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Kommentar: Projektentwicklungen – kommt nun der große Domino-Effekt?

Zurzeit werden die Projektentwickler in vielen Diskussionen als das „schwächste Glied“ in der Immobilienwirtschaft gehandelt. Schließlich kommt es angesichts der COVID-19-Pandemie zu empfindlichen Verzögerungen bei den jeweiligen Projektfortschritten, möglich sind bis zu zwölf Monate. Zwar gehen die Bauarbeiten vielerorts mit Einschränkungen weiter, aber für Projekte in früheren Stadien dürften beispielsweise die Baurechtschaffung oder eine umfangreiche technische Due-Diligence-Prüfung größere Probleme bereiten.

Peyvand Jafari

Damit rücken auch die Einnahmen für Projektentwickler mit jedem Tag des Lockdowns in weitere Ferne – selbst, wenn das Projekt bereits im Vorfeld in Form eines Forward Purchase verkauft wurde. Gleichzeitig muss der Kapitaldienst für die Finanzierung jedoch weiterlaufen. Je nach Fremdkapitalquote und dem Anteil an hochverzinslichem Mezzaninekapital kann es also dazu kommen, dass einige Akteure ihre Kredite vorübergehend stunden müssen.

Wie werden die Banken darauf reagieren? Wahrscheinlich sehr besonnen. Viele werden Aufschub geben, da die meisten Immobilienprojekte selbst ja nach wie vor marktgängig sind.

Die Finanzierer werden also jedes einzelne aktuelle Neubauvorhaben und jede Projektentwicklung genau analysieren und die meisten derjenigen Projekte auch weiter begleiten, die infolge des COVID-19-Schocks von der ursprünglichen Projektplanung – meist im Hinblick auf den Zeitplan – abweichen. Dafür werden sie im Gegenzug zusätzliche Sicherheiten in Form eines Risikoaufschlags verlangen, was natürlich die Marge des Entwicklers schmälert. Da die Banken diesmal – anders als im Zuge der Finanzkrise ab 2008 – zudem rechtzeitig von EZB und FED mit Liquidität versorgt wurden, dürften diese weitgehend handlungsfähig bleiben. Für die langfristige Wertbeständigkeit des Produkts Immobilie spricht zudem, dass sich vermutlich mittelfristig zahlreiche Investoren von den sehr volatilen Aktienmärkten abwenden und ihr Geld verstärkt in Immobilien allokieren werden.

Projekte am Leben halten
Ein weiterer Grund, warum die Banken sich kooperativ zeigen dürften, besteht im ansonsten zu befürchtenden Domino-Effekt. Denn sobald Projektentwickler in größerer Zahl in die Insolvenz rutschen würden, wären auch deren Geldgeber und Kooperationspartner betroffen, die ein Teil des Entwicklerrisikos mittragen. Sollten die Verluste zu groß ausfallen, platzen für die Banken womöglich laufende Kredite für Bestandsimmobilien, und auf lange Sicht droht das Szenario einer systemischen Krise der Immobilienwirtschaft.

Aber auch diejenigen Finanzierer, die hochverzinsliches Mezzaninekapital vergeben, würden wohl kaum davon profitieren, ihre Kredite bei Projektverzögerungen fällig zu stellen und auf eine Zwangsversteigerung hinzuwirken. Im Gegenteil werden sie jetzt eine noch höhere Rendite durch zusätzliche Aufschläge erwirtschaften, die wiederum das Darlehen verteuern. Bei einem Szenario, dass Anleger ihre Immobilienquoten mittelfristig erhöhen und die Preise weiter steigen, könnte Mezzaninekapital sogar letztlich günstiger werden. Schließlich dürften niedrige Leitzinsen und eine immer expansivere Geldpolitik sowie – insbesondere nach der Krise – fehlende sichere und renditestarke Alternativinvestments auf eine zuletzt immer weiter gestiegene Zahl an Mezzanine-Kapitalgebern treffen.

Unvorhersehbare Situation auf den Vermietungsmärkten
Natürlich sind auch die Vermietungsmärkte, respektive die erzielbaren Mietpreisniveaus weiterhin ein wichtiger preisbildender Faktor für Projektentwicklungen – genau wie für Bestandsimmobilien. Hierbei handelt es sich nicht nur für Hotel- oder Einzelhandelsimmobilien, sondern auch im Büro- und Produktionssegment um die zurzeit vielleicht größte Unbekannte für Entwickler und Investoren. Einerseits existieren für zahlreiche Mieter branchenimmanente Risiken, und es ist durchaus möglich, dass Hoteliers, Gastronomen oder auch Eventmanager und Messebauer trotz staatlicher Hilfen unverschuldet in die Zahlungsunfähigkeit geraten. Andererseits können auch Unternehmen anderer Wirtschaftszweige infolge der generellen wirtschaftlichen Abkühlung vor existenziellen Problemen stehen, beispielsweise wenn sie zu viel Fremdkapital aufgenommen haben und die entsprechenden Finanzierer ihre Zukunftsfähigkeit anzweifeln – oder einfach wenn Aufträge wegbrechen und Rechnungen nicht mehr beglichen werden können.

Für Bestandshalter und Projektentwickler ist es also umso wichtiger, genau zu differenzieren und (potenzielle) Mieterprofile zu analysieren. Ein gutes Beispiel hierfür, dass selbst innerhalb ein- und derselben Branche völlig unterschiedliche Voraussetzungen bestehen, findet sich im Flexible-Office- beziehungsweise im Coworking-Segment. Einerseits werden diejenigen Anbieter im Premiumsegment, deren Wirtschaftlichkeit bereits vor der COVID-19-Krise offen hinterfragt wurde, vermutlich unter dem steigenden Kostenbewusstsein leiden. Andererseits hat sich das Prinzip des dezentralen Arbeitens im Homeoffice bei den meisten Firmen während der Ausgangsbeschränkungen bewährt. Für diejenigen Unternehmen, die verstärkt auf „Remote Work“ setzen, aber dennoch wichtige Büroinfrastruktur benötigen, bietet sich also die flexible Anmietung mehrerer Arbeitsplätze bei einem entsprechenden Anbieter im moderaten Preissegment an. Für diese dürfte sich zudem positiv auswirken, dass ein Teil derjenigen Unternehmen, die 2020 oder 2021 eigentlich expandieren wollten, nun vermutlich zunächst eine Anmietung auf Zeit anstreben und die weitere Marktentwicklung abwarten.

Mein Fazit: Auf den Immobilienmärkten wird auch über die Dauer des Lockdowns hinaus eine gewisse Zeit der Ruhe einkehren. Da jedoch einerseits die wichtigsten gesellschaftlichen Megatrends durch die Krise nicht ausgehebelt werden und andererseits vor dem Ausbruch der Pandemie ein enormer Nachfrageüberhang sowohl auf den Immobilieninvestmentmärkten als auch auf den -vermietungsmärkten herrschte, werden sich die Insolvenzen im Immobiliensektor auf einige wenige Akteure beschränken. Es dürfte also mit Ausnahme einiger weniger Immobilientypen wie Hotels oder Einzelhandelsimmobilien weder zu einer negativen Preisspirale noch zu einem Dominoeffekt an fällig gestellten Projekten kommen.

Zahlreiche Investoren, die sich nun von diesen beiden Assetklassen abwenden, werden ihr Kapital weiterhin in Gewerbeimmobilien anlegen – unter anderem verstärkt in Logistikobjekte. Denn genauso, wie sich Hotels langfristig auf weniger Geschäftsreisende einstellen müssen, da sich Videomeetings anstatt von persönlichen Treffen bewährt haben, sind zahlreiche Silver-Ager und bisherige „Online-Verweigerer“ dem E-Commerce nähergekommen und werden auch nach Ende der Pandemie verstärkt im Internet bestellen.

Da also die Nachfrage nach zeitgemäßen Produkten steigen und die Liste möglicher Investoren für den Großteil der Assetklassen im Gewerbeimmobiliensegment also perspektivisch länger werden dürfte, ist eine positive Preisentwicklung in diesen Segmenten das langfristig realistischere Szenario für die professionellen Immobilientransaktionsmärkte.

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*) Peyvand Jafari, Geschäftsführender Gesellschafter, CREO Group