackungsindustrie zu Anpassungen. Vor allem bei Einwegkunststoffen sind Innovationsstrategien für die Vermeidung, Wiederverwendung und Zirkulation von Plastik Schlüsselbereiche der Reaktion der Branche auf den zunehmenden Druck. Diese Dynamik in die Investmentanalyse zu integrieren kann Risiken begrenzen und neue Chancen eröffnen.

Maria Elena Drew

In nur wenigen Jahrzehnten ist Kunststoff in seinen vielen Formen zu einem allgegenwärtigen Material im modernen Leben geworden. Doch seine zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten und seine wirtschaftlichen und praktischen Vorteile sind nicht ohne Kosten entstanden. Die chemische Zusammensetzung, der Ressourcenverbrauch und die inhärente Haltbarkeit von Kunststoffen bergen große Nachhaltigkeits- und Gesundheitsprobleme, die die Welt dringend lösen muss.

Entscheidend ist dabei, das Ausmaß dieser Probleme zu begreifen. Gleichzeitig gilt aber auch, den Nutzen des Materials zu berücksichtigen. Kunststoffe sind untrennbar mit der modernen Industrie verbunden und kommen den Verbrauchern auf der ganzen Welt zugute. Paradoxerweise sind sie auch die beste Lösung für andere Probleme im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit. Dazu zählen die Reduzierung von Lebensmittelabfällen, die Verringerung des Verpackungsgewichts, die Verbesserung von Hygienestandards und die Verlängerung der Lebensdauer von Baumaterialien.

Aus einer Investmentperspektive sollte sich die Nachhaltigkeitsdebatte auf die Neuausrichtung des Sektors konzentrieren. Innovationen sind nötig, um die Verwendung, Ersetzung und Veränderung von Kunststoffen zu einem weniger schädlichen Material zu fördern und schlussendlich die Entsorgung dieser Stoffe zu verändern.

Ein Überblick über das Kunststoffproblem
Die Verwendung von Kunststoffen hat seit den 1970er-Jahren rapide zugenommen, da Verbraucher und Industrie die wichtigsten Eigenschaften des Materials zunehmend zu schätzen wussten: Kunststoffe sind gut formbar, leicht, haltbar und billig. Allerdings wurde bei der Herstellung und Verwendung von Kunststoffen lange Zeit das Kernproblem unterschätzt, nämlich die Belastung am Ende des Lebenszyklus.

Die meisten Kunststoffe haben eine sehr kurze Lebensdauer, oft weniger als ein Jahr, wobei bis zu 95% des Verpackungsmaterials aus Kunststoff nach dem ersten Gebrauch entsorgt werden. Die meisten Einwegplastikabfälle landen aufgrund ihrer komplexen Struktur und der geringen Verwertungsmöglichkeiten auf Mülldeponien oder werden verbrannt. Zudem gelangen jährlich fast 13 Mio. Tonnen Plastikmüll in die Weltmeere; Kunststoffe verschmutzen lebenswichtige Ökosysteme und dringen in die menschliche Nahrungskette ein. Da es bis zu 450 Jahre dauert, bis sich Plastik biologisch abbaut, sind die Auswirkungen unsachgemäßer Entsorgung auf die Umwelt erheblich.

Regierungen und Verbraucher erzwingen ein Umdenken
Es überrascht daher nicht, dass Regulierungsbehörden und zunehmend umweltbewusste Verbraucher Maßnahmen fordern. Viele Regierungen auf der ganzen Welt führen neue Vorschriften ein und verpflichten sich zu verbindlichen Zeitplänen, um das Plastik-Problem in den Griff zu bekommen. Regulierungsmaßnahmen zielen in der Regel auf die Verringerung von Einwegkunststoffen ab und fördern ein verstärktes Recycling oder Innovationen im Hinblick auf alternative Lösungen.

Die Verbraucher sind ein weiterer wichtiger Impulsgeber für Veränderungen. Die Hälfte der Unternehmen aus dem Bereich Haushalts- und Körperpflege (HPC) im MSCI All Countries World Index (ACWI) hat beispielsweise angegeben, dass die Besorgnis der Verbraucher über den ökologischen Fußabdruck ihrer Einkäufe eine Motivation zur Verbesserung der Produktnachhaltigkeit war.

Die Antwort der Industrie
Angesichts des vielfältigen Drucks steht die Verpackungsindustrie in den Industrieländern vor erheblichen Umwälzungen. Einwegkunststoffe sind ein Hauptschwerpunkt, der durch alternative Ersatzstoffe (Papier, Aluminium, Glas etc.) sowie innovative neue Materialien wie Biokunststoffe direkt herausgefordert wird.

Da Kunststoffe viele Vorteile und weit verbreitete praktische Anwendungen bieten, ist es allerdings unrealistisch, sich auf eine einfache Abschaffung zu konzentrieren. Es gibt eine Reihe von Lösungswegen, die Unternehmen einschlagen, um sich an das veränderte Umfeld anzupassen. Innerhalb des HPC-Sektors, der seit jeher ein bedeutender Hersteller und Anwender von Einwegkunststoffen (insbesondere für Verpackungen) ist, lassen sich drei Hauptkategorien für die Reaktion der Industrie identifizieren: Vermeidung, Wiederverwendung und verbesserte Zirkulation.

Diverse führende Unternehmen der HPC-Branche wollen ihre Verpackungen bereits zwischen 2025 und 2030 vollständig überarbeitet haben. Viele haben auf die veränderten Verbraucherpräferenzen bereits reagiert, indem sie auf alternative Materialien wie Aluminium oder Papier umgestiegen sind.

Die Bemühungen zur Plastik-Einsparung beinhalten in der Regel die Entfernung von Verpackungskomponenten, die für den Schutz der jeweiligen Ware nicht wesentlich sind. So haben 15 der 36 HPC-Unternehmen im MSCI ACWI erwähnt, dass sie unnötige Tertiärverpackungen wie Umverpackungen, Plastikfolien, die eine Umverpackung umhüllen, und sekundäre Plastikverpackungen in Mehrstückpackungen eliminieren. Leichtgewichtigkeit ist ein weiterer verbreiteter Trend; über 50 Prozent der HPC-Unternehmen im MSCI ACWI haben den Kunststoffverbrauch durch Gewichts- und Volumenreduzierung deutlich verringert.

Was die Wiederverwendungsstrategien angeht, so bieten 18 HPC-Unternehmen im MSCI ASCWI inzwischen nachfüllbare Produkte an. Eine weitere gängige Strategie ist ein Abonnementdienst, der wiederverwendbare Behälter einsetzt.

Während einige Unternehmen Konzepte zur Vermeidung oder Wiederverwendung von Plastik entwickeln können, ist dies für etliche andere nicht möglich. Der Lebensmittelsektor zum Beispiel ist schon im Bereich der Lieferketten auf Kunststoffverpackungen angewiesen, um die Frische der Produkte zu erhalten und so Abfall zu vermeiden – ebenfalls ein wichtiges Nachhaltigkeitsziel. Die Lösung liegt hier in einem verbesserten Verpackungskreislauf, konkret in einer Erhöhung der Wiederverwendbarkeit, Verwertbarkeit oder Kompostierbarkeit von Verpackungen und einer verstärkten Verwendung von recyceltem Material an Stelle neuer Kunststoffe.

Die Analyse des HPC-Sektors zeigt, dass die größten Fortschritte bei der Verbesserung des Materialkreislaufs erzielt wurden. Ein hoher Prozentsatz der HPC-Unternehmen arbeitet aktiv daran, Verpackungen wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar zu machen. Ziel ist, bis 2025 eine Wiederverwertungsquote von 100% als Industriestandard zu etablieren.

Nicht nur bei den HPC-Unternehmen lassen sich die potenziellen Vorteile einer geringeren Kunststoffproduktion und -verwendung beobachten. Lieferanten, die nachhaltige Alternativen zu neuen Kunststoffverpackungen anbieten, wie etwa Unternehmen, die Verpackungen aus Papier beziehungsweise Fasern und Aluminiumdosen herstellen, werden wahrscheinlich ebenfalls einen Anstieg der Nachfrage verzeichnen. Gleichzeitig dürften zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Sammeln, Sortieren und Recyceln von Kunststoff entstehen.

Recycling bleibt eine Herausforderung
Allerdings bleibt die Verwendung von recyceltem Kunststoff in Produktverpackungen eine schwierigere Aufgabe, als Verpackungen einfach wiederverwendbar oder kompostierbar zu machen. Die für ein effizienteres Recycling von Kunststoffen erforderlichen Sammelressourcen und Infrastrukturen sind derzeit nicht vorhanden. Bis vor kurzem machten zudem die niedrigen Ölpreise recycelten Kunststoff auch wirtschaftlich weniger attraktiv.

Wie die Welt mit dem Problem des Plastikmülls umgeht, ist auch für Investoren von zunehmender Bedeutung. Zu erwarten ist, dass sich der Bereich der Einwegkunststoffe im kommenden Jahrzehnt radikal verändern wird, da die Unternehmen zunehmend alternative Materialien (Papier, Aluminium, Glas usw.) entwickeln und verwenden werden. Absehbar sind zudem Innovationen in Richtung besserer, weniger schädlicher Kunststoffe (Biokunststoffe usw.) und neue Wege, insgesamt weniger Verpackungsmaterial zu verwenden.

Branchen und Unternehmen, die sich auf ein neues und nachhaltigeres Paradigma einstellen, dürften am besten aufgestellt sein, um von den aktuellen Umwälzungen zu profitieren. Hierzu zählen insbesondere innovative Lösungen für einen effizienten Einsatz von Kunststoffen, ihre Wiederverwertung und die Entwicklung von alternativen Materialien.

Aus Investorensicht gilt es, entsprechende Aspekte in die Analyse von Unternehmen zu integrieren und zu bewerten, inwieweit ihre Anstrengungen in Richtung einer langfristig nachhaltigen Verwendung von Kunststoffen geeignet erscheint, künftige Risiken für ihre Geschäftsmodelle zu vermeiden und stattdessen Chancen zu eröffnen.

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*) Maria Elena Drew, Research Director für Responsible Investing bei T. Rowe Price