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Studie: ESG-Anforderungen sind größter Innovationstreiber in der Immobilienwirtschaft

In der deutschen Immobilienwirtschaft ist Nachhaltigkeit der mit Abstand wichtigste Innovationstreiber und das wird in der kommenden Dekade auch so bleiben. Dabei sind die Nutzer von Gebäuden die treibende Kraft für viele Innovationen im Bereich Digitalisierung und Technologie mit dem Ziel, mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des „Innovationsbarometers der deutschen Immobilienwirtschaft 2021“.

Die Studie wird seit 2016 jährlich von dem EBS Real Estate Management Institute der EBS Universität in Zusammenarbeit mit Real I.S. und CBRE durchgeführt. Im Rahmen einer quantitativen sowie qualitativen Expertenbefragung werden jeweils der aktuelle Transformationsdruck und die damit einhergehende Notwendigkeit von Innovationen in der deutschen Immobilienbranche untersucht.

Das aktuelle „Innovationsbarometer“ fokussiert sich erstmalig auf den Abschnitt „Erstellung – Real Estate“ im Immobilienlebenszyklus. Zu diesem Bereich gehören die Planung und Konzeption sowie die Konstruktion und Realisierung von Immobilienprojekten; es wird somit das gesamte Leistungsspektrum der Projektentwicklung berücksichtigt.

Pandemie mit geringer Bedeutung als Innovationstreiber
Die Pandemie hat zwar unübersehbar ihre Spuren innerhalb der Branche hinterlassen, jedoch wurde sie von den Experten als deutlich weniger bedeutsam bewertet als andere Innovationstreiber. Der Nachhaltigkeit wurde mit Abstand die größte Relevanz beigemessen – 90% der Experten schätzten diese als mittel- oder stark relevant ein. Und diese Bedeutung wird sich nach Ansicht der Experten auch in Zukunft weiter fortsetzen. Demnach wird der Aspekt der Nachhaltigkeit auch im Jahr 2031 und darüber hinaus noch maßgebend Innovationen hervorrufen ebenso wie neue Technologien.

Erwartungsgemäß zeigt sich in den Befragungsergebnissen, dass auch den Innovationstreibern Digitalisierung und Wettbewerb eine starke Bedeutung zugesprochen wird. Die moderaten Treiber Kunden und Technologie liegen aktuell im Mittelfeld. In Bezug auf die beiden am wenigsten relevanten Treiber Pandemien und Regulierung zeigte sich ein heterogenes Bild: Etwa die Hälfte der Befragten maßen den Treibern eine hohe bis starke Relevanz bei, die andere Hälfte erachtete diese als geringfügig bis gar nicht relevant für ihr Unternehmen.

„Der Innovationstreiber Nachhaltigkeit ist eng mit den Kunden beziehungsweise Nutzern verwoben. Die Akteure der Projektentwicklung haben ein sehr hohes Interesse bezüglich Anforderungen und Wünschen der Mieter beziehungsweise Nutzer der Gebäude. Deshalb sind es in diesem Bereich insbesondere die Kunden, die den Paradigmenwechsel in eine neue Ära der Nachhaltigkeit herbeiführen. Die Ergebnisse eines vorbereitenden Online-Fragebogens ließ zunächst nicht auf eine solche außergewöhnliche Bedeutung schließen. Während der Diskussion im Expertenworkshop wurde der Kunde jedoch als treibende Kraft für einen Aufbruch zu mehr Nachhaltigkeit hervorgehoben“, erklärt Prof. Dr. Kerstin Hennig, Leitung des EBS Real Estate Management Institutes.

„Es ist bemerkenswert, dass aktuell nicht einzelne Aspekte wie Kunden oder Regulierung die entscheidenden Innovationstreiber sind. Vielmehr ist die Nachhaltigkeit der Schlüssel zur Innovation, die sich dann etwa über die Präferenzen der Kunden im Bereich Digitalisierung und Technologie im Kontext von EU-rechtlichen Veränderungen mit dem Ziel der stärkeren Nachhaltigkeit von Gebäuden äußert. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorgaben führt zu neuen Arbeitsprozessen. Erst in Verbindung mit dem Megatrend Nachhaltigkeit entwickeln die anderen untersuchten Innovationstreiber einen hohen Transformationsdruck – und zwar in dem Bereich der Immobilienwirtschaft, in dem die Trends von morgen implementiert werden“, so Jochen Schenk, Vorstandsvorsitzender der Real I.S. AG.

„Forschungsbedarf besteht vor allem in Bezug darauf, die Nutzer- und Kundenanforderungen besser zu verstehen – wie dies in anderen Branchen längst etabliert ist. Obwohl die Nutzer offensichtlich eine entscheidende Rolle spielen, liegen aktuell zu wenig tragfähige Informationen über deren Präferenzen und Präferenzänderungen vor, um auf diese effektiv mit der Entwicklung innovativer Immobilienprodukte zu reagieren. Nach dem Verständnis der Teilnehmer ist gegenwärtig die Datenerhebung und -auswertung für einen einzelnen Akteur zu aufwendig. Auch der Datenschutz bei der Erhebung von Nutzerdaten mittels Sensorik birgt Herausforderungen“, erläutert Dr. Susanne Hügel, Head of Digital Strategy for Continental Europe bei CBRE.

Smart Building – aber nur in Diensten der Nachhaltigkeit
Ein Beispiel für die gegenseitige Wechselwirkung der Innovationstreiber sind sogenannte Smart Buildings, die von Kunden aktuell offenbar wenig nachgefragt werden. Stattdessen wünschen sich diese vermehrt das „normale“ Gebäude zurück. Der Antrieb aus dem Kundenwunsch heraus, Digitalisierung im Gebäude zu implementieren, um ein smartes Gebäude zu realisieren, ist damit nicht vollumfänglich gegeben. Wenn allerdings die Digitalisierung beziehungsweise Smart-Building-Technologien zum Ziel haben, ESG-Anforderungen zu erfüllen, wird diese zunehmend auch von Nutzerseite gewünscht.

Technologien wie die künstliche Intelligenz (KI) haben derzeit noch keinen großen Stellenwert, sind jedoch im Kommen. Die Experten teilen die Ansicht, dass bei den Themen KI, 3-D-Druck und Robotics in der Immobilienwirtschaft im Allgemeinen, jedoch in der Gruppe der „Ersteller“ im Besonderen, erheblicher Nachholbedarf vorhanden ist und diese Technologien potenziell wesentliche Innovationstreiber sind. Auch die Digitalisierung wird nach Ansicht der Experten die Arbeitsprozesse im Bereich „Erstellung – Real Estate“ zukünftig noch stärker verändern.

Regulierungen scheinen vor dem Hintergrund der Untersuchungsergebnisse aktuell eher hemmend für die Entwicklung innovativer Strategien zu sein. Stattdessen prägt der Druck von Dritten, zum Beispiel Aktivisten und öffentlich wirksame Initiativen, die Wahrnehmung der befragten immobilienwirtschaftlichen Akteure und deren Maßnahmen. Dabei bestehen nach den Erfahrungen der befragten Experten Chancen, dass auf bestimmten Governance-Ebenen Innovationen hervorgerufen werden, etwa durch gezielte finanzielle Förderungen.

„Dass die Rolle der Regulierung in Bezug auf ihre treibende oder hemmende Wirkung nicht eindeutig beantwortet werden kann, liegt vorwiegend an dem Facettenreichtum dieses Innovationstreibers. So ist beispielsweise zwischen den verschiedenen Rechtsebenen vom EU-Recht bis zum örtlichen Baurecht zu unterscheiden, die unterschiedlich innovationstreibend wirken können. Auch finanzielle Förderungen zählen zu den typischen regulatorischen Elementen, die eine positive Wirkung auf Innovationen haben können. Der Bereich der Regulierung sollte als eigenständiges Forschungsfeld intensiver betrachtet werden, da dort auch der Schlüssel zu mehr Innovationen im notwendigen Feld der Nachhaltigkeit liegen kann“, zeigt sich Prof. Dr. Hennig überzeugt.

Auch bei der Untersuchung des aktuellen Transformationsdrucks auf die Immobilienbranche gibt es viele Neuerungen: Neben den vier bisherigen Innovationstreibern (Regulierung, Wettbewerb, Technologie, Kunden) wurden für das „Innovationsbarometer der deutschen Immobilienwirtschaft 2021“ drei zusätzliche Innovationstreiber (Nachhaltigkeit, Pandemien und Digitalisierung) in das Studiendesign aufgenommen. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung weiterer Treiber wurde im Austausch mit Wissenschaft und Praxispartnern verifiziert.

Entlang des Lebenszyklus der Immobilien werden die einzelnen Segmente (Erstellung – Real Estate, Finanzierung, Dienstleistung, Investment) nun in einem Fünf-Jahres-Rhythmus analysiert. Die Fokusgruppe „Erstellung – Real Estate“ beispielsweise wird dann wieder im Jahr 2025 betrachtet. Durch die erneute Befragung der Fokusgruppe können Veränderungen kontrastreicher festgestellt und analysiert werden, um stärker voneinander abgrenzbare Ergebnisse zu erzielen. Im Jahr 2022 wird die Fokusgruppe „Finanzierung“ befragt.