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Kommentar: Nachhaltige Aktien aus den Emerging Markets – Herausforderungen und Chancen

Die Umgestaltung zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist ein globaler Trend, dessen Notwendigkeit nicht nur von Industriestaaten, sondern auch von den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern anerkannt wird. Ausdruck davon ist das Klimaabkommen von Paris, das bis dato von fast allen Staaten der Erde ratifiziert wurde. Seit dem Inkrafttreten der Pariser Klimaziele ist ein internationaler Wettbewerb zur Erreichung der Klimaziele losgetreten worden. So hat sich China das Ziel gesetzt, bis 2060 klimaneutral zu werden. Indien strebt die Klimaneutralität bis 2070 an. Die Europäische Union hat sich mit dem European Green Deal einen Fahrplan auferlegt, um bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden.

Jens Pludra

Dass Nachhaltigkeit ein Thema ist, das alle angeht, zeigt sich an den Folgen des Klimawandels, der vor keiner Landesgrenze Halt macht. Vor allem größere Schwellenländer wie China und Indien stehen vor der Herausforderung, dass sie jeweils über eine hohe Bevölkerungszahl verfügen und gleichzeitig auf dem Weg zu einer Wohlstandsgesellschaft sind. Jedoch weisen viele Schwellenländer auch beste Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft wie eine junge, anpassungsfähige Gesellschaft auf.

Für nachhaltig orientierte Investoren, die gezielt in nachhaltige Aktien aus Schwellenländern investieren wollen, ergeben sich viele Herausforderungen, aber auch Chancen. So stellt sich die Frage, inwieweit Aktien aus Schwellenländern nachhaltige Kriterien – auch auf der sozialen und Governance-Ebene – erfüllen können. Auf der anderen Seite können Anleger durch die Anlage in ESG-Aktien aus Schwellenländern von den hohen Wachstumschancen in den Emerging Markets und dem globalen Trend zur Nachhaltigkeit profitieren.

Herausforderungen bei der Selektion von ESG-Aktien aus Schwellenländern
Eine oftmals bemängelte Hürde für nachhaltige Investments in Schwellenländern ist die vermeintlich mangelhafte Datenlage. Denn um eine Aktie als nachhaltig zu bewerten, bedarf es zuverlässiger Unternehmensdaten und -informationen wie zum Beispiel zum Ressourcenverbrauch, CO2-Emissionen oder Gleichstellung der Geschlechter innerhalb des Unternehmens. Jedoch können nicht alle Unternehmen aus den Emerging Markets über einen Kamm geschert werden. So gibt es hier immer mehr Unternehmen, die die heutige Bedeutung von Nachhaltigkeit erkannt haben und anstreben, ihre Nachhaltigkeitsstrategie und gelebte Nachhaltigkeits-Praxis möglichst transparent gegenüber den internationalen Investoren zu kommunizieren. Ein wesentlicher Treiber für die Allokation von Investments in nachhaltige Aktien- oder Anleiheemittenten und eine breitflächige zuverlässige ESG-Berichterstattung ist die Regulierung. Auch hier gibt es schon gute Fortschritte. So hat beispielsweise die chinesische Zentralbank im Jahr 2021 mit den „Guidelines on Environmental Information Disclosure for Financial Institution“ das erste Regelwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erlassen. Dass selbst in den entwickelten Märkten die Regulierung der Nachhaltigkeit in der Finanzbranche noch in den Kinderschuhen steckt, zeigt sich in der Europäischen Union. So sorgt die derzeitige Ausarbeitung der EU-Taxonomieverordnung und in diesem Zusammenhang die Definition nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten für viel Diskussionsstoff.

Die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist auch mit hohen Investitionen verbunden. Eine CO2-neutrale und ressourcenschonende Wirtschaftsweise erfordert Investitionen in vielen Bereichen – von der Energienutzung bis zum Recycling von Ressourcen. Viele Schwellenländer weisen zwar Ansätze einer Marktwirtschaft auf, aber kämpfen auch mit den Problemen der Vergangenheit wie höherer Armut, Ungleichheit und daraus folgend Korruption oder hoher Kriminalität. Unternehmen aus den Schwellenländern sind ebenso den makropolitischen Rahmenbedingungen ausgesetzt, aber verfügen, sofern sie nicht politisch kontrolliert sind, über mehr Spielraum, ökologische, soziale und Governance-bezogene Nachhaltigkeit umzusetzen. Gerade hier können Investoren die Spreu vom Weizen trennen: nur Unternehmen, die finanziell gut aufgestellt sind, können sich eine nachhaltige Wirtschaftsweise und die damit verbundenen Investitionen leisten.

Chancen von ESG-Aktien aus den Schwellenländern
Durch die Anlage in ESG-konforme Aktien aus den Schwellenländern können Investoren gleich mehrere Ziele erfüllen. Zum einen können sie an den guten Wachstumsperspektiven der Schwellenländer partizipieren. Hier sind die Märkte noch nicht saturiert und eine vorwiegend junge Bevölkerung hat hohen Bedarf an den unterschiedlichsten Produkten und Dienstleistungen. Dies drückt sich auch in hohen Renditechancen, wenn auch bei höherem Risiko, aus. Darüber hinaus können Anleger durch ESG-Aktien aus Schwellenländern ihr Portfolio diversifizieren. So unterliegen viele Schwellenländer ihren eigenen Wachstumstreibern. Viele verfügen über bedeutende Rohstoffreserven, die auch für eine nachhaltige Wirtschaft von Bedeutung sind. So stammen Rohstoffe, die für den E-Auto-Antrieb essentiell sind, größtenteils aus Schwellenländern. Zum Beispiel wird für die Batterie eines Elektroautos Nickel verwendet, das mit einem Anteil weltweit von einem Drittel in Indonesien gefördert wird. Schließlich können Anleger mit ESG-Aktien aus den Emerging Markets ihr Bedürfnis nach Nachhaltigkeit befriedigen. Unternehmen, die Vorreiter in Sachen ESG sind und damit die Nachhaltigkeit in ihrem Land vorantreiben, werden vom Kapitalmarkt bevorzugt.

Wie eine nachhaltige Anlagestrategie in den Schwellenländern aussehen kann, lässt sich am nachhaltigen Index-Fonds WI Global Challenges Emerging Markets  veranschaulichen. Dieser bildet nahezu identisch den am 5.7.2022 neu aufgelegten Global Challenges Index Emerging Markets der Börse Hannover ab. Diese einfach nachzuvollziehende und transparente Anlagestrategie resultiert in niedrigen Kosten für den Fonds. Dies tut dem Fonds in Sachen Nachhaltigkeit jedoch keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: das Portfolio aus 50 bis 100 (aktuell 100) Unternehmen aus den Schwellenländern wird in einem mehrstufigen Selektionsprozess zusammengestellt. Neben dem Ausschluss- und Best-in-Class-Prinzip auf Basis der Bewertung durch die Nachhaltigkeits-Researchagentur ISS ESG kommt noch eine weitere Ebene der Nachhaltigkeit zum Tragen: Es wird geprüft, inwiefern die Unternehmen bzw. ihr Kerngeschäft einen aktiven und substanziellen Beitrag zu der Bewältigung der globalen Herausforderungen leisten. Bei der Definition der globalen Herausforderungen orientiert sich der Index insbesondere an den von der UN und der EU definierten Handlungsfeldern Armut, Klimawandel, Trinkwasser, Wälder, Artenvielfalt, und Bevölkerungsentwicklung. Zudem müssen die Unternehmen hohe Anforderungen bezogen auf die Corporate Governance einhalten. Ein unabhängiger, hochkarätig besetzter Expertenbeirat steht bei der Definition der Nachhaltigkeitskriterien und der Auswahl der Titel beratend zur Seite.

Chancen überwiegen
Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der auch Schwellenländer erfasst hat. Anleger können mit nachhaltigen Aktien aus den Emerging Markets an diesem Trend teilhaben und von einem breit gestreuten Portfolio profitieren. Natürlich gibt es für Anleger in diesem Bereich auch noch Hürden wie eine mangelhafte Datenlage sowie wirtschaftliche und politische Probleme. Doch Unternehmen haben hier mehr Spielraum und nur diejenigen, die ausreichend Informationen zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie liefern und über genug Finanzkraft verfügen, um Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaftsweise tätigen zu können, werden überhaupt erst für das Portfolio berücksichtigt. Die gegenwärtigen Herausforderungen in der Investmentfondsbranche wie Greenwashing verdeutlichen, dass auch Industrieländer in Sachen Nachhaltigkeit noch Verbesserungspotenzial haben. Anleger sollten den Emerging Markets also aufgeschlossen gegenüberstehen.

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*) Jens Pludra, Fondsmanager des WI Global Challenges Emerging Markets Index-Fonds