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„Institutionelle Investoren sind aber langfristig orientierte Anleger und haben in den vergangenen zwei Jahren ihre Hausaufgaben gemacht“

Immobilien, Alternative Investments ESG und Research – Markus Hill* sprach für IPE D.A.CH mit Sebastian Thürmer, artis Institutional Capital Management GmbH, über interessante Anlageklassen für institutionelle Investoren und die aktuell laufende Studie „Anlagepräferenzen institutioneller Anleger“, die in auch in diesem Jahr wieder in Kooperation mit Telos Rating durchgeführt wird. Angesprochen werden Themen wie Private Debt, Infrastruktur, USA, Asien und Impact Investing.

Sebastian Thürmer

Markus Hill

IPE D.A.CH: Welche Stimmung nehmen Sie derzeit bei institutionellen Anlegern wahr?
Thürmer: Gemessen an den nicht immer einfachen Märkten in den vergangenen 12 Monaten ist die Stimmung relativ gut. Der rasante Zinsanstieg während des Jahres 2022 als Folge stark anziehender Inflation, hohe Energie- und Rohstoffpreise sowie einer drohenden Rezession im Euroraum belasten noch immer das Marktgeschehen. Institutionelle Investoren sind aber langfristig orientierte Anleger und haben in den vergangenen zwei Jahren ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben ihre Allokationsausrichtung angepasst und mit alternativen Anlagen ergänzt. Die Quote alternativer Anlagen, welche heute einen wesentlich höheren Stellenwert einnimmt als in der Vergangenheit, führt oftmals zu einer Mehrrendite, einer geringeren Volatilität sowie zu einer geringeren Korrelation im Vergleich zu traditionellen Assetklassen.

IPE D.A.CH: Sie haben gerade das Thema steigende Zinsen angesprochen. Sehen Sie da nicht eher ein Comeback klassischer Anlagen wie zum Beispiel Festverzinsliche?
Thürmer: Festverzinsliche sind in der Tat wieder attraktiver geworden. Das ist auch gut so, denn ohne Zinsträger im liquiden Bereich wird es auf Dauer für Unternehmen der Assekuranz oder Altersvorsorgeeinrichtungen nicht einfach, aber die frühere Bedeutung dieser Assetklasse werden wir in naher Zukunft nicht mehr sehen. Eher werden Alternative sowohl auf der Equity- als auch auf der Debt-Seite weiter an Gewicht gewinnen. Das liegt nicht nur an der Attraktivität dieser relativ neuen Anlagevehikel, sondern auch an der zunehmenden Bereitschaft von Investoren, nachhaltige Kriterien in das Kapitalanlagemanagement einfließen zu lassen. Nachhaltigkeit ist heute nicht mehr wegzudenken, sondern quasi ein entscheidender wirtschaftlicher Erfolgsfaktor und in den jeweiligen Anlagestrategien fest verankert. Nachhaltigkeitsaspekte können gerade bei alternativen Investments wesentlich zielgerichteter implementiert werden.

IPE D.A.CH: Hält also der „Run“ auf Alternative Investments wie zum Beispiel Infrastruktur auch im laufenden Jahr an?
Thürmer: Infrastrukturinvestitionen werden nicht nur im laufenden Jahr, sondern auch in den kommenden Jahren an Bedeutung stark zunehmen. Thematisch steht bei institutionellen Anlegern der Sektor Energie-Infrastruktur als Kernstück der Energiewende ganz oben auf der Agenda. In der von artis Institutional Capital Management und Telos Rating jährlich durchgeführten Befragung „Anlagepräferenzen institutioneller Anleger“, welche sich schwerpunktmäßig auf Immobilien und alternative Anlagen fokussiert, hatten Anfang 2022 annähernd 100% der bereits investierten oder demnächst investierten Anleger angegeben, dieses Segment abdecken zu wollen. Aber auch die Sektoren Verkehr (62%) und Soziales (54%) werden nachgefragt. Bei Verkehrsinfrastruktur geht es zukünftig weniger um den Ausbau des Straßennetzes, sondern mehr um die Partizipation an der Fortentwicklung internationaler Transportketten. Diese begünstigen beispielsweise den Gütertransport auf der Schiene oder per Schiff, also auch ein ökologischer Beitrag zur Energiewende. Die EU-Kommission hat 2020 das Ziel ausgegeben, bis 2030 ca. 30% und bis 2050 ca. 50% des Straßengüterverkehrs über 300 km auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr verlagern zu wollen. Institutionelle investieren aber auch vermehrt in Infrastruktur mit sozialem Fokus wie z.B. Schulen oder andere Bildungseinrichtungen, aber auch Kindertagesstätten oder den Betrieb von Krankenhäusern. Öffentliche Investitionen sind nicht ausreichend vorhanden, um die Investitionslücke in der sozialen Infrastruktur zu schließen. Institutionelle allokieren Infrastrukturanlagen sowohl mit Direktanlagen als auch mit Fondsvehikeln. Es werden in naher Zukunft aber auch neue Themen hinzukommen oder vielleicht mehr wahrgenommen als dies in der Vergangenheit der Fall war.

IPE D.A.CH: Könnten Sie Beispiele nennen?
Thürmer: Der Klimawandels und daraus folgend die angestrebte Energiewende charakterisieren, dass das Universum an Infrastrukturanlagen zukünftig ganzheitlicher und unternehmerischer betrachtet werden muss. Beispiel Wasser: Jedem ist bewusst, dass die Ressource Wasser knapp und der weltweite Wasserbedarf erheblich steigen wird, also muss eine zukunftsfähige und verlässliche Wasserversorgung in Zeiten der nahenden Klimakrise ganz oben auf der Agenda stehen. Ein weiteres Beispiel: die Investition in Metalle. Ohne ausreichende Mineralressourcen gelingt keine Energiewende, egal ob bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen, Strom- und Gasspeichern oder der Erzeugung grünen Wasserstoffs. Industrierohstoffe werden im 21. Jahrhundert eine aktivere Rolle einnehmen.

IPE D.A.CH: Wie schätzen Sie die Aussichten bestehender und neuer Immobilienanlagen seitens institutioneller Investoren ein?
Thürmer: Die Immobilienquote institutioneller Investoren hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt und mittlerweile prozentual einen zweistelligen Anteil an der Gesamtallokation. Aufgrund der Null-Zinssituation bis Ende 2021 hatte man oftmals das Gefühl, dass Immobilienanlagen die neuen Anleihen bzw. die neuen Zinsträger sind. Die Situation hat sich in den letzten 12 Monaten massiv verändert. Rezessionsängste, Krieg, steigende Rohstoffpreise, Inflation und steigende Zinsen haben das Marktumfeld belastet. Themen wie Optimierung der Bewirtschaftung von Liegenschaften, Eindämmung der Nebenkosten und/oder energetische Sanierung stehen bei Bestandsanlagen derzeit stark im Vordergrund. Neuinvestments werden nach den Bullenjahren wohl temporär etwas zurückgehen, trotzdem sind nicht wenige Institutionelle immer noch als Nachfrager am Markt. Die Quoten von Nutzungsarten wie Wohnen, Gesundheit oder Pflege werden auf Sicht der kommenden Jahre weiter zulegen. Kritischer sieht es wohl im gewerblichen Bereich aus. Büro-, Handels- oder Hotelimmobilien haben derzeit einen schweren Stand. Mit guten Konzepten bestehen aber auch da Chancen. „Core“ und „Core+“ bleiben die favorisierten Kategorien. Institutionelle sind in Deutschland und Europa gut allokiert, suchen aber zusätzlich nach attraktiven Zielregionen.

IPE D.A.CH: Also Immobilieninvestments in Asien?
Thürmer: Die konjunkturellen Aussichten sprechen in vielen asiatischen Ländern zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt für ein Investment. Hinzu kommen politische Risiken wie beispielsweise Hongkong oder Taiwan. Wir beobachten gegenwärtig einen Trend Richtung Nordamerika, gerade im Segment Wohnimmobilien. Die erzielbaren Renditen sind dort mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland und Europa. Die USA oder Kanada punkten mit positiven demographischen Aussichten. Attraktive Fundamentaldaten und langfristig robuste Konjunkturaussichten überzeugen zudem. Entsprechend attraktiv ist das Risiko-Rendite-Verhältnis für Investoren. Hinzu kommt, dass der Großteil deutscher und europäischer Investoren zu stark auf Europa fixiert ist. Eine breitere Streuung nach Regionen und Währungen spricht auch für Anlagen im Dollarraum, auch im Hinblick langfristig drohender Währungsverschiebungen.

IPE D.A.CH: Wie sieht beurteilen Sie aktuell das Interesse für Impact Investments bei institutionellen Investoren?
Thürmer: Impact Investments zielen vorrangig auf soziale oder ökologische Erträge und erst dann auf klassische Objektrenditen. Typische Investoren sind kirchliche Einrichtungen, Stiftungen und oftmals auch Single Family Offices. Diese Kundengruppen haben teilweise schon bis zu einem Drittel ihrer Anlagen, vorrangig im Immobilienbereich, wirkungsorientiert investiert. Klassische Institutionelle waren da in der Vergangenheit etwas zurückhaltender. Hier gibt es mit Sicherheit noch Potenzial, aber nicht in dem Ausmaß, wie wir das von bislang typischen Investoren kennen. Impact Investments bleiben über alle Kundengruppen hinweg eher ein Nischendasein. In Deutschland besteht aber im Vergleich zu anderen europäischen Ländern oder den USA noch ein größerer Nachholbedarf.

IPE D.A.CH: Sie hatten erwähnt, dass artis und Telos jährlich eine Befragung zu den Anlagepräferenzen institutioneller Anleger durchführt. Wann stehen die neuesten Ergebnisse zur Verfügung?
Thürmer: Wir führen gerade Gespräche mit den einzelnen Anlegergruppen durch und veröffentlichen die Ergebnisse im Frühjahr 2023.

IPE D.A.CH: Herzlichen Dank für diese Einblicke.

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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de

Sebastian Thürmer ist geschäftsführender Gesellschafter der artis Institutional Capital Management GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, einem unabhängigen Consultant und Placement Agent für institutionelle Investoren in der DACH-Region.