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Kommentar: Smart German Money am US-Immobilienmarkt

Stupid German Money – das war einmal. Das Verhalten institutioneller Investoren am US-amerikanischen Immobilienmarkt ist mit den Zeiten der Subprime-Krise nicht mehr vergleichbar. Es wird viel stärker nach Bundesstaaten und Regionen differenziert. Statt Büro- oder Retail-Immobilien stehen vermietete Wohneinheiten (Multifamily genannt) im Fokus. Jetzt schlägt die Stunde für Wohnprojektentwicklungen zur späteren Bestandshaltung.

Rafael Aregger

Immobilieninvestments in Amerika: Viele Investoren träumen dabei von prestigeträchtigen Landmark-Objekten in den Küstenmetropolen – vom Wolkenkratzer in Manhattan, von der Shopping-Mall in Los Angeles oder vom Apartmenthaus mit Blick auf die San-Francisco-Bay. Allerdings haben diese Traumobjekte einen Mangel: Sie generieren oftmals keine herausragende Rendite. Deshalb findet – zum Teil ähnlich wie in Deutschland, aber auf höherem Niveau – auch bei US-Investments ein dreifaches Umdenken statt: Erstens weg aus den Megacities, zweitens hin zu Wohnen und drittens Neubau statt Bestandsankäufe.

Sun-Belt rückt als Wachstumsregion in den Fokus
Standen früher noch die vermeintlich stärksten Standorte der USA – wie New York City, San Francisco und das Silicon Valley, Boston oder Los Angeles – am höchsten in der Gunst institutioneller Anleger mit längerem Anlegehorizont, reagieren diese inzwischen auf die inneramerikanischen Verschiebungen von Wirtschaft und Bevölkerung. Sie wenden den Metropolen in den etablierten Bundesstaaten an der Pazifikküste und Neuengland zunehmend den Rücken zu und verlagern sich in den Sun-Belt als aufblühenden Wirtschaftsstandort. Bundesstaaten wie Texas, Florida und Arizona weisen zweistellige Prozentzahlen beim Bevölkerungswachstum auf.

Hohe Lebensqualität bei deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten, eine sehr geringe Steuerbelastung und nicht zuletzt das angenehme Klima locken Hunderttausende, größtenteils junge und qualifizierte US-Amerikaner (und Einwanderer) nach Austin, Miami oder Phoenix – und mit ihnen die Sitze und Verwaltungszentren etlicher Unternehmen, von Start-ups bis zu Großkonzernen wie Tesla, Apple und Hewlett Packard.

Amerikas Jugend entdeckt das Wohnen zur Miete
Gleichzeitig verändert sich das Wohnverhalten der US-Amerikaner seit einigen Jahren. Besaßen vor der Immobilienkrise 2008 noch etwa 70% der Bevölkerung ein Eigenheim, fiel dieser Wert bis 2016 auf 63%, so das U.S. Census Bureau. Während Corona erholte sich dieser Wert, sodass 2021 wieder ca. 65% Hausbesitzer waren. Der langfristige Trend bleibt dennoch ungebrochen: Die USA öffnen sich für das Wohnen zur Miete, vor allem die jüngeren sowie die älteren Amerikaner.

Gerade junge US-Amerikaner schätzen die erhöhte Flexibilität, die das Mieten mit sich bringt. Auch locken exquisite Services in Multifamily-Anlagen jene Mieter, die Wert auf Gemeinschafts-, Fitnessräume oder Pools vor der Haustür legen. Gemietet wird also nicht aus Not, sondern aus Annehmlichkeit – zu entsprechenden Mietpreisen. Damit rückt eine Assetklasse in den Fokus institutioneller Investoren, die es vor einigen Jahrzehnten in dieser Form noch gar nicht gab: Multifamily. Das Segment ist inzwischen der größte Immobilien-Transaktionsmarkt der Welt.

Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage nutzen
Die Wanderungsbewegungen in den Sunbelt und den Mietmarkt sorgen für eine hohe Nachfrage nach Mietwohnungen in der Region – bei begrenztem Angebot. Die erwähnten Multifamily-Immobilien erfreuen sich aufgrund ihrer hohen Qualität und inkludierten Services besonders hoher Nachfrage. Institutionelle Anleger haben die Diskrepanz erkannt und ihre Strategien entsprechend adaptiert. Allerdings hat dies auch Auswirkungen auf die Preisentwicklung von Bestandsankäufen – ähnlich wie in vielen deutschen Großstädten. Auskömmliche Renditen sind mit Bestandsobjekten immer schwieriger zu erzielen.

Eine Lösung ist die Entwicklung eigener Multifamily-Anlagen im Sunbelt zur anschließenden langfristigen Bestandshaltung und Vermietung. So schaffen Investoren den nachgefragten Wohnraum einfach selbst und profitieren durch ihren langfristigen Anlagehorizont gleich dreifach: Die Entwicklung eigener Multifamily-Anlagen erlaubt es, möglichst früh an der Wertschöpfungskette beteiligt zu sein und die Projektentwickler-Marge zu internalisieren. Durch die Bestandshaltung und langfristige Vermietung wird ein regelmäßiger Cashflow in attraktiver Höhe generiert, bei einer gleichzeitigen langfristigen Wertsteigerung der Objekte. Außerdem stellt die eigene Projektentwicklung sicher, dass Objekte gebaut werden, die für eine nachhaltige Zukunft interessant sind. Unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien entstehen so auch in nachhaltiger und energetischer Hinsicht hochwertige Gebäude, die auch in vielen Jahren noch wettbewerbsfähig aus der Sicht von Mietern und Investoren sind.

Expertise vor Ort ist entscheidend
Der letzte und vermutlich wichtigste Aspekt, den deutsche institutionelle Anleger in der aktuellen Marktlage verfolgen, ist der Einkauf von Fremdmarkt-Expertise. Man benötigt einen direkten Marktzugang und eine enge Vernetzung vor Ort, um die attraktivsten Projektentwicklungen an den vielversprechendsten Standorten überhaupt identifizieren und anbinden zu können. Ein Gefühl für einen Standort und sein direktes Umfeld bekommt man auch nur dann, wenn man sich mit eigenen Augen und Ortskenntnis ein Bild verschaffen kann.

Sich diese Strukturen selbst aufzubauen, dürfte für die wenigsten Investoren aus Deutschland lohnend sein, weshalb spezialisierte Produktpartner mit entsprechender Projektpipeline, Partnernetzwerken vor Ort und Expertise in den meisten Fällen erforderlich sind. Auch dies beherzigen institutionelle Anleger aus Deutschland inzwischen stärker als in früheren Marktzyklen. Kurzum: Wir reden jetzt von Smart German Money.

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*) Rafael Aregger, Head of Investments USA, Empira Group