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Kommentar: Sanieren kann sich für alle lohnen

Viele Immobilienfirmen verschleppen die energetische Sanierung ihrer Wohnungsbestände. Dabei ist sie für einen wirksamen Klimaschutz unverzichtbar. Wer bei Planung und Durchführung die eingefahrenen Bahnen verlässt, kann Sanierung betriebswirtschaftlich attraktiv gestalten – und zugleich sozialverträglich.

Frank Wojtalewicz

Die Baubranche rückt immer mehr in den Fokus der Klimaschutzdiskussion. Und zu Recht. Denn über 30% der Treibhausgase in Deutschland werden von Gebäuden ausgestoßen. Deshalb werden neue Häuser immer energieeffizienter gebaut.

Aber was ist mit dem Bestand? Zwei Drittel der Wohngebäude hierzulande stammen aus der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1979 und verfügen über keinerlei Ausstattung zur Verbesserung der Energieeffizienz.

Nur mit gut gedämmten Neubauten sind die Klimaziele nicht zu schaffen. Eigentlich müsste man also bei der energetischen Sanierung des Bestands jetzt richtig Gas geben. Doch das Gegenteil geschieht. Beim aktuellen Sanierungstempo wird es ein halbes Jahrhundert dauern, bis alle Bauten auf dem energetischen Standard von heute sind. Wenn Deutschland wirklich bis 2045 klimaneutral werden soll, müsste man die Schlagzahl mehr als verdoppeln. Stattdessen sinkt sie weiter, denn viele Immobilienunternehmen zögern die energetische Sanierung ihres Bestands hinaus.

Bürokratie und hohe Kosten schrecken ab
Vordergründig sind deren Argumente nachvollziehbar. Der bürokratische Aufwand, der mit einer Sanierung verbunden ist, hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Eine Entschlackung der Prozesse und eine Modernisierung der Verwaltung wäre dringend geboten, doch dafür fehlt auch der neuen Regierung der politische Wille. Stattdessen sind neue bürokratische Bürden in Vorbereitung.

Keine Besserung ist auch bei den Kosten für Material und Dienstleistungen in Sicht, sofern diese überhaupt zu bekommen sind. Die Verwerfungen, die die Covid-Pandemie bei den Lieferketten ausgelöst hat, haben den Trend noch verstärkt. Schließlich ist es bei Mietern wie bei Politikern äußerst unpopulär, wenn eine Wohnungsfirma die Bewohner über Mieterhöhungen an den Kosten beteiligt. Kein Wunder also, dass viele Unternehmen vor Sanierungen zurückschrecken.

Und doch ist es im ureigenen Interesse der Immobilienunternehmen, bei der energetischen Sanierung Tempo zu machen. Denn immer mehr Investoren und auch Mieter verlangen Gebäude auf dem aktuellen ökologischen Stand. Objekte mit der Energieeffizienz der Siebziger lassen sich zunehmend nur noch mit Abschlägen vermieten oder verkaufen. Oder sie werden zu Stranded Assets – unverkäuflichen Ladenhütern.

Viele kleine Sprünge
Was die Kostenseite betrifft, so gibt es einiges, was die Unternehmen tun können. Das größte Potenzial liegt in besserer Planung. Denn viele Verzögerungen und Kosten entstehen dadurch, dass Prozesse nicht frühzeitig zu Ende gedacht wurden. Da beim Thema Energieeffizienz unterschiedliche Faktoren – Dämmung, Fenster und Türen, Heiztechnik – Hand in Hand gehen, ziehen Änderungen in einem Bereich häufig auch Änderungen in anderen nach sich. Das führt nicht nur zu Verzögerungen, auch Berater, Handwerker und Materialien kosten dann oft deutlich mehr.

Wer dagegen den Prozess sorgfältig aufsetzt und die beteiligten Fachleute früher als branchenüblich einbezieht, ist vor solch teuren Überraschungen besser gefeit. Um das organisatorisch leisten zu können, ist es ein riesiger Vorteil, wenn man eine eigene Bauabteilung unterhält. Die meisten Immobiliengesellschaften scheuen die Kosten dafür, doch gerade in der heutigen Situation erweist es sich als wichtiger Wettbewerbsvorsprung, dieses Know-how im Haus zu haben.

Der zweite Faktor heißt Digitalisierung. Die Bau- und Immobilienbranche gehört zu den Sektoren, die hier am meisten Nachholbedarf haben. So werden Baupläne häufig immer noch ausgedruckt und per Post verschickt. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld, weil es zu unnötigen Fehlern führt, die aufwendig korrigiert werden müssen. Gerade bei Sanierungen sorgt es für spürbare Effizienzgewinne, wenn der Datenaustausch mit den beteiligten Dienstleistern elektronisch erfolgt. Ideal wäre natürlich, wenn auch die Baubehörden und Fachämter bei der Digitalisierung mitziehen würden. Aber das wird wohl auf absehbare Zeit ein Wunschtraum bleiben.

Eine bessere und frühzeitigere Projektplanung schafft auch Kostenvorteile beim Einkauf. Bauboom und pandemiebedingte Lieferkettenprobleme haben nicht nur für höhere, sondern auch für volatilere Preise gesorgt. Wer seine Bedarfe früher kennt, kann Preistiefs nutzen und hat mehr Zeit, nach günstigen Angeboten zu suchen. Das betrifft Material ebenso wie Dienstleistungen. Auch langfristige Rahmenverträge mit Lieferanten und Dienstleistern können für bessere Konditionen sorgen. Die Zusammenarbeit mit festen Partnern über mehrere Projekte hinweg führt außerdem zu Lerneffekten und besserem Wissensaustausch, was sich auf Projektzeiten, Kosten und Qualität günstig auswirkt.

Schließlich lassen sich Methoden aus dem seriellen Bauen auch auf die Sanierung übertragen. Sowohl Teile als auch Lösungen kann man – bei entsprechender Planung – bei unterschiedlichen Projekten immer wieder verwenden. Das senkt den Planungsaufwand, und beim Einkauf lassen sich Skaleneffekte realisieren.

Manche Marktteilnehmer setzen Hoffnungen auf Ansätze aus dem Ausland, die sehr bedeutende Rationalisierungseffekte bei energetischen Sanierungen versprechen. So verbindet das niederländische System „Energiesprong“ – deutsch Energiesprung – viele der oben beschriebenen Elemente. Vor allem wegen der strengeren hiesigen Bauvorschriften und der aufwendigeren Bürokratie lässt es sich in Deutschland aber nicht eins zu eins umsetzen. So sind es hierzulande eher kleinere Sprünge, die man bei der Rationalisierung von Sanierungsprojekten machen kann.

Betriebswirtschaftlich attraktiv und sozialverträglich
Doch in der Summe sind sie signifikant. Je nach Projekt liegt das Einsparpotenzial im niedrigen bis mittleren zweistelligen Prozentbereich. Diese Kosteneffizienzen, verbunden mit Energiekosteneinsparungen durch die Sanierung bei 10-30%, machen energetische Sanierungen auch betriebswirtschaftlich attraktiv. Und sie lassen sich sozialverträglich umsetzen. Je nach Mietpreispolitik kann die höhere Kaltmiete teilweise oder vollständig durch niedrigere Nebenkosten ausgeglichen werden. Der Mieter erzielt außerdem einen Gewinn an Lebensqualität, weil energieeffizientere Wohnungen auch ein besseres Raumklima bieten.

Den Kosten, die beim Eigentümer verbleiben, ist die Wertsteigerung der Wohnung durch die Sanierung gegenüberzustellen. Schon heute erzielen Wohnungen mit aktuellen energetischen Standards spürbar höhere Preise. Die Differenz dürfte sich in den nächsten Jahren rapide erhöhen, da Objekte aus dem Vor-Wärmeschutz-Zeitalter immer weniger marktgängig werden.

So können letztlich alle von energetischen Sanierungen des Bestands profitieren: Eigentümer, Mieter und nicht zuletzt die Umwelt. Dass viele Unternehmen trotzdem nicht mitziehen, ist nur mit Beharrungseffekten zu erklären. Umdenken ist angesagt.

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*) Frank Wojtalewicz, Vorstandsvorsitzender, d.i.i. Deutsche Invest Immobilien AG