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Kommentar: Die Handlungsfähigkeit der Immobilien-Entwickler hängt von ihren Strukturen ab

Bis vor Kurzem konnten Immobilienprojektentwickler in Deutschland eigentlich nicht viel falsch machen. Der Markt verzieh großzügig viele Fehler. Unterschieden wurde in erster Linie nach Assetklassen, Immobilienkonzepten und Investmentstilen. Die entscheidende Stellschraube für die Renditeerwartung war das Leverage: Je höher, desto besser. Fremdkapital war zum Teil beinahe umsonst zu haben. Die einzige Bremse war die Bankenregulierung, aber dafür standen Alternativen parat. Doch dann kam die Zinswende. Finanzierungen sind plötzlich wieder teuer, Finanzierer agieren restriktiv. Damit wird jetzt wieder die Verfügbarkeit von Eigenkapital zur entscheidenden Größe.

Anett Barsch

An Entlastung ist derzeit kaum zu denken, denn noch immer sorgt eine weiterhin relativ hohe Inflation dafür, dass die Zentralbanken höchstwahrscheinlich ihren harten Zinskurs noch eine Weile fortsetzen werden. Unsere internen Prognosen gehen für das Gesamtjahr 2023 von einer Inflation in Höhe von 6,2% aus, womit wir knapp über dem Konsens der Wirtschaftsweisen liegen. Letztlich geht es aber nicht um Nachkommastellen, sondern um einen grundsätzlichen Trend: Fremdkapital ist wieder teuer und wird dies auf absehbare Zeit bleiben. Damit geht jedoch ein Paradigmenwechsel einher – sowohl für Projektentwickler als auch für deren Investoren. Inzwischen kommt es vor allem auf Eigenkapitalstärke, aber auch auf die zugrundeliegenden (Fonds-)strukturen an. Aber warum ist das so?

Das Eigenkapital bestimmt über die Handlungsfähigkeit
Bei Projektentwicklern wird nunmehr vor allem die Frage, wie viel Eigenkapital sie mitbringen beziehungsweise mobilisieren können, als Maßstab für die Handlungsfähigkeit herangezogen. Und Handlungsfähigkeit ist gerade in dieser Marktlage ein alles entscheidender Faktor für Projektentwickler. Schließlich können sie – anders als saturierte Bestandshalter – die aktuelle Marktschwäche nicht einfach aussitzen. Das liefe ihren Geschäftsmodellen langfristig zuwider, bei denen der IRR (Internal Rate of Return; Gesamtverzinsung) eine entscheidende Kennzahl ist. Sie müssen in irgendeiner Form tätig werden.

Dabei zeichnen sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen ab: Für Entwickler mit nur geringen Kapitalreserven bietet es sich erstens an, stärker auf das Modell des Service-Developers zu setzen. Damit ist gemeint, dass sie als Dienstleister Immobilienprojekte für Dritte entwickeln und eine feste Vergütung dafür enthalten, während der Auftraggeber – also de facto der Investor – sowohl von den eigentlichen Wertsteigerungen profitiert, aber auch das Entwicklerrisiko trägt. In diesem Fall agiert der Projektentwickler also wieder als reiner Dienstleister. Der ganzheitliche, in Niedrigzinszeiten auch als „Develop and Hold“ nicht zu Unrecht oftmals forcierte Ansatz, wäre demnach erledigt.

Je mehr Eigenkapital zur Verfügung steht, desto größer sind nun aber auch die Möglichkeiten, zweitens bei gleichzeitig sinkender Konkurrenz Opportunitäten zu nutzen und Zukäufe zu tätigen oder neue Projekte zu entwickeln. Den hohen Eintrittsbarrieren und Kapitalkosten steht ein langfristig intakter Nachfrageüberhang nach Wohn- und Gewerbeimmobilien in deutschen Metropolen und Wachstumsstädten gegenüber. Voraussetzung ist allerdings die hohe Verfügbarkeit von Eigenkapital und die Bereitschaft, dieses auch ohne großen Fremdkapitalhebel einzusetzen.

Allerdings ist angesichts hartnäckiger Inflation, unklarer Zinsprognosen sowie weiterer wirtschaftlicher Unwägbarkeiten kaum abzusehen, welche Marktpreise in 36 oder 48 Monaten realistischer Weise erzielt werden können. Viele Investoren müssen deshalb unterm Strich zyklisch agieren und haben mit möglicherweise skeptischen Eigenkapitalgebern nur begrenzt die Möglichkeit, sprichwörtlich gegen den Strom zu schwimmen. Letztlich gibt es aufgrund der Zinssituation viel weniger risikohafte Anlagemöglichkeiten zu vergleichbaren oder sogar besseren Renditen.

Fondsstrukturen sorgen für Spielraum
Mehr noch als die Liquiditätssituation entscheiden also die Strukturen, auf die ein Projektentwickler im Hintergrund zurückgreifen kann. Unabhängig vom Zyklus agieren kann ein Entwickler zurzeit vor allem dann, wenn er entweder zu einem inhabergeführten Bestandshalter oder aber zu einem Fondsmanager gehört, der das Eigenkapital im Fonds auch azyklisch mobilisieren kann.

Dann ist es sowohl möglich, eine abwartende Haltung einzunehmen, bis eine merkliche Bodenbildung auf den Märkten eingesetzt hat. Alternativ kann sich der Akteur aber auch entscheiden, völlig azyklisch zu agieren und ausgewählte Neubau-, Revitalisierungs- oder energetisches Sanierungsvorhaben zu starten – selbst dann, wenn sich dies auf der Projektebene kurzfristig nicht rechnen sollte.

Besonders bei offenen Immobilienfonds – gleich ob Spezial- oder Publikumsfonds – wird der Nutzen einer solchen Strategie ersichtlich: Ein vielversprechendes Projekt in erstklassiger Lage und mit modernem Immobilienkonzept sowie hohen Nachhaltigkeitsstandards kann bei ausreichender Liquidität selbst dann angekauft werden, wenn der Verkäufer sich nicht auf signifikante Preisabschläge einlässt. Während der Bauphase sorgen die laufenden Mieteinnahmen aus den übrigen Projekten für einen konstanten Cashflow. Nach Fertigstellung der Projekte kann entweder ein Verkauf realisiert oder aber die Immobilie in das Portfolio aufgenommen werden – womit der „Develop and Hold“-Ansatz eine Zukunft hätte. Denn dadurch würden die Investoren langfristig von einer marktgängigen Immobilie profitieren, die zum Beispiel über indexierte Mietverträge von Jahr zu Jahr höhere Einnahmen generieren kann oder am langfristigen Wertzuwachs aufgrund der wachsenden Nachfragesituation Teil hat.

Auf diese Weise können Projektentwickler, die über Fondsstrukturen verfügen, somit in Form von gezieltem Cherry-Picking ihr Portfolio im aktuellen Umfeld gezielt erweitern und ihr Volumen somit vergrößern. Ebenso ist es möglich, ein bestehendes Portfolio um ausgewählte Assetklassen oder Standorte zu erweitern. Bestes Beispiel hierfür sind gemischt genutzte Quartiere, die sowohl von Investoren als auch von Nutzern geschätzt werden – jedoch aufgrund dieser Qualitäten sowie ihrer großen Flächenumfänge im Ankauf sehr teuer sind. Im Umkehrschluss ermöglicht dies jedoch, viel Kapital in einem in sich diversifizierten Areal zu allokieren. Kurzum: Wer jetzt in der Lage ist, Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, kann sich bei entsprechender Ausrichtung derzeit in eine vorteilhafte Lage bringen.

Die Kooperationsformen für Investoren sind zahlreich
Für Investoren, die neu in den Markt eintreten oder ihr Engagement in einem bestimmten Segment ausweiten wollen, ergibt diese Ausgangssituation wiederum zahlreiche Handlungsspielräume – sofern sie die nötige Flexibilität aufbringen können. Dabei sollten sie bei der Auswahl des Entwicklers jedoch nicht nur auf den Track Record und die Immobilienkonzepte achten, sondern auch auf die Strukturen im Hintergrund.

Beispielsweise können sie sich dazu entscheiden, sich mit eigenkapitalschwächeren Entwicklern zu Joint Ventures zusammenzuschließen – auch, um eventuell benötigtes Entwickler-Know-how in den eigenen Reihen abzubilden. Die zweite Variante besteht darin, Fremdkapital in Form von Senior- oder Whole-Loans zu vergeben und somit die Finanzierungsnische zu füllen, die die restriktive Kreditvergabe der Banken geöffnet hat. Dann würden sie sich freilich auch der Fremdkapitalseite wiederfinden. Für Investoren jedoch, die nach großvolumigen Investmentmöglichkeiten suchen und gleichzeitig unabhängig vom Zyklus agieren wollen, könnte gerade jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sein, um Eigenkapital bereitzustellen und in bestehende Fonds zu investieren oder mit dem dazugehörigen Entwickler und Asset Manager Individualmandate zu vereinbaren. Um so handeln zu können, ist allerdings ein langer Atem nötig. Ein kurzfristiger Return of Invest ist nicht zu erwarten, stattdessen eine auf längere Zeit angelegte Wertentwicklung.

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*) Anett Barsch, Head Project Development Deutschland bei Swiss Life Asset Managers