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„Der große Trend im Faktor Timing ist auf Signale zu setzen, die aus dem Finanzmarkt selbst herauskommen“

IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Josef Zechner, wissenschaftliche Leitung des IQAM Research Centers und Professor of Finance, Institute for Finance, Banking and Insurance, WU Wirtschaftsuniversität Wien, über Faktor Timing in Krisenzeiten und welche Kombinationen dabei das größte Potenzial haben.

Prof. Josef Zechner (Bildrechte: IQAM Invest)

IPE D.A.CH: Zwischenzeitlich schien es, dass das Faktor Investing Opfer des eigenen Erfolgs wird, Stichwort Faktor Zoo. Wie haben Sie die letzten Jahre gesehen?
Zechner: Zunächst einmal sind die Erkenntnisse des Faktor Investings ganz sicher die wichtigste Entwicklung seit dem Beginn der „modernen Portfoliotheorie“ in den 1960er Jahren mit Markowitz und Sharpe. Der Erfolg hat allerdings je nach Studie bis zu 300 Faktoren zu Tage gefördert, hier wird in der Tat immer wieder von einem Faktor Zoo gesprochen. Interessant ist allerdings die Frage nach der Robustheit der Faktoren, viele haben über die Zeit gar keine Risikoprämie verdient.

IPE D.A.CH: Ist damit Timing der eigentliche Faktor?
Zechner: Es wird in der Tat untersucht, ob es bestimmte Phasen gibt in denen Faktoren unterschiedlich performen, nehmen Sie beispielsweise den Faktor Value bis 2021, wo jahrelang kaum Mehrwert erzielt werden konnte. Wir sprechen hier von zeit-variierenden Faktorprämien.

IPE D.A.CH: Was sind die Erkenntnisse?
Zechner: Zunächst deutet intuitiv viel darauf hin, dass die Performance von den wirtschaftlichen Makrodaten abhängt. Makrodaten sind allerdings langsam, sie kommen erst mit Zeitverzögerung an den Markt und werden zudem auch oft revidiert. Es bleibt zudem die Schwierigkeit, die Dynamik des Konjunkturzyklus zu prognostizieren. In der Folge ist es nur fair zu sagen, dass solche Makro Timing Signale letztlich nicht gut funktionieren.

IPE D.A.CH: Wie kann es dann klappen?
Zechner: Der große Trend im Faktortiming ist daher auf Signale zu setzen, die aus dem Finanzmarkt selbst herauskommen. Wir sprechen hier vom Emissionsverhalten von Unternehmen, von den unterschiedlichen Volatilitäten am Markt und letztlich auch dem Renditeverhalten. Eine saubere Messung ist dabei unabdingbar!

IPE D.A.CH: Sie selbst haben wissenschaftlich untersucht, wie erfolgreich solche Modelle zum Faktor Timing funktionieren, was ist Ihr Resümee?
Zechner: Ich muss zunächst etwas auf den Prozess dahin eingehen. Wir hatten uns entschlossen die Faktoren selbst wie auch die Timing Signale in einer möglichst breiten Gesamtheit anzusehen. Dabei haben wir die Timing Signale in sechs Kategorien eingeteilt: Momentum, Volatilität, Bewertungsspanne, Charakteristikspanne, Reversal und Issuer-Purchaser-Spread. Auf die Details der einzelnen Kategorien einzugehen würde den Umfang des Gesprächs sprengen, aber am Ende zeigte unsere Untersuchung, dass die Signale Momentum und Volatilität am robustesten sind.

IPE D.A.CH: Hat Sie das Ergebnis überrascht?
Zechner: Nicht unbedingt dass die beiden genannten tatsächlich robust sind. Allerdings hätte ich den anderen Signalen auch zugetraut, dass sie eine gute ökonomische Intuition haben. Insofern war die Pointierung durchaus eine Überraschung.

IPE D.A.CH: Heißt Faktor Timing dann in den anderen Fällen, dass es sogar zu einer Risikoerhöhung kommt?
Zechner: Das ist in der Tat häufig der Fall. Nur die Volatilitätssignale sowie drei der alternativen Momentum-Signale sind hier die Ausnahme und führen überwiegend zu statistisch signifikant verbesserten Sharpe Ratios.

IPE D.A.CH: Wie lässt sich das Konzept in der Praxis nutzen, wie ist es real bei der IQAM Invest im Einsatz?
Zechner: Es wird Sie nicht wundern, dass angesichts der beschriebenen Forschungsergebnisse die Faktor-Timing-Signale Faktor-Momentum und Faktor-Volatilität zum Einsatz kommen. Davor geschaltet ist ein Prozess, in dem zunächst einmal bestimmte Unternehmen über Filter wie z.B. Nichterfüllung von ESG-Standards oder eine zu hohe Verschuldung ausgeschlossen werden. Die verbliebenen Titel werden nach den bei uns definierten und bevorzugten Faktorcharakteristika Quality, Value und Sentiment einem Scoring unterzogen.

IPE D.A.CH: …mit dem Einsatz der Timing Signale?
Zechner: Genau, die Gewichtung der drei genannten Faktoren erfolgt dynamisch über das vergangene Momentum des jeweiligen Faktors sowie über die Volatilität der vergangenen Faktorrenditen. Tatsächlich können wir mit unserer Performance – die stabil über jener der MSCI-Benchmarks liegt – zeigen, dass gerade in Krisenzeiten der Einsatz von Timing Signalen beim Faktor Investing nochmals einen deutlichen Mehrwert generiert.

IPE D.A.CH: Wie ist dann aktuell die Gewichtung der eingesetzten Faktorcharakteristika Quality, Value und Sentiment?
Zechner: Bereits ab dem Frühjahr 2021 zeigte unser Modell eine stärkere Gewichtung des Faktors Value an, seit März vergangenen Jahres sogar eine 100% Gewichtung!

IPE D.A.CH: Wie lässt sich das Projekt Faktor Timing fortführen, geben Sie uns einen Ausblick?
Zechner: Ich sehe ganz klar den Mehrwert der Faktor Timing Signale, hier macht es meines Erachtens wesentlich mehr Sinn weiterzuforschen, als bei den Faktoren selbst. Die vielen bereits dokumentierten Timing Signale mit verschiedenen Regularisierungsmethoden auf wenige robuste Komponenten zu verdichten, auch unter Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens, finde ich sehr spannend. Eine Schwierigkeit hier ist allerdings die entsprechende Datenqualität für die Vielzahl an möglichen Signalen zu bekommen.

IPE D.A.CH: Besten Dank für diese Einblicke.