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„Interessant wird es ab 2022, wenn KVGs die Nachhaltigkeit bzw. den Impact messen und belegen müssen“

Die FiNet Asset Management AG hat 2018 den aktiven, nachhaltigen Robo-Advisor vividam gestartet und ist seither mit Fragen zur Transparenz und des Greenwashings befasst. Portfoliomanager Frank Huttel erklärt, wie sein Haus damit umgeht und was 2022 an neuen Regelungen auf die Branche zukommt.

Frank Huttel (© Tanja Cammerlander)

Hedgework: Herr Huttel, die FiNet Asset Management hat im Dezember 2018 den nachhaltigen Robo Advisor vividam gestartet. Was sind Ihre Erfahrungen bislang?
Huttel: Es ist für einen Nischenanbieter im Bereich der digitalen Geldanlage anfangs sehr schwer, sich einen Namen und Reputation aufzubauen. Hier haben wir als klassischer Vermögensverwalter einiges gelernt. Aber das hat sich seit bzw. mit Corona im März letzten Jahres deutlich geändert. Nicht nur, dass Nachhaltigkeit kein Nischenthema mehr ist, sondern auch, dass die Wertentwicklung von nachhaltigen Fonds in 2020 in der Regel besser war, als die von konventionellen Produkten. Unser ausschließlich nachhaltiger Robo-Advisor vividam konnte davon profitieren und eine Outperformance gegenüber den Benchmarks erzielen. Nicht nur dank der Wertentwicklung entwickelt sich das Volumen für unsere Verhältnisse inzwischen sehr dynamisch. Wir können nach etwa zweieinhalb Jahren inzwischen behaupten, dass wir kein Nobody mehr sind, auch wenn wir der Exot unter den rund 40 Anbietern in Deutschland sind. Aber das macht es sehr spannend.

Hedgework: In welchen Varianten ist vividam erhältlich?
Huttel: vividam ist ursprünglich im Dezember 2018 mit drei rein nachhaltigen Strategien gestartet, die sich hauptsächlich in der Aktienfondsquote unterscheiden. Die Strategie „zaghaft“ hat eine Aktienfondsquote von 30%, bei „gelassen“ steigert diese sich auf 50% und bei „weitblickend“ beträgt die Aktienfondsquote 70%. Auf Kunden- und Beraterwunsch haben wir dann im Juli 2019 den „Klippenspringer“ nachgelegt. Beim Namen handelte es sich erst nur um einen Arbeitstitel, der uns aber immer besser gefallen hat. Er sagt nämlich alles – 100% nachhaltige und teils themenbasierte Aktienfonds für AnlegerInnen, die lange anlegen wollen und das Adrenalin der Märkte spüren möchten.

Hedgework: Wie viele Mittel verwalten Sie inzwischen damit und wie ist der bisherige Anlagerfolg der vier Strategien?
Huttel: Wir haben im Mai die Marke von 10 Mio. Euro überschritten und das Volumen seit Jahresbeginn verdoppelt. Das mag im Vergleich zu den großen Anbietern im Markt wenig sein, aber Größe ist aus unserer Sicht nicht ausschlaggebend. Wir haben eine schlanke Kostenstruktur und sind deutlich früher profitabel als viele andere Anbieter. Es gab ja schon Häuser, die mit größeren Volumina den Geschäftsbetrieb eingestellt haben. Wir setzen zwar auch auf Social Media, arbeiten aber von Anfang an hauptsächlich mit Beratern bzw. „Zuführern“, die uns Kunden zuführen. Daher bezeichnen wir uns auch als hybriden bzw. B2B2C-Robo-Advisor.

Hedgework: Und der Anlagerfolg?
Huttel: Die Performance in 2020 war aus unserer Sicht herausragend. So konnte die Strategie „gelassen“, die wir auch vividam 50 nennen, 11,84% vor VV-Gebühren von 1,29% erzielen (Anmerkung der Redaktion: die Gebühr wurde inzwischen auf 1,18% reduziert). Wir sind auch bei einigen Echtgeldvergleichen von Portalen wie brokervergleich.de oder geldanlage-digital.de aufgeführt, wo die Performance nach allen Kosten und Steuern veröffentlich werden. Auch dort sind wir ganz oben in den Ranglisten und vor den meisten konventionellen und oftmals „günstigen“ Anbietern. Aber ich will hier kein Konkurrenten-Bashing betreiben.

Hedgework: Weshalb haben Sie sich für die nachhaltige Ausrichtung entschieden?
Huttel: Wir haben schon seit 2014 nachhaltige, analoge Vermögensverwaltungs-Strategien im Programm. Mit der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung und dem Erfolg einiger Robo-Advisor haben wir beschlossen, uns ebenfalls mit dem Thema zu beschäftigen. Da wir aber kein Me-too-Produkt lancieren wollten, haben wir uns für die vermeintliche Nische entschieden. Dass dieser Schritt nicht falsch war, sieht man daran, dass die meisten Anbieter nun auch auf diesen Zug aufspringen. Konkurrenz belebt das Geschäft! Inzwischen ist klar, dass Nachhaltigkeit in der Finanzbranche das neue Normal ist.

Hedgework: Was bedeutet Nachhaltigkeit in der täglichen Anlagepraxis und wie unterscheidet sich diese von konventionellen Robos?
Huttel: Unsere Hausaufgaben haben wir ja schon länger gemacht. Der Entschluss, nachhaltig zu investieren mit dem Ziel, eine positive Wirkung (Impact) zu erzielen, ist umgesetzt. Hier orientieren wir uns an den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen, den sogenannten SDGs. Da wir grundsätzlich Buy&Hold-Investoren sind, betreiben wir kein Markttiming und tauschen Fonds eher selten aus. Es gilt allerdings, die bestehenden Fonds regelmäßig zu monitoren, ob diese unseren Ansprüchen noch genügen. Strategisch suchen wir nach Themen, in die man künftig investieren kann, um das Portfolioprofil noch zu schärfen. Man denke hier beispielsweise an das Thema Wasserstoff, wo wir aber noch nicht investiert sind. In 2020 wäre es sicherlich gut gewesen, aber dieses Jahr korrigieren die Titel teils deutlich. Es ist nun an uns, ob und wann wir solch ein Thema allokieren. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu konventionellen und anderen nachhaltigen Angeboten. Wir suchen nach Themen, die die 17 UN-SDGs unterstützen und setzen dies mit aktiven, liquiden Fonds um. ETFs meiden wir eigentlich, da die Geiz-ist-geil-Mentalität aus unserer Sicht nicht zur Nachhaltigkeit passt. Dennoch haben wir vor Kurzem erstmals einen sehr spezialisierten ETF im Bereich Ernährung in der Klippenspringer-Strategie allokiert.

Hedgework: Haben Sie auch getestet, was Ihr Ansatz für die Performance bedeutet?
Huttel: Zunächst möchte ich noch betonen, dass wir uns neben dem Tagesgeschäft sehr viel mit dem Thema „Messung der Wirkung“ und dem Reporting, das ab 2022 verpflichtend wird, beschäftigen. Hier liegen einige Herausforderungen vor uns. Und bezüglich des Erfolgs sehen wir ja, dass die Wertentwicklung unserer vier Strategien gegenüber einer konventionellen Benchmark besser ist. Das gilt zwar nicht für jedes Jahr, aber es war 2020 sehr deutlich zu sehen. Und dabei gehen wir keine Klumpenrisiken ein. Betrachtet man verschiedene Indizes von MSCI, so sieht man, dass deren ESG- oder SRI-Varianten die Stammindizes seit Auflage outperformt haben. Wahrscheinlich stehen wir aber sowieso vor einem Paradigmenwechsel. Wir sprechen vom 6. Zyklus, dem grünen Kondratieff-Zyklus. Um das Pariser Klimaabkommen zu erreichen, müssen wir alles auf den Kopf stellen und hinterfragen. Damit sind historische Vergleiche sinnlos.

Hedgework: Seit März ist die Offenlegungsverordnung in Kraft. In welche der drei Nachhaltigkeitskategorien ist vividam einzuordnen?
Huttel: Wir haben auf unseren Factsheets die Kategorien aller Fonds abgetragen. Es überrascht nicht, dass wir keinen Fonds nach Artikel 6 im Portfolio haben. Wenn es so gewesen wäre, hätten wir diesen sofort verkauft. Da wir „impact alligned“ sind, also in Fonds investieren, die sich an den SDGs orientieren, haben wir einige Fonds, die in Artikel 9 eingestuft sind. Der Rest ist Artikel 8. Würde man einen Durchschnitt errechnen, hätte der „Klippenspringer“ einen Wert von 8,53. Aber was sagt das aus? Diese Frage wird seit März heftig diskutiert. Es ist eine Selbsteinstufung der KVGen und sagt letztlich etwas über Transparenz aus – es ist aber kein Siegel oder Rating. Es gibt eine erste Studie von Morningstar, die den Finger in die Wunde legt. Nach Meinung etlicher Fachleute sind viele Fonds weder Artikel 8 noch 9 zuzuordnen. Interessant wird es daher ab 2022, wenn KVGen die Nachhaltigkeit bzw. den Impact messen und belegen müssen. Dann wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Herabstufungen kommen. Und das ist für die Branche sicherlich nicht gut!

Hedgework: Inzwischen ist zu hören, dass der Regulierer über weitere Verschärfungen im Nachhaltigkeitssegment nachdenkt.
Huttel: Das stimmt. Hier gibt es ganz aktuell einen neuen Vorstoß der Bafin, die strengere Regeln für deutsche nachhaltige Fonds fordert. Eine Veröffentlichung ist noch im zweiten Quartal 2021 geplant. Der Leitlinienentwurf sieht unter anderem vor, dass ein nachhaltiges Investmentvermögen zu mindestens 90% in nachhaltige Vermögensgegenstände investiert sein muss. Auch Mindestausschlusskriterien werden vorgeschlagen, etwa mit Blick auf fossile Brennstoffe oder Atomstrom. Lässt die Investmentstrategie keine festen Anlagegrenzen zu, sollen die Anlagebedingungen vorsehen, „dass bei mindestens 90% des Investmentvermögens die Nachhaltigkeitsgesichtspunkte/-faktoren bei der Auswahl der Vermögensgegenstände von entscheidender Bedeutung sind“. Allerdings handelt es sich dabei um einen unkoordinierten Alleingang der Bafin innerhalb Europas und stößt auf große Kritik.

Hedgework: Wie stehen Sie dazu?
Huttel: Grundsätzlich sind wir ein Befürworter von guter Regulierung, um Greenwashing etc. zu verhindern. Es muss aber umsetzbar sein und für alle gelten. Und hier wird es selbst für Anbieter schwierig, die schon lange ernsthaft nachhaltig investieren. Es fehlt leider zur Messung der Nachhaltigkeit oft an validen Daten der Unternehmen und Staaten. Das wird noch dauern, so dass der Regulierer hier noch mit Sanktionen warten sollte. Außerdem wäre es zielführend, wenn Gesetze und Verordnungen besser aufeinander abgestimmt sind. Das ist momentan ein großes Problem. Und das verschlimmert der Vorstoß der Bafin weiter.

Hedgework: Wo sehen Sie momentan die größte Herausforderung?
Huttel: Das Thema „Messen und Berichten“ ist die Herausforderung der nächsten Jahre. Nur wenn wir glaubwürdig sind und es belegen, werden die Kunden die Produkte auch kaufen. Dafür benötigen wir aber mehr taxonomiebezogene (Umsatz-)Daten der Unternehmen. Das wird kommen, dauert aber leider noch. Dies ist vor allem wichtig, wenn es darum geht, Umsätze den SDGs zuzuordnen. Hier wäre eine globale Initiative beispielweise der UN wünschenswert, um eine Open-Source-Datenbank aufzubauen, auf die jeder kostenfrei zugreifen kann. Das würde auch die zunehmende Macht der Ratingagenturen und Datenanbieter beschneiden. Eine Abhängigkeit von immer weniger und größer werdenden Anbietern kann ein Problem für die ganze Branche, aber vor allem für spezialisierte Boutiquen werden.

Hedgework: Sie haben es angesprochen – mit dem Zuwachs an Nachhaltigkeitsinvestments nimmt auch die Gefahr von Greenwashing zu. Wie schützen Sie Ihre Portfolios davor?
Huttel: Das ist eine Herausforderung. Wir gehen zweistufig vor. Zuerst legen wir einen Fokus auf Anbieter mit einer echten langfristigen Historie und glaubwürdigen Ansätzen. Bei diesen sind die Interessen aller Beteiligten gleichgerichtet. Zweitens muss man mit den Managern sprechen und sich die Positionen in den Portfolien anschauen. Gefällt einem etwas nicht, muss man in den Dialog treten. So wie wir es tun und mit den Fondsmanagern in den Dialog gehen, erwarten wir es auch von den KVGs. „Vote and Voice“ ist uns sehr wichtig. Nur wer seine Aktionärsrechte in Anspruch nimmt und Druck ausübt, kann etwas verbessern. Und wenn uns ein Fonds nicht gefällt, werden wir diesen gegebenenfalls auch verkaufen.

Hedgework: Was könnte der Gesetzgeber tun, um hier ordnend einzugreifen?
Huttel: Das ist eine schwierige Frage. Eine „grüne Polizei“ wäre zwar schön, aber eine Illusion. Es gibt keine allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit und hängt oft von Werten und Einstellungen ab. Das finde ich auch gar nicht schlecht und lässt Raum für Kreativität im positiven Sinne. Grundsätzlich sollte der Gesetzgeber aber kontrollieren – beispielsweise durch Wirtschaftsprüfer –, ob der Name des Produkts nicht irreführend ist oder die Strategien eingehalten werden. Was es nicht geben darf, ist etwa ein ETF mit dem Zusatz „ex fossil“, der dann aber doch noch in fossile Energieträger investiert.

Hedgework: Können Sie abschließend einen Ausblick geben, wie sich das Segment der Robo Advisor weiterentwickeln wird?
Huttel: Man hört ja schon hier und da den Abgesang auf den deutschen Robo-Advisor-Markt. Auch wenn die Prognosen bis jetzt nicht eingetreten sind, ist es noch zu früh, es als gescheitert zu bezeichnen. Ich denke, die Robo-Advisor werden sich weiterentwickeln und der Name an sich bald wegfallen. Wir sind alle digitale Vermögensverwalter und unterstützen Kunden, die es alleine nicht können und wollen und bereit sind, Geld dafür zu bezahlen. Diese ewige „Es ist zu teuer“-Diskussion geht mir auf die Nerven. Wer es kann und will, kann sich einen oder zwei ETFs kaufen und einen Sparplan drauflegen – fertig. Wer mehr will, zahlt mehr. Das „mehr“ muss aber auch gerechtfertigt sein, zum Beispiel durch einen guten Service.

Hedgework: Können Sie ein Beispiel geben?
Huttel: Bei uns bekommt jede Kundin oder Kunde einen „Coach“ zugewiesen, wenn sie oder er nicht bereits über diesen zu uns kam. Dieser Coach steht mit Rat und Tat bis zu einer gewissen Schwelle zur Seite. Dass andererseits Nachhaltigkeit mehr als eine Mode ist, ist unbestritten. Kein Robo wird daran vorbeikommen. Dann stellt sich nur die Frage, ob sie das mit billigen, hellgrünen ETFs umsetzen, oder mit aktiven Fonds, die echt etwas bewirken. Wir stehen für Letzteres!

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*) Frank Huttel ist Portfoliomanager bei der FiNet Asset Management AG und Verantwortlicher für den seit 2018 aktiven nachhaltigen Robo-Advisor vividam. Der Wirtschaftsinformatiker (EBS) blickt inzwischen auf 26 Jahre Berufserfahrung als Händler und Portfoliomanager bei verschiedenen Adressen zurück. Als Portfoliomanager betreute er unter anderem einen Managed-Futures-Fonds und war verantwortlich für Kundenmandate mit einem Volumen von rund 750 Millionen Euro. Seit 2009 ist er Prokurist und Portfoliomanager bei der FiNet Asset Management AG in Marburg. Seit 2019 trägt er den Titel des SRI-Advisor der EBS.