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Kommentar: Alternative Immobilienfinanzierer werden wählerischer

Steigende Zinsen sorgen für wachsende Risiken bei Immobilienfinanzierungen. Alternative Finanzierer werden Projekte deshalb genauer unter die Lupe nehmen als in der Vergangenheit und öfter auch Finanzierungsanfragen ablehnen. Weiterwachsen wird die Branche trotzdem, denn Immobilien bleiben gefragt, und Private-Debt-Fonds werden zur wesentlichen Alternative zu den immer ängstlicheren Banken.

Maximilian Könen

Private Real Estate Debt konnte sich in Deutschland in den letzten Jahren etablieren. Die Alternative zur Immobilienfinanzierung durch Banken profitierte doppelt vom Niedrigzinsumfeld – dieses nährte mit historisch günstigen Finanzierungskonditionen den immer noch anhaltenden Immobilienboom, von dem alternative Kreditgeber wie Private-Debt-Fonds überdurchschnittlich profitierten, weil die Banken immer schärferen Solvabilitätsvorschriften unterliegen und deshalb als Kreditgeber zunehmend restriktiver werden.

Zum anderen waren Private Debt und Immobilienexposure bei institutionellen Investoren zunehmend gefragt, weil die niedrigen Zinsen liquide Anlageformen, allen voran Anleihen, als Renditebringer nutzlos machten.

Doch nun ist die Zinswende eingeläutet. Die US-Notenbank hat Mitte März und Anfangs Mai den Leitzins angehoben und weitere Schritte in Aussicht gestellt. Noch ist die Europäische Zentralbank zurückhaltender, da sich die europäische Wirtschaft noch nicht vollständig von den Folgen der Corona-Pandemie erholt hat und der Ukraine-Krieg weitere Gefahren für die Konjunktur birgt. Doch angesichts der höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten wird auch sie in absehbarer Zeit gezwungen sein, die Zinsschraube fester zu ziehen.

Auf den Markt für Immobilienfinanzierungen wird sich das direkt und indirekt auswirken. Unmittelbar könnten höhere Zinsen einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil für alternative Finanzierer darstellen, weil für die Banken die Refinanzierungskosten steigen. Der Zinsvorteil, den Banken gegenüber Private Debt haben, dürfte damit geringer werden.

Höhere Zinsen lassen aber auch die Marktrisiken steigen. Das wirkt sich auch auf Immobilienprojekte aus. Das Risiko, dass sich ein Entwickler mit einem Projekt überhebt, wächst mit höheren Zinsen. Die Banken, die wegen der Basel-III-Eigenkapitalvorschriften ohnehin zunehmend Risiko aus ihren Büchern nehmen, dürften damit noch zaghafter bei der Kreditvergabe werden.

Das macht die alternativen Finanzierer für Projektentwickler noch wichtiger als bisher. Allerdings müssen auch sie wachsende Ausfallrisiken managen. Auch Private-Debt-Fonds werden daher selektiver werden und mehr Kreditanfragen ablehnen als zuvor.

Das gilt zum einen für das Wohnsegment, für das die Bundesbank jüngst ihre Warnung vor Überhitzungen erneuert hat. Das soll keinesfalls bedeuten, dass Wohnen pauschal unattraktiv für Investoren wird. Doch immer häufiger wird fraglich sein, ob Käufer bei steigenden Zinsen die zuletzt aufgerufenen hohen Preise weiterhin zahlen werden. Für die Projektentwickler stellen zudem die Steigerungen bei Löhnen und Materialien ein zusätzliches Risiko dar. Die Ukrainekrise und die Sanktionen gegen Russland heizen die schon vorher laufende Baukosteninflation weiter an und verschärfen die Lieferkettenprobleme weiter, unter anderem weil Russland ein wichtiger Lieferant von Holz war.

Die Finanzierer werden Kreditnehmer und Projekte daher kritischer unter die Lupe nehmen und genau analysieren, wie solide das Unternehmen finanziert und wie zukunftsfähig das Projekt ist. Projekte in Lagen, die schon zuvor nur mäßig gefragt waren, dürften es zunehmend schwer haben, Kreditgeber zu finden. Das gleiche gilt für Objekte, die neueste ESG-Anforderungen nicht erfüllen.

Grundsätzlich aber bleibt der Nachfrageüberhang nach Wohnungen bestehen. Projekte in Wachstumsregionen, in guten Lagen und mit hohem Standard, auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, werden weiterhin gerne finanziert.

Auch bei gewerblichen Finanzierungen wird sich zunehmend die Spreu vom Weizen trennen – etwa im Bürobereich, der laut CBRE im ersten Quartal dieses Jahres das dynamischste Segment am deutschen Immobilienmarkt war. Büroobjekte sind weiterhin gefragt, allerdings bevorzugt solche, die flexibel nutzbar sind, über eine moderne Ausstattung verfügen und hohe ESG-Standards erfüllen. Dagegen könnten Flächen, die mit dem von der Pandemie beschleunigten Wandel der Bürowelt nicht mithalten können, zu Ladenhütern werden. Besonders differenziert sind Industrieprojekte zu sehen. Der Ukrainekrieg birgt große Risiken für die Konjunktur und löst Lieferketten- und Marktverwerfungen aus, von denen bestimmte Branchen stärker betroffen sind als andere.

All das bedeutet, dass die alternativen Kreditgeber wählerischer werden. Dennoch wird die Branche weiterwachsen – vor allem in Deutschland, wo sie trotz des Wachstums der letzten Jahre immer noch deutlich geringere Marktanteile hat als in den USA und einigen anderen europäischen Ländern. Denn gerade in unsicheren Zeiten bleiben Immobilien als Anlageklasse gefragt, und während sich die Banken zunehmend zurückziehen, wird Private Real Estate Debt als Partner für die Entwickler immer bedeutender.

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*) Maximilian Könen, Managing Director Investments bei LINUS Digital Finance