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Kommentar: Warum wir einen „New Forward Deal“ brauchen

Forward-Deals erlebten 2021 einen Höhenflug, es gab so viele Abschlüsse wie lange nicht mehr. Doch viele Projektentwickler hatten die Rechnung ohne die Krise gemacht, welche die Coronapandemie ausgelöst und der Ukraine-Krieg verschärft hat. Die gestiegenen Baukosten machen bisherige Kalkulationen obsolet – nicht zuletzt auch für Investoren. Denn der Markt steht vor einer Konsolidierung.

Michael Peter

Von Warren Buffett gibt es viele kluge Sätze. So hat der einflussreichste Investor der Welt einmal gesagt: „Wenn die Ebbe kommt, dann zeigt sich, wer keine Badehose anhat.“ Was Buffett damit meint: Eine schwierige Situation offenbart immer die Schwächen, und das sind fehlende Absicherungen, wie etwa eine Badehose, die jemanden davor bewahrt, nackt dazustehen.

Wir erleben aktuell eine Art Ebbe, die mittlerweile in eine neue Phase getreten ist. Beginnend mit der Coronapandemie und teils immer noch oder erneut geschlossenen Fabriken und Häfen in Asien, die zu einer Unterbrechung von Produktions- und Lieferketten geführt haben. Durch den Krieg Russlands in der Ukraine hat sich diese Krise noch verschärft. Die Welt hat sich in kürzester Zeit komplett verändert. Wir haben eine Mangelwirtschaft.

Sämtliche Fehler der Projektentwickler rächen sich jetzt
Und das spürt selbstverständlich auch die Immobilienwirtschaft, etwa fünf Jahre früher, als viele Marktteilnehmer angenommen hatten. Es fehlt an Baustoffen, vor allem an Holz, es fehlen Nägel – und wir haben gleichzeitig einen Mangel an Fachpersonal. Die Folge: Die Baukosten explodieren. Schon vor dem Krieg lagen sie bis zu 15% über dem Vorjahresniveau, jetzt reden wir von einem Anstieg von bis zu 60%. Mitunter werden sogar Tagespreise gezahlt.

Für Projektentwickler ist es jetzt wichtig, eine Badehose zu tragen, um bei Warren Buffetts Aussage zu bleiben. Wer in dieser Zeit keine Substanz hat – wirtschaftlich oder unternehmerisch –, wer keine Polster hat, den wird die Krise hart treffen. Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge gab es 2010 in Deutschland 12.700 Projektentwickler. 2020 waren es 15.900 – ein Viertel mehr. Viele neue Unternehmen wollten schnell von den Preisen profitieren, die nur eine Richtung kannten: nach oben. Krise? War nicht vorgesehen. Sämtliche Fehler, die in Kalkulation und Ankauf gemacht worden sind, rächen sich deswegen jetzt.

Die guten Zahlen zu Forward-Deals richtig einordnen
Wir müssen die guten Zahlen zu Forward-Deals richtig einordnen. Ja, es gab 2021 ein Rekordjahr bei den Abschlüssen. Doch ein Projektentwickler, der noch im Oktober vorigen Jahres einen Forward-Deal abgeschlossen hat, also den Verkauf einer schlüsselfertigen Immobilie zu einem festen Preis, wird schon heute mit zunehmender Sorge rechnen, ob sich das Geschäft für ihn noch lohnt. Denn wenn der Entwickler einen Preis vereinbart sowie einen Leistungsumfang definiert hat, dann muss er seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen. Anderenfalls wird er vom Käufer mit Schadensersatzforderungen konfrontiert.

Glücklich ist nur derjenige Projektentwickler, der bei Abschluss eine Preisanpassungsklausel vereinbart hatte. Doch das war bei den wenigsten der Fall. Deshalb drohen bei einem Verkauf in ein oder zwei Jahren nicht nur niedrige Gewinne – sondern sogar Verluste. Entsprechend könnten viele Baustellen in nächster Zeit womöglich stillstehen. Und so mancher Investor sieht sich womöglich der Forderung ausgesetzt, mehr Kapital als ursprünglich vereinbart nachzuschießen.

Investoren wollten sich mit Forward-Deals Grundstücke sichern
Der Boom der Forward-Deals basierte auf einem Grund: Investoren wollten sich damit knapp gewordene Produkte sichern. Doch nun erschweren die ansteigenden Preise die Kalkulation, und die Mieten können den Baukosten in vielen Fällen nicht mehr angeglichen werden. Der Forward-Deal bedeutet deswegen mittlerweile ein Risiko für Projektentwickler und Investoren gleichermaßen. In Zukunft werden daher Immobiliengeschäfte wieder traditionell vereinbart: Erst nachdem das Objekt zum Großteil fertiggestellt ist, handeln beide Vertragspartner den Kaufpreis aus.

Hart treffen wird es insbesondere Projektentwickler, die in Büroimmobilien aus den neunziger Jahren investiert haben. Diese haben eine nicht mehr zeitgemäße Raumstruktur mit einer Mittelstruktur sowie rechts und links abgehenden „Zellen“, also klassischen Büroräumen. Solche Bestandsobjekte sind zudem nicht ESG-konform und müssen kostspielig angepasst werden. Als potenzielle Mieter kommen in erster Linie preisaggressive Unternehmen infrage und die laufende Rendite sinkt.

Der Markt steht vor einer Konsolidierung
Und der Wohnungsmarkt gestaltet sich ebenfalls problematisch: Das empirica-Institut prognostiziert einen Bedarf von 500.000 Wohnungen allein für die aus der Ukraine Geflüchteten. Das klingt nach einem Bauboom. Doch die Lage ist kompliziert: Erstens dauert es allein ab dem Zeitpunkt der Genehmigung mindestens zwei Jahre, bis gebaut werden kann. Zweitens fehlt es vor allem in den Zentren, also Großstädten, an Baufläche und besteht dort auch jetzt schon massiver Wohnungsmangel. Drittens steigen die Baukosten weiter an. Und viertens ist es unsicher, welche Mieterträge hierbei erzielt werden können. Die Folge: Die Menschen werden in die Peripherie ausweichen müssen, wo wir teils erheblichen Leerstand haben, im Großraum Leipzig etwa beträgt er 20-30%.

Angesichts der erschwerten Rahmenbedingungen stehen wir vor einer Konsolidierung des Markts. Große, vor allem solide Projektentwickler mit starker Substanz werden kleine, schwache übernehmen. Denn angeschlagene Unternehmen haben es jetzt schon schwer, von den Banken Kredite zu bekommen. Die Bankenaufsicht hat mittlerweile ihre Risikoabwägung angepasst. Und die Kreditinstitute sind angehalten, selektiver zu prüfen, mit wem sie noch zusammenarbeiten wollen. Sie müssen sich Fragen stellen wie diese: Wie hoch ist das Eigenkapital des Projektentwicklers? Wie sind dessen Margen und Strukturen? Wie hoch ist die Liquidität? Welche Kompetenzen bringt das Unternehmen mit? Und schließlich: Welche Erfahrungen bringt das Management mit – auch und insbesondere mit Krisen?

Baukosten sorgen für große Verunsicherung
Es ist nicht verwunderlich, dass angesichts dieser vielen Faktoren Forward-Deals in der Immobilienbranche mittlerweile skeptisch gesehen werden. Gerade die Entwicklung der Baukosten sorgt für große Verunsicherung am Markt. Investoren, die jetzt kaufen, fragen sich, ob ihre Partner stabil sind, ob diese bis zum Abschluss des Geschäfts durchhalten. Investoren machen sich erpressbar, wenn sie eine falsche Entscheidung treffen.

Doch das Instrument Forward-Deal hat keineswegs ausgedient. Es bedarf jedoch kreativer Lösungen, welche die Risiken eingrenzen. Dazu gehört festzustellen, ob der Vertragspartner in der Lage ist, über den vereinbarten Zeitraum wirtschaftlich durchzuhalten. Und man muss sich juristisch gegenüber Risiken absichern. Das Vorbereiten auf ein Worst-Case-Szenario ist unumgänglich.

Ausländische Investoren haben sich von Deutschland abgewandt
Es ist bemerkenswert, dass Deutschland bei einigen ausländischen Investoren und Projektentwicklern zuletzt an Attraktivität verloren hat. Der „sichere Hafen“ befindet sich in einer turbulenten Phase. Das Geld sucht sich seinen Weg, in den Vereinigten Staaten bekommt man mittlerweile 2,5% Zinsen. Ausländische Investoren schauen immer nach den Rahmenbedingungen, und dazu gehört auch, wie Deutschland sich energiepolitisch orientiert. Diese Entscheidung trägt auch maßgeblich dazu bei, wie wir die Megaherausforderung unserer Zeit meistern: den Kampf gegen den Klimawandel.

Um noch einmal mit den Worten Warren Buffetts zu sprechen: Für institutionelle Investoren und die gesamte Immobilienwirtschaft wird es Zeit, in Badehosen zu investieren.

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*) Michael Peter, Gründer und CEO der P&P Group