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Kommentar: In die Infrastruktur der Zukunft investieren

Private Anlagen in die Infrastruktur haben im Zeitraum 2021-2022 weltweit erstmals die Marke von 1.000 Mrd. US-Dollar überschritten, und für die nächsten fünf Jahre wird ein Wachstum von 116% erwartet. Damit ist diese Anlageklasse das wachstumsstärkste Segment im Bereich Private Markets und Alternative Investments. Anfang 2023 standen knapp 350 Infrastrukturfonds in den Startlöchern, die mehr als 250 Mrd. US-Dollar an Kapital einwerben wollen.

Charlotte Dewynter

Inflationsängste, geopolitische Instabilität, das Streben nach Unabhängigkeit in der Energieversorgung und der enorme Investitionsbedarf für die Energie- und Klimawende, die Digitalisierung und die Förderung neuer Mobilitätsformen sind die Haupttriebkräfte dieses Wachstums. Privates Kapital zur Infrastrukturfinanzierung eröffnet angesichts knapper Kassen beim Staat und den Unternehmen zusätzliche Spielräume für diese Investitionen.

Das wachsende Interesse an dieser Anlageklasse ist auch darauf zurückzuführen, dass diese zyklischen Schwankungen trotzt, nur eine schwache Korrelation zu anderen Anlageklassen aufweist und Inflationsschutz bietet. Vor allem aber zeichnen sich Infrastrukturinvestitionen bei oft hohen Markteintrittsbarrieren durch planbare und langfristige Cashflows sowie attraktive und stabile Renditen aus und wirken in einem Portfolio gleichzeitig volatilitätsdämpfend.

Da auf den Bau und den Betrieb von Infrastruktur 79% des weltweiten Emissionsvolumens entfallen, muss dringend in langlebige Infrastruktur investiert werden, insbesondere vor dem Hintergrund der weltweiten Klimaziele. Die Akteure an den Finanzmärkten spielen bei diesem Übergangsprozess eine wichtige Rolle, indem sie Kapital gezielt in neue Bahnen lenken: grünere, nachhaltigere, vernetztere und sozial verantwortlichere Infrastruktur, die das Grundgerüst einer effizienteren Wirtschaft bildet.

Und in jedem Bereich gibt es eine Fülle attraktiver Anlagechancen mit Zukunftspotenzial.

Energiewende
Angesichts des Bevölkerungswachstums und der Verstädterung sowie der Tatsache, dass die Weltwirtschaft bis 2045 auf das Doppelte ihrer jetzigen Größe angewachsen sein dürfte, könnte der Energiebedarf in diesem Zeitraum um etwa 30% steigen¹. Auch der Klimawandel und steigende Temperaturen erfordern dringenden Handlungsbedarf. 140 Länder, die für 90%² der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, haben sich Klimaneutralitätsziele gesteckt oder planen solche Ziele, was eine Dekarbonisierung der Wirtschaft impliziert.

Bis 2050 müssen über 90% des Strombedarfs aus sauberen Quellen gedeckt werden³. Dies bedeutet bis zu 30.000 Mrd. US-Dollar an Investitionen in Infrastruktur für entsprechende Energieformen bis 2040. Das Streben Europas nach größerer Unabhängigkeit in der Energieversorgung in Zusammenhang mit dem Ukrainekonflikt hat diesem Trend zu sauberer Energie einen starken zusätzlichen Impuls gegeben. Von staatlicher Seite wird der Übergangsprozess durch Maßnahmen wie die EU-Taxonomie⁴ und einen entsprechenden rechtlichen Rahmen⁵ unterstützt. Mit dem Inflation Reduction Act in den USA und REPowerEU in Europa sollen Anreize für Investitionen in eine klimaneutrale Wirtschaft geschaffen werden.

Solar- und Windenergie sollen bis 2050 einen Anteil von 70% am Portfolio der Energiequellen haben. Der Kapitalbedarf für Investitionen in die Energiewende besteht jedoch nicht nur im Hinblick auf neue Kapazitäten zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Zahlreiche Anlagechancen bieten sich auch in den Bereichen Stromspeicher und Stromtransport sowie Netzoptimierung und Netzstabilisierung. Mit einem Einsparpotenzial von über 40% des Emissionsvolumens, das bis 2040 wegfallen muss, spielt die Energieeffizienz eine Schlüsselrolle bei der Energiewende.

Der Bedarf an grünem Wasserstoff wird sich bis 2050 voraussichtlich auch versiebenfachen.

Schließlich besteht auch ein enormer Investitionsbedarf zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks in der Industrie, insbesondere im Baugewerbe sowie bei Heiz- und Kühlsystemen für den urbanen Raum.

Klimawende
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Dienstleistungen in den Bereichen Umwelt, Wasser/Abwasser und Müllentsorgung. Mit einer Verwertungsquote von lediglich 15% des wiederverwertbaren Plastiks ist beim Recycling in bestimmten europäischen Volkswirtschaften noch viel Luft nach oben. Wiederverwertung spielt in einer Kreislaufwirtschaft aber eine zentrale Rolle. Investitionsbedarf besteht auch bei der Energiegewinnung aus Müll. Schließlich muss auch die Trinkwasser- und Abwasserinfrastruktur optimiert werden, und mit den neuen Technologien wird es möglich sein, den Verbrauch zu kontrollieren und zu reduzieren.

Digitalisierung
Die Pandemie hat die Digitalisierung der Wirtschaft beschleunigt, gleichzeitig aber auch die Ungleichheiten bei Netzzugang und Netzanbindung offenbart. Letztere hat sich als Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung des sozialen Zusammenhalts erwiesen.

Mit verstärkter Arbeit im Home-Office, dem Internet of Things, künstlicher Intelligenz, Cloud-Technologien und Smart Cities ist der Bedarf an Datenübermittlung, Datenspeicherung und Datenverarbeitung stark angestiegen. Dadurch erhöht sich auch der Bedarf an kabelloser Konnektivität, Glasfaserleitungen, 5G-Antennen und Datenzentren. Staatliche Investitionen, die Schaffung entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen und internationale Zusammenarbeit fördern diesen Prozess. Schätzungen von Brookfield zufolge besteht in den kommenden fünf Jahren weltweit ein Investitionsbedarf von mehr als 1.000 Mrd. US-Dollar bei Dateninfrastruktur.

Bis 2026 sollen weitere 67% der europäischen Haushalte mit einem Glasfaseranschluss ausgestattet sein. Der Kapitalbedarf für den Glasfaserausbau und die Beseitigung der Disparitäten im Netzzugang ist enorm⁶. Der Aufbau von 5G- und dann auch 6G-Netzen läuft, insbesondere in Europa und erfordert hohe Investitionen.

Mobilitätswende
2021 hat die Europäische Kommission eine Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität veröffentlicht, die auf eine Reduzierung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen um 90% bis 2050 abzielt. Auf den Sektor Mobilität entfällt aktuell der größte Anteil an Treibhausgasemissionen in der EU. Die Umstellung auf Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb markiert eine wichtige Etappe auf dem Weg zu Klimaneutralität. Das vor kurzem auf EU-Ebene beschlossene Verbot für den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 wird diese Entwicklung beschleunigen. Schätzungen der Internationalen Energieagentur zufolge muss es bis 2030 300 Millionen Elektroautos geben, damit das Netto-Null-Ziel erreicht werden kann. Dies erfordert Investitionen in Ladestationen, auf den Straßen, auf den Parkplätzen und zu Hause bei den Nutzern. Die Ziele der EU werden sich auch in Veränderungen im Bereich öffentliche Verkehrsmittel und urbane Mobilität manifestieren, mit dem verstärkten Einsatz von elektrisch betriebenen Straßenbahnen, Bussen und U-Bahnen. Auch die Dekarbonisierung des Luft- und Frachtverkehrs ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

Fazit
Mit dem Übergang zu mehr Nachhaltigkeit entstehen vielfältige attraktive Anlagechancen im Infrastrukturbereich, da bestehende Einrichtungen angepasst und neue gebaut werden müssen. Positive Impulse gehen von staatlichen Anreizen, neuen rechtlichen Rahmenbedingungen, privatem Kapital und Bürgerinitiativen aus.


(1) Infrastructure 2022 Market Outlook. Carlyle, Dezember 2021
(2) The Climate Action Tracker (CAT): climateactiontracker.org/global/cat-net-zero-target-evaluations
(3) Bouckaert, Stéphanie, et al. Net Zero by 2050 – A Roadmap for the Global Energy Sector. IEA, Mai 2021
(4) In der Taxonomie der EU sind sechs Umweltziele definiert und gilt eine Wirtschaftsaktivität als nachhaltig, wenn sie einen Beitrag zur Erreichung von zumindest einem dieser Ziele leistet.
(5) Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Non-Financial Reporting Directive (NFDR)) und Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR))
(6) FTTH Forecast for Europe – Marktprognosen 2021-2026. IEA, September 2021


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*) Charlotte Dewynter, Head of Infrastructure bei Union Bancaire Privée (UBP)