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Kommentar: Real Assets und Private Markets – Fondsboutiquen, AIFM, „Leidenschaft“ und die USA-Formel

„In der Einfachheit liegt die größte Vollendung“ (Leonardo Da Vinci). Das Segment der illiquiden Investments steht konstant im Fokus der institutionellen Investoren. Das Thema Private Markets wird engagiert diskutiert: Immobilien, Infrastrukturinvestments, Private Equity und Private Debt sind Stichworte, die gegenwärtig die Diskussion bestimmen. In Ergänzung hierzu steht fortwährend das Thema ESG bei Investments in Real Assets auf der Agenda. Die Diskussion über Themen wie Erneuerbare Energien, Gas, Kernenergie und die Bedeutung von traditionellen Rohstoffen wird in der Branche durchaus kontrovers geführt. Fondsboutiquen aus dem AIFM-Universum („Illiquide Fonds“) stoßen auf immer stärkeres Interesse auf Investorenseite. Was ist das Besondere an diesen stark mittelstandsgeprägten Asset Managern? Worin bestehen die aktuellen Herausforderungen für dieses Produktsegment?

Markus Hill

Fondsboutiquen und USA-Formel
Unabhängige Asset Manager (Fondsboutiquen) stehen in Konkurrenz zu den „großen“ Häusern der Branche, die ebenso viele interessante Fondskonzepte im Real Asset-Segment anbieten. Hier gilt wie in vielen Bereichen beim Investieren kein eindeutiges „entweder-oder“ sondern ein solides „sowohl-als-auch“. Welche besonderen Merkmale zeichnen aber Fondsboutiquen aus?

U – Unabhängigkeit
Die Mehrzahl der „kleinen“ Fondsboutiquen arbeiten konzernunabhängig. Eine Besonderheit stellt das „Boutique-im-Konzern-Konzept“ dar, auch hier liegen oft größere Freiheitsgrade bei Entscheidungen vor. Investmententscheidungen werden bei den „kleinen“ Häusern in voller Eigenverantwortung getroffen, die Entscheidungswege sind in der Regel sehr kurz. Die Ergebnisse des Portfolio Managements lassen sich leicht zuordnen, viele Investoren schätzen diese Transparenz und eindeutige Zuweisung von Verantwortlichkeit. Viele der Boutiquen sind mit eigenem Geld in „ihren“ Fonds investiert, haben also „Skin-in-the-Game“. Jeder Topf findet seinen Deckel – viele institutionelle Investoren schätzen diese Anreizstruktur für Entscheidungen und betrachten diese sogar als ein zusätzliches Element von Risikomanagement.

S – Spezialisierung
Fondsboutiquen lassen sich in der Regel eindeutigen Kompetenzbereichen zurechnen. Anlagestile, Assetklassen, Spezialisten vor Ort – viele dieser Elemente findet man hier fokussiert vor. Aufgrund der eher mittelständisch geprägten Strukturen bei den Boutiquen ergeben sich weitere Vorteile: Die Entscheider schätzen oft den direkten Dialog mit den Investoren, sind „persönlich“ ansprechbar. Interessant erscheint auch die persönliche Biografie des Firmengründers beziehungsweise die vom Gründungsteam. Gerade die Entstehungsgeschichte dieser Häuser gibt einen guten Überblick von Motivation und über die Tiefe des Spezialisierungsgrades. Aufgrund des eingeschränkten Produktuniversums besitzt zudem auch der Vertrieb in diesen Häusern eine Expertise, die diese als Ansprechpartner wertvoll macht. Auch beim Sourcing von Investmentopportunitäten hilft diese Spezialisierung: Netzwerke, Ökosysteme und der Bereich der persönlichen Beziehungen stehen unter dem Motto: Langfristige Beziehungen schlagen Kurzfristdenke!

A – Authentizität
Fondsboutiquen werden aus Leidenschaft gegründet – dieser Sachverhalt geht häufig in der Diskussion unter. Spricht man mit vielen der Gründer in diesem Bereich, sticht dieser Sachverhalt eindeutig hervor. Eine gewagte Behauptung: Jemand der sich selbst als Asset Manager selbstständig macht, muss schon stark an die eigenen Fähigkeiten glauben und für seine Sache „brennen“. Das Auf und Ab der Unternehmensentwicklung verlangt Stressresistenz und einen hohen Grad an intrinsischer Motivation. Diese Begeisterung für den eigenen Ansatz, die Freude am eigenen Fachgebiet spürt man immer wieder, wenn man diesen Unternehmerpersönlichkeiten begegnet: Man liebt, was man tut!

Herausforderungen für Fondsboutiquen – Kommunikation & Seed Money
Man sollte vielleicht eine Unterscheidung treffen zwischen etablierten Häusern treffen, die eigene Kommunikationsstrukturen geschaffen haben und Häusern die entweder kaum im Markt visibel sind und solchen in einer „kommunikativen Grauzone“. Die etablierten Häuser mit Kommunikationsstrukturen (Marketing, Vertrieb, PR etc.) haben sich positioniert und verzeichnen – gute Produkte und Performance vorausgesetzt – oft Mittelzuflüsse. Schwierig erscheint die Lage für Start-ups und Fondsboutiquen, die über diese Strukturen nicht verfügen. Wie finde ich weitere Investoren? Wer schreibt über mich? Wie genau bin ich im Markt positioniert? Was macht mich besonders? Viele dieser Fragen können hier nur unzureichend beantwortet werden. Als ein Spezialfall erscheinen Fondsboutiquen, die scheinbar kein Marketing betreiben, aber langsam spüren, dass es nicht von Nachteil ist, mit neuen Marktteilnehmern ins Gespräch zu kommen. Viele der Veranstaltungen im Asset-Management-Segment leben zum Beispiel davon, dass hier viele Produktanbieter auftreten, die eigentlich aus Reputationsgründen nicht als Produktanbieter betrachtet werden wollen – hier besteht viel Ähnlichkeit zum Bereich „Anwaltsmarketing“. Dieses Segment der Häuser, die Marketing scheinbar eigentlich nicht nötig haben, werden in Zukunft ein interessantes Dienstleistungsfeld für Marketingexperten darstellen.

Befasst man sich mit dem KVG- und Verwahrstellen-Bereich etwas intensiver, so fällt auf, dass es eine sehr große Anzahl von Häusern im AIFM-Segment gibt, die gerade im Boutiquen-Bereich über verhältnismäßig kleine Volumina verfügen. Natürlich muss man hier unterscheiden, zu welchen Zwecken diese Fonds aufgelegt wurden. Auffällig erscheint, dass der Bereich Private Markets noch über ein großes Potenzial hinsichtlich funktionierender Seeding-Ökosystemen verfügt. Das Thema Seed Money-Suche stellt bei vielen kleinen und mittelgroßen Asset Managern nach wie vor eine große Herausforderung das. Die Kommunikation der eigenen Fondskonzepte (Assetklasse, Ansätze, Know-how, USP etc.) erscheint extrem zeitintensiv, der Start bis zum eigenen Fonds kann oft lange dauern. Aufgrund von Themen wie Direktinvestments, Research, Rechtsstruktur, Steuer und Regulierung erscheinen zudem AIF-Fondskonzepte oft „kommunikationsintensiver“ als klassische UCITS-Produkte. Unterschätzt werden sollte auch nicht der Bereich „Kosten & Skaleneffekte“ bei der Betrachtung verschiedener Fondskonzepte.

Real Assets & Soft Facts
Losgelöst vom aktuellen Makro- und geopolitischen Umfeld ist davon auszugehen, dass weiterhin Anlagedruck bei Investoren besteht – auch nach „Schocks“ wie dem Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Klimawandel und Inflation: Eine Vermutung an dieser Stelle – wie so oft – die Welt wird sich weiter drehen, Kapital sucht Anlageopportunitäten. Auch weiterhin werden Studien zur aktuellen Marktsituation im Real-Asset-Segment (BAI, Telos, PwC etc.) auf großes Interesse stoßen. „Kleine“, hochspezialisierte Fondsboutiquen ist zu wünschen, dass in Zukunft neben der guten Reputation dieses Segments auch Erleichterungen (Regulator, KVGen, Verwahrstellen etc.) im Bereich Kosten ermöglicht würden. Für Investoren wäre es wünschenswert, wenn auf dem Markt der „illiquiden“ Konzepte zusätzlich Transparenz über interessante, besondere Expertise der Boutiquen und über die Unternehmerpersönlichkeiten herrschen würde. Oft wird vergessen, dass neben den harten Fakten auch weiche Faktoren Einfluss bei Anlageentscheidungen haben können – auch im institutionellen Bereich. Bei ähnlichen Ergebnissen der Due Diligence im Produktbereich können hier gerade Fondsboutiquen besonders punkten: Schlanke Strukturen, kurze Kommunikationswege, einzigartiges Profil: Viele dieser Häuser erscheinen sehr attraktiv als Sounding Board und Sparringpartner für viele Investoren. Unabhängigkeit macht attraktiv: Es geht nichts über ein gutes Gespräch!

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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.