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Gastkommentar: Spezialisierung statt Massenmarkt

Investoren auf der Suche nach attraktiven Renditen können mit spezialisierten Investmentstrategien fündig werden. Das gilt nicht nur für Nischensegmente wie Datacenter oder Kindergärten, sondern auch für etablierte Assetklassen wie Einzelhandel, bei denen die ökonomischen und demografischen Fundamentaldaten der Retailobjekte stimmen und die von langfristigen Trends wie Städtetourismus und Urbanisierung profitieren.

Thomas Hübner

Kindergärten, Datacenter, Pflegeheime – auf der Suche nach attraktiven Renditen gehen Investoren mittlerweile verstärkt in die Nischen des Immobilienmarktes. Eine wachsende Zahl an Anlagevehikel bezeugt ein wachsendes Investoreninteresse vor dem Hintergrund des weiterhin sehr hohen Anlagedrucks. Allerdings ist der Markt für solche Nischenprodukte sehr klein. Skaleneffekte sind schwer zu erzielen und Spezialwissen ist unbedingt erforderlich. Im Vergleich zu etablierten Assetklassen ist die Konkurrenz um hochwertige Objekte mit einem attraktiven Rendite-Risiko-Verhältnis weitaus pointierter. Aufgrund des erforderlichen Spezial-Know-hows ergibt sich eine gewisse Abhängigkeit vom Betreiber oder Asset Manager und im Exit nur einen limitierten Markt. Das führt dazu, dass dieser Markt nur wenig liquide ist. Vor allem für langfristig orientierte, institutionelle Investoren ist der Markt für Nischensegmente damit zu klein.

Ihnen stellen daher Anlagen in den Spezialsegmenten etablierter Assetklassen eine attraktive Alternative dar – beispielsweise im Segment innerstädtischer Geschäftshäuser. Gemessen am Transaktionsvolumen ist es innerhalb der Assetklasse Einzelhandel eher ein Spezialsegment. 2018 belief sich das Transaktionsvolumen für Highstreet-Objekte auf 2,7 Mrd. Euro und damit lediglich 4,5% des Gesamt-Transaktionsvolumens für Gewerbeimmobilien. Auf die gesamte Assetklasse Einzelhandel entfielen im selben Zeitraum rund 17,3% des Gewerbe-Transaktionsvolumens.

Im Vergleich zu Nischenmärkten wie Datacenter ist der Investmentmarkt für Highstreet-Objekte jedoch deutlich liquider und weist darüber hinaus ein breiteres Angebot auf. Derzeit punkten qualitativ hochwertige Highstreet-Objekte in 1A-Lagen der deutschen B-Städte mit einem langfristig nachhaltigen Mietniveau und attraktiven Rendite-Risiko-Verhältnis. So bewegen sich die Renditen für gute 1A-Highstreet-Objekte auf einem ähnlichen Niveau wie für 1A-Logistikimmobilien – bei einem im Vergleich größeren Angebot und einem höheren residualen Wert der Immobiliensubstanz.

Darauf sind in den vergangenen Jahren auch Investoren aufmerksam geworden und ergänzen ihre Portfolien um Geschäftshäuser. Gleichzeitig stehen nicht wenige Anleger einem Investment in Einzelhandelsobjekte skeptisch gegenüber. Sie nehmen den Markt als einen Mietermarkt wahr. Dieser Eindruck ruht auf der Erwartung einer negativen Mietpreisentwicklung bei Einzelhandelsimmobilien. Zum einen, da E-Commerce und die Digitalisierung des Einzelhandels die Umsätze der Filialisten zunehmend dezimiere. Zum anderen speist sich die wahrgenommene Zurückhaltung gegenüber dem stationären Einzelhandel aus der Angst mancher Marktteilnehmer vor einer nachlassenden Expansionsbestrebung großer Einzelhändler und damit einem nicht nachhaltigen Mietniveau.

Die Kunst liegt also darin, innerhalb des Segments und verschärften Wettbewerbs langfristig attraktive Immobilien aufzuspüren und die Spreu vom Weizen zu trennen. Das bedeutet, neben Kriterien wie Objektqualität und Lage vor allem Megatrends bei der Anlageentscheidung miteinzubeziehen. Ein wichtiger Faktor ist hierbei die Demografie. Das umfasst nicht nur Bevölkerungsprognosen. Anleger müssen auch Kriterien wie die Entwicklung von Arbeitsplätzen und Wohnraum oder politische Entscheidungen im Blick haben, die das Bevölkerungswachstum mittelfristig beeinflussen. So drängen Retailer nach wie vor in Mittelstädte und Universitätsstädte wie Trier, Mannheim oder Konstanz, die besonders von Megatrends wie Urbanisierung oder einem stark wachsenden Städtetourismus profitieren und über gute wirtschaftliche Fundamentaldaten verfügen. Denn diese Trends schlagen sich in einer langfristig positiven demografischen Entwicklung und somit guten Kaufkraft nieder. Das macht diese Städte für Einzelhändler besonders attraktiv. Entsprechend nachhaltig ist dort das Mietniveau und die Flächennachfrage.

Hinzu kommt, dass die Auswirkungen des E-Commerce differenzierter betrachtet werden müssen. Klar ist, dass der Online-Handel den stationären Einzelhandel schon heute verändert. Jedoch wäre es zu einfach, E-Commerce vor allem als Gefahr für den Ladenhandel zu betrachten. Ganz abgesehen von den Chancen für Händler durch Multi-Channel-Ansätze steigert E-Commerce auch die Konsumnachfrage durch eine größere „Sichtbarkeit“ des Einzelhändlers. Die Internetplattform fungiert als erweitertes Schaufenster des stationären Handels. Allerdings muss der stationäre Einzelhändler dafür eine gute Verknüpfung der Warenwirtschaftssysteme haben.

Der stationäre Einzelhandel selbst wird künftig einer der wichtigsten Bausteine in der Warenverteilung an Konsumenten sein. Denn der wachsende Online-Handel stellt die City-Logistik vor neue Herausforderungen und erfordert kluge Lösungen. Der Trend geht hier zu einer Reduktion der Individualzustellungen und einer wachsenden Bedeutung der Paketlieferungen für den Kunden in eine Abholstation oder ein Ladengeschäft. Dieser „Click & Collect“-Service eröffnet dem stationären Einzelhandel neue Möglichkeiten. Er macht Geschäftshäuser zu einem zentralen Bestandteil der innerstädtischen Warenverteilung. Der Gebäudetypus Geschäftshaus wandelt sich zunehmend und sichert Einzelhändlern weiteres Wertsteigerungspotential.

Und: Die in der Vergangenheit oft leerstehenden Obergeschosse von Geschäftshäusern sind angesichts der Sehnsucht vieler Menschen nach Urbanität und einer Stadt der kurzen Wege zunehmend als Wohn- oder Büroraum gefragt. Wurden sie früher daher nicht eingepreist, können diese Flächen nun kapitalisiert werden. Auch das bietet institutionellen Investoren neue Opportunitäten und ein nachhaltiges Wertschöpfungspotential.

Mit Hilfe einer spezialisierten Anlagestrategie bieten innerstädtische Geschäftshäuser also ein langfristig interessantes Investment. Im aktuell späten Marktzyklus sind solche Strategien ein guter Mittelweg zwischen Nischensegmenten und etablierten teuren Lagen der Top-7-Standorte für institutionelle Investoren – ein intelligentes Asset Management vorausgesetzt.

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*) Thomas Hübner ist Head of Investment bei BMO Real Estate Partners.