IPE D.A.CH: Herr Thürmer, Sie haben 2025 bereits zum fünften Mal in Folge Ihre jährliche Studie durchgeführt. Welche neuen Erkenntnisse bei Anlagen in Immobilien und Alternativen konnten Sie in den Gesprächen mit institutionellen Investoren gewinnen?
Thürmer: Auch 2025 durften wir 52 Teilnehmer nach den aktuellen Anlagebedürfnissen befragen, die insgesamt 1,03 Billionen Euro an Kapitalanlagen verwalten. Unter den Teilnehmern dominierten die Unternehmen der Assekuranz sowie die Altersvorsorgeunternehmen, welche 60% ausmachten. Es waren aber auch Stiftungen, Kirchen, Industrieunternehmen, Family Offices sowie Banken und Sparkassen unter den Befragten. 14% der Anleger wollen demnach 2025 ihre Immobilienquote ausbauen. 2024 waren es nur noch fünf Prozent, was einem deutlichen Absturz gegenüber den 2023er Werten von 31% entsprach. Bei den favorisierten Nutzungsarten liegen Wohnimmobilien mit 60% weit vorne. Die starken Preisrückgänge der vergangenen Jahre sowie die derzeit aktuellen Rahmenbedingungen sind gute Kaufargumente. Man setzt aufgrund der wirtschaftlich rezessiven vergangenen drei Jahre eher auf konjunkturunabhängige Nutzungsarten. In diesem Marktumfeld haben es Gewerbe- und Betreiberimmobilien weiterhin schwer.
77% der befragten Studienteilnehmer wollen 2025 ihre Positionen bei Alternative Investments ausbauen. Dies entspricht einem deutlichen Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Besonders favorisiert werden Infrastrukturinvestments sowie immer noch Erneuerbare. Mit einigem Abstand folgen Private Debt und Private Equity. Auffallend sind aber veränderte Bedürfnisse innerhalb der Assetklassen Infrastruktur und Erneuerbare. Bei Infrastruktur war man vor gar nicht so langer Zeit noch stark auf den Sektor Energie fokussiert. Mittlerweile ist der Wunsch nach einer breiteren Diversifikation erkennbar. Themen wie Verkehr und Digitalisierung holen derzeit kräftig auf. Bei Erneuerbaren ist die Bereitschaft, auch teilweise in Projektentwicklungen zu investieren, ausgeprägter als in den Vorjahren. Im Vordergrund stehen dabei nicht nur Renditegesichtspunkte, sondern eben auch Nachhaltigkeitsaspekte. Nachhaltigkeit wird mittlerweile als selbstverständlich angesehen. Impact Investing, also das wirkungsorientierte Investieren, bleibt allerdings eher ein Nischenthema.
IPE D.A.CH: Laut Ihrer Studie planen 50% der institutionellen Anleger in Deutschland energetische Sanierungen in ihrem Immobilienbestand. Ist diese Zahl für Sie enttäuschend? Darf es in Zeiten, in denen der Begriff „Nachhaltigkeit“ so oft verwendet wird, nicht etwas mehr sein?
Thürmer: Auf den ersten Blick mögen die 50% vielleicht enttäuschen, aber im internationalen Vergleich nimmt dieser Wert durchaus eine Spitzenstellung ein. Es kann auch nicht jede Immobilie energetisch saniert werden. In der Regel betreffen die Sanierungen Wohnbestände. Gewerbliche Objekte wie Büros oder Handelsimmobilien sind bis heute nicht sonderlich langlebig und werden bei veränderten Marktbedürfnissen oft durch Neubauten mit nachhaltigerer Ausstattung ersetzt. Unter Berücksichtigung und Umsetzung dieser Fakten könnte sich der institutionelle Immobilienbestand in Deutschland auf Sicht der nächsten fünf bis zehn Jahre komplett wandeln und europaweit eine Benchmark setzen.
IPE D.A.CH: Investieren Institutionelle noch in Zukäufe nicht-energetisch sanierter Liegenschaften?
Thürmer: Diese Frage wird derzeit intensiv und teilweise kontrovers bei institutionellen Investoren diskutiert. Ein Kaufvotum hängt nicht allein vom Akquisiteur, sondern auch vom Portfolio- und Risikomanagement sowie den Nachhaltigkeitsbeauftragten ab, deren Einfluss bei dieser Fragestellung deutlich zugenommen hat. Derzeit wollen nach unseren Umfrageergebnissen 20% solche Zukäufe weiter umsetzen, 30% lehnen dies ab und 50% sind nicht festgelegt bzw. machen eine Entscheidung vom jeweiligen Objekt, vom Standort oder von der Nutzungsart abhängig.
IPE D.A.CH: Gewerbliche Immobilien, insbesondere Büroliegenschaften, durchleben schwere Zeiten. Ihre Ergebnisse unterscheiden sich kaum von Analysen anderer Marktakteure. Wie bewerten Sie aktuell die Situation?
Thürmer: Büroimmobilien waren bei institutionellen Investoren bis vor 20 Jahren mit über 80% die wichtigste Nutzungsart im Portfolio. Dann begannen viele Investoren nach Nutzungsarten breiter zu diversifizieren, um Risiken zu minimieren und Gesamtportfoliorenditen zu optimieren. Das hat sich auch auf die Neubautätigkeit ausgewirkt. Über 75% der Büroimmobilien gelten heute als veraltet. Fast 60% der Liegenschaften in Deutschland sind über 30 Jahre alt und weniger als zehn Prozent wurden in den vergangenen Jahren neu errichtet. Ein Großteil der Bürobestände muss modernisiert werden, um den derzeitigen Umweltstandards zu entsprechen. Umgekehrt sind attraktive Neubauflächen in sehr guten Lagen bei Investoren und Mietern weiter gefragt, was zu hohen Mieten, niedrigen Leerständen und langfristig stabilen Bewertungen führen kann. Im Prinzip kann man sagen, dass gute Lagen mit alten Objekten zu kämpfen haben und Neubauprojekte in der Peripherie nicht immer zielführend sind. Institutionelle Anleger haben das Problem erkannt und sind dabei, diese strukturellen Probleme anzugehen. Langfristig kann der Büroimmobilienmarkt dann wieder mehr Nachfrage generieren.
IPE D.A.CH: Welche Bedeutung haben nach den starken Korrekturen der vergangenen Jahre eigentlich noch Private Debt-Anlagen?
Thürmer: Bei Private Debt-Anlagen geht es um Immobilien-, Infrastruktur- und Unternehmensfinanzierungen. Die von Ihnen angesprochenen Korrekturen, also Abschreibungen und Wertberichtigungen, betrafen in den letzten zwei Jahren hauptsächlich das Immobiliensegment, analog zu den Preisveränderungen der Immobilienmärkte und dem starken Anstieg der Baustoffpreise. Hier scheint aber der Tiefpunkt erreicht zu sein. Erste institutionelle Anleger gehen auf Schnäppchenjagd, da sie bei den Wertberichtigungen auf einen Umkehreffekt setzen. Der breite Markt wird womöglich erst in ein bis zwei Jahren Aufstockungen tätigen. 36% aller von uns befragten Anleger denken grundsätzlich über Aufstockungen im Private Debt-Bereich nach. Besonders Unternehmensfinanzierungen stoßen derzeit auf großes Interesse, während Infrastruktur- und Immobilienkredite etwas hinterherhinken.
IPE D.A.CH: Wie beurteilen Sie langfristig die Aussichten der Assetklasse Private Debt?
Thürmer: Banken werden aufgrund der Basel IV-Vorgaben weiter ihr Kreditengagement reduzieren. Dies gilt hauptsächlich für Immobilienfinanzierungen, aber teilweise auch für Unternehmensfinanzierungen. Die Legislative sowie die Aufsichtsbehörden schaffen aber für Unternehmen der Assekuranz sowie für Altersvorsorgeeinrichtungen neue Perspektiven, denn die Eigenkapitalhinterlegung nach Solvency II ist bei Fremdkapitaleinsatz für Versicherungen deutlich niedriger als bei Engagements in Eigenkapitalvehikel. Unternehmen, welche der Anlageverordnung (AnlV) unterliegen, also beispielsweise Altersvorsorgeeinrichtungen, können seit Februar des Jahres im Rahmen der neugeschaffenen „Infrastrukturquote“ nun zusätzlich in Eigen- und Fremdkapitalpositionen investieren. Das Marktwachstum wird dadurch enorm beschleunigt, denn im Vergleich zu angelsächsischen Märkten hat Deutschland noch hohen Nachholbedarf.
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de
Sebastian Thürmer ist geschäftsführender Gesellschafter der artis Institutional Capital Management GmbH in Frankfurt am Main. artis ist ein unabhängiger Placement Agent und Consultant für institutionelle Anleger in der D-A-CH-Region mit der ausschließlichen Ausrichtung auf Immobilien und Alternativen Investments. Seine Schwerpunkte sind die Eigenkapitalgenerierung für Produktinitiatoren sowie die Allokationsberatung für institutionelle Investoren.
Die Studie „Präferenzen institutioneller Anleger bei Immobilien und Alternativen Investments 2025“ kann digital unter info(at)artis-icm.de angefordert werden. Institutionellen Investoren wird die Studie kostenfrei zur Verfügung gestellt.
„77% der befragten Studienteilnehmer wollen 2025 ihre Positionen bei Alternative Investments ausbauen“

Sebastian Thürmer (oben) sprach mit Markus Hill über die aktuelle Studie "Präferenzen institutioneller Anleger bei Immobilien und Alternativen Investments"
