Die Leerstandsquote in den deutschen Büromärkten stieg seit dem Tiefpunkt 2019 um über 400 Basispunkte auf rund 7%, gleichzeitig legen die Mieten weiter zu, in der Spitze um über 5% p.a. seit 2019. Auf den ersten Blick wirkt diese Dynamik widersprüchlich und auch in der historischen Betrachtung war dieser Zusammenhang seit 2003 nicht zu beobachten. Doch das scheinbare Paradoxon ist schlicht Ausdruck einer tiefgreifenden strukturellen Verschiebung: Der „Flight to Quality“ prägt die Märkte zunehmend. Unternehmen reduzieren zwar ihre Gesamtflächen, stellen aber zugleich immer höhere Anforderungen an Lage, Qualität und ESG-Standards. Bei solchen Flächen steigen die Mieten. Ältere Bestände in peripheren Lagen hingegen bleiben oftmals liegen und treiben die Leerstände nach oben. Der Büromarkt spaltet sich zunehmend – räumlich wie qualitativ.
Diese Marktsegmentierung zeigt sich auch daran, dass die durchschnittlichen Abschlussmieten und die durchschnittlichen Angebotsmieten in den Top-7-Büromärkten inzwischen deutlich auseinanderlaufen. Die Ursache liegt in der Schieflage des Angebots: Während hochwertige Flächen in guten Lagen hohe Preise erzielen, fließen viele günstige, aber veraltete Objekte zwar in die Angebotsstatistik ein, finden jedoch oft keine Abnehmer mehr. Die realisierten Mieten steigen also aufgrund weniger, aber teurer Abschlüsse – während die Angebotsmieten stagnieren, gebremst von Flächen, für die es selbst bei niedrigen Preisen kaum Nachfrage gibt.
Dass sich diese Marktspreizung zuletzt erheblich beschleunigt hat, zeigt der Vergleich von langfristiger und kurzfristiger Entwicklung der Spitzenmieten in unterschiedlichen Teillagen: Während die jährlichen Wachstumsraten in City-, Cityrand- und Peripherielagen der Top-7-Städte im Zehnjahresvergleich noch relativ nah beieinander lagen (zwischen 4,2 und 4,8% p.a.), hat sich das Bild in den vergangenen drei Jahren stark verändert. In den zentralen City-Lagen zogen die Spitzenmieten um 7,8% jährlich an – und damit mehr als doppelt so stark wie im Cityrand (3,7%) oder in der Peripherie (3,5%). Die Qualität der Lage wird damit zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal im Mietniveau.
Konkret sichtbar wird dieser Trend an den Umzügen zahlreicher großer Unternehmen in den vergangenen drei bis vier Jahren: Viele Firmen haben Standorte in älteren Objekten in peripheren Lagen aufgegeben und sind in zentraler gelegene, nachhaltige Neubauten oder hochwertig sanierte Objekte gezogen – meist verbunden mit einer Flächenoptimierung und deutlich höheren Mieten. Für überregionale Aufmerksamkeit sorgte zudem der kürzlich für 2028 angekündigte Umzug von KPMG von „The Squaire“ am Flughafen Frankfurt an den Opernplatz. Auch in anderen Städten ist diese Entwicklung sichtbar, teilweise auch im öffentlichen Sektor. So mietete etwa der Bayerische Landtag großflächig im Münchener Stadtteil Lehel an. Der „Flight to Quality“ zieht sich somit quer durch Branchen, Wirtschaftsbereiche und Nutzergruppen.
Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die seit der Pandemie spürbar gestiegene und relativ stabile Homeoffice-Quote. Viele Unternehmen planen ihre Büroflächen heute viel gezielter. Im Mittelpunkt stehen eine zentrale Lage sowie Räume für Austausch, Kreativität und gelebte Unternehmenskultur. Die „New-Work-Fähigkeit“ eines Gebäudes hat sich somit längst als zentrales Kriterium bei Anmietungsentscheidungen etabliert.
Für Investoren bedeutet das: Auch wenn der Büromarkt strukturelle Umbrüche durchläuft und die Nachfrage spürbar gesunken ist, fällt das Urteil über ihn oft schlechter aus, als es die Daten nahelegen. Die Kombination, aus der seit 2020 erheblich gestiegenen Leerstandsquote und dem immer wieder beschworenen Abgesang auf das Büro hat ein überzogen negatives Bild gezeichnet. Zweifellos ist das Marktumfeld herausfordernd. Doch die pauschale Abstrafung greift zu kurz, die Realität ist differenzierter: Investmentchancen werden selektiver, aber gerade dadurch oft attraktiver. Premiumflächen in etablierten Lagen bleiben gefragt. Nicht das Büro an sich steht infrage, sondern insbesondere die Standardflächen, die früher noch funktionierten und heute fast niemand mehr will.
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*) Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei PTXRE
Kommentar: Das Mieten-Paradoxon

Andreas Trumpp