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Kommentar: Potenziale nutzen – Immobilien sind kein Derivat der Finanzmärkte

Immobilieninvestments funktionieren anders als Investments in Wertpapiere. Auf der einen Seite erfordern sie Kenntnis über Marktgegebenheiten, Standortfaktoren und Nutzungsarten und sind weniger austauschbar. Andererseits bieten sie Anlegern aber die Möglichkeit, aktiv selbst oder durch Beauftragung eines erfahrenen Investment- oder Asset Managers Einfluss auf die Wertentwicklung zu nehmen.

Dr. Georg Reul (© Paribus-Gruppe/Fotograf Nils Hendrik Müller)

Gestiegene Zinsen, hohe Baukosten, insgesamt eher negative konjunkturelle Aussichten: Das Marktumfeld für Immobilien ist in den vergangenen Monaten schwieriger geworden. Die jahrelange Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat Immobilienpreise immer weiter steigen lassen. Hypothekenzinsen sind über Jahre kontinuierlich von über 3% auf unter 1% gesunken. Manche Marktteilnehmer haben sich daran gewöhnt, dass Immobilien alleine dadurch jedes Jahr Preiszuwächse erzielen konnten. Nun aber drückt das Zinsumfeld auf die Preise – ähnlich wie auch steigende Zinsen eine Abwertung des Anleihebestandes bei Anlegern verursachen.

Doch anders als bei einem passiven Investment in Wertpapiere gibt es bei Immobilien Einflussmöglichkeiten auf die Bewertung. Denn Immobilien sind nicht einfach ein Derivat der Kapitalmärkte. Immobilien sind eine Assetklasse für sich. Das sind sie, weil Anleger nicht einzig und allein vom Puls der Märkte abhängig sind, sondern aktiv eingreifen und gestalten können. Das Marktumfeld spielt dabei eine Rolle, ist aber nur ein Faktor von vielen.

Dass die Bedeutung des Marktes falsch eingeschätzt wurde, war meiner Auffassung nach auch im Niedrigzinsumfeld häufig der Fall. In der Erwartung, dass die Rahmenbedingungen so bleiben und die Preise weiter stetig anziehen würden, wurden teils absurde Preise für Objekte aufgerufen und Kriterien wie Qualität und Lage hintenangestellt. Gleichzeitig meinten viele, sich nicht weiter um die Immobilie kümmern zu müssen und im Vertrauen auf den anhaltenden Aufwärtstrend die Hände in den Schoß legen zu können. Die zu teuren Einkäufe machen vielen jetzt zu schaffen.

Immobilien funktionieren anders als Finanzderivate
Doch früher wie heute gilt: Man ist bei Immobilien nicht dazu verdammt, den Marktentwicklungen untätig zuzuschauen wie bei einem Schiff ohne Ruder, das auf den Wellen tanzt.

Im Unterschied zu Wertpapieren bieten Immobilien operative Hebel, um aktiv die Wertentwicklung zu steuern. Bei Aktien oder Anleihen ist das in der Regel nicht möglich. Hier kann nur durch geschicktes Kaufen oder Verkaufen die Rendite gesteigert werden – wenn es überhaupt gelingt und sofern es bei institutionellen Anlegern nicht das Asset-Liability-Gleichgewicht des Portfolios durcheinanderwirbelt. Käufer von Anleihen oder Aktien haben nur in den seltensten Fällen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung und den Erfolg der Unternehmen, sie stehen zumeist passiv am Rand. Dagegen ist nichts einzuwenden, es ist aber eine andere Art der Geldanlage.

Anleger können aktiv Einfluss nehmen
Eine Immobilie hingegen ist ein Investment zum Anfassen, auf das Einfluss genommen werden kann und muss. Generell ist zu empfehlen, das Immobilienmanagement Experten zu überlassen. Der Erfolg hängt dabei maßgeblich von dem Know-how und der Strategie des Investment- und Assetmanagers ab. Woran erkennen Investoren ein gutes Management? An einem aktiven und wertschöpfenden, auf Langfristigkeit angelegten Ansatz, der auf hochwertige Objekte in guten Lagen fokussiert.

Wertschöpfendes Asset Management macht den Unterschied
So ein Ansatz ist besonders in einem eher schwierigeren Marktumfeld wichtig. So stehen zurzeit aufgrund der hohen Inflation und der gestiegenen Kapitalmarktzinsen nicht wenige Immobilien unter markt- und zinsbedingtem Abwertungsdruck. Der Abwertungsdruck ist aber für solide finanzierte, hochwertige Objekte mit langfristig guten Mietern niedriger als derzeit vielfach vermutet, zumal wenn sie eher konservativ bewertet sind. Ist außerdem etwa der Anteil an Fremdkapital relativ gering, schlagen höhere Zinsen weniger zu Buche.

Nicht zuletzt sind Gewerbemietverträge oftmals indexiert. Sie liefern dadurch den Inflationsschutz mit. Positiv auf die Bewertungen wirken sich auch langfristige Mietverträge aus, weil sie für eine gewisse Planbarkeit sorgen. Ob dabei Single-Tenants oder Multi-Tenants von Vorteil sind, lässt sich nicht pauschal sagen. Single-Tenant-Objekte verringern tendenziell den Vermietungsaufwand und damit die Kosten, gleichzeitig kann es für Herausforderungen sorgen, wenn der alleinige Mieter kündigt und entsprechender Ersatz gefunden werden muss.

Enger Austausch mit Mietern als Standard
Entscheidend ist aber vielmehr, während der gesamten Laufzeit einen engen Austausch mit dem oder den Mietern zu pflegen und nicht erst kurz vor Ablauf des Mietvertrags oder der Mietverträge mit dem Ziel einer unkomplizierten Verlängerung den Kontakt zu suchen. Zufriedene Bestandsmieter sind ein wichtiges Pfund, das es zu hegen und zu pflegen gilt. Wünscht ein Mieter zwischenzeitlich eine andere Flächenaufteilung oder eine Verkleinerung der Fläche, dann sollte das Management dafür Lösungen finden. Es ist ja so, dass sich Anforderungen immer mal wieder ändern und sich eine Immobilie weiterentwickeln sollte.

Wirtschaftlichkeit auch bei ESG-Umsetzung von Bedeutung
Gutes Asset Management bedeutet aber auch, die Wirtschaftlichkeit stets im Blick zu behalten. Das gilt etwa für die Umsetzung von ESG-Maßnahmen. Eine Reduzierung von Energiekosten und die Senkung des CO2-Ausstoßes sind gemäß EU-Taxonomie nicht nur gesetzlich vorgegeben, sondern sie sind auch für Betreiber und Mieter von großem Interesse. Eine schrittweise Umsetzung, die Kosten und Nutzen abwägt und nicht irgendeinem Trend hinterherläuft, ist für mich der Schlüssel zum Erfolg. Die Umsetzung von ESG-Kriterien ist also wieder eine Möglichkeit, die Immobilie aktiv zu managen und zukunftsfähig zu halten.

Es zeigt sich: Ein gutes Immobilieninvestment hält die Immobilie in Schuss und den Cashflow stabil – das bedeutet Arbeit, man muss sich damit intensiver auseinandersetzen als mit einem Investment in Wertpapiere. Aber genau darin liegt der Charme: Aktive Auseinandersetzung ist keine Bürde, sondern eine Chance. Es besteht Gestaltungsspielraum für einen aktiven Beitrag zur Wertentwicklung. Ich erlebe immer wieder, dass sich der Einsatz lohnt und dass er gewürdigt wird. Denn Investoren bekommen, wenn es gut läuft, viel heraus. Nicht nur finanziell, sondern auch deshalb, weil sie ihr Investment mitgestalten können.

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*) Dr. Georg Reul, Geschäftsführer bei der Paribus-Gruppe