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Gastbeitrag: Wie der KI-Investitionsboom den Markt für Rechenzentren neu ordnet

Der Investitionsboom der großen Tech-Konzerne im Bereich Künstliche Intelligenz verschiebt die Kräfte auf den Märkten für Rechenzentren spürbar. Während in den USA noch vor kurzem rund 13 GW auf von Drittanbietern betriebene Co-Location-Anlagen entfielen, hat der massive Bedarf an Rechenleistung durch künstliche Intelligenz den Ausbau von Rechenzentren vorangetrieben. In den vergangenen zwei Jahren wurden etwa 10 GW an zusätzlicher Rechenzentrumskapazität gebaut oder in Betrieb genommen, davon lediglich 1-2 GW im klassischen Co-Location-Segment. Der überwiegende Teil entfällt auf Hyperscaler-Anlagen mit einem Strombedarf von über 50 MW pro Anlage. Der Bau eines typischen 100-MW-Greenfield-Rechenzentrums erfordert bereits 1 bis 1,5 Mrd. US-Dollar, und ein Portfolio mehrerer solcher Hyperscale-Anlagen kann schnell Eigenkapital in Milliardenhöhe binden.

 

Varun Sablok

KI als Wachstumstreiber
Dieser Übergang zu immer größeren Rechenzentren außerhalb urbaner Räume wird durch den enormen Bedarf an Rechenleistung für das Training großer Large Language Modelle (LLM) vorangetrieben. Die großen Hyperscale-Kunden Microsoft, Meta, Google und Amazon treiben die Nachfrage. Allein im Jahr 2024 investierten diese Unternehmen gemeinsam über 200 Mrd. US-Dollar in Investitionsprojekte, die primär durch KI- und Cloud-Computing-Anwendungen getrieben sind. Für 2025 werden weitere Investitionen in Höhe von 250 bis 300 Mrd. US-Dollar prognostiziert, was eine zusätzliche Rechenleistung von 5 bis 10 GW in neuen Rechenzentren erfordert.

Stromkosten und Flächenverfügbarkeit treiben Hyperscaler aufs Land
Der Ausbau von Stromübertragungsnetzen, um Strom aus ländlichen Gebieten in urbane Zentren zu transportieren, ist kostspielig und zeitaufwändig. Im Vergleich dazu lässt sich der Bau leistungsfähiger Glasfaserleitungen für den Datentransport deutlich schneller und kostengünstiger realisieren. Das erklärt, warum neue Rechenzentren zunehmend auf dem Land entstehen und über Glasfasernetze mit Ballungsräumen und anderen Datenzentren verbunden werden. Anders als bisher zählen für Betreiber von Rechenzentren vor allem günstiger Strom und ausreichend verfügbare Flächen zu den wichtigsten Merkmalen und weniger die bisherige Priorität auf niedrige Latenzzeiten und Netzwerkeffekte durch stadtnahe Standorte. Aus Investorensicht ist vor allem die Frage nach der langfristigen Nutzung der Anlagen zentral: Benötigen große KI-Modelle nach dem Training auch künftig hohe Stromkapazitäten für regelmäßiges Retraining? Oder könnten ländliche Hyperscale-Anlagen auf lange Sicht durch kleinere, latenzoptimierte Einrichtungen in Stadtnähe ersetzt werden?

Cloud-Migration bleibt Wachstumsmotor
Bis ins Jahr 2021 stand im Rechenzentrumsmarkt vor allem die Verlagerung von Unternehmensanwendungen und -daten in die Cloud im Fokus. Auch wenn heute KI-Anwendungen die Schlagzeilen dominieren, entsteht der Großteil neuer IT-Infrastruktur weiterhin zur Unterstützung dieser fortlaufenden Cloud-Migration. Dieser hochprofitable Trend für Cloud-Anbieter dürfte anhalten, um das stetige Wachstum von Unternehmensdaten und Anwendungen zu bewältigen. Zugleich wird erwartet, dass die bestehende und neue Cloud-Infrastruktur zunehmend auch als Plattform für den Betrieb und das Training von KI-Modellen dient.

Bedarf ändert sich
Das exponentielle Wachstum der Nachfrage und der Fokus auf Hyperscale-Anlagen treiben die Entwicklungskosten für Rechenzentren in die Höhe und verdrängen kleinere Kunden. Die aktuellen Leerstandsquoten in den meisten großen US-Städten liegen mittlerweile durchweg bei unter 10%, was es nahezu unmöglich macht, in einer einzelnen Einrichtung mehr als wenige Megawatt Kapazität zu beschaffen.

Da Unternehmen versuchen, ihre eigenen KI-Modelle unter Verwendung proprietärer Daten zu entwickeln, wird es für sie immer schwieriger, 10 bis 30 MW Workload in einer einzigen Einrichtung in einem großen Ballungsraum unterzubringen. Darüber hinaus muss ein KI-LLM, sobald es „trainiert” wurde, für den Einsatz bereitgestellt werden. Idealerweise erfordert diese sogenannte Inferenzphase, dass die Rechenkapazität in der Nähe der Endnutzer angesiedelt ist, um die Latenz – also den Zeitraum zwischen der Abfrage eines KI-Modells und der Antwort – zu verringern. Wir gehen davon aus, dass die zukünftige Nachfrage nach Inferenz die aktuelle Nachfrage nach der Entwicklung und dem Training von KI-Modellen übersteigen wird.

Chancen bei 5-30-MW-Anlagen
Wir haben für mittelständische Infrastrukturinvestoren zwei wesentliche Investitionsmöglichkeiten identifiziert:

Zum einen benötigen viele Unternehmenskunden heute deutlich mehr Rechenleistung, ohne gleich eine maßgeschneiderte 100-MW-Anlage zu rechtfertigen. Häufig bündeln sie ihren Bedarf mit anderen Nutzern und suchen Standorte in großen Ballungsräumen, um ihre IT-Infrastruktur nah am eigenen Geschäft zu betreiben. Zudem wächst der Bedarf an Rechenzentren für KI-Inferenzanwendungen, die Rechenkapazitäten in der Nähe der Endnutzer erfordern, um eine geringere Latenz und schnellere Reaktionszeiten zu gewährleisten.

Unserer Meinung nach sind mittelgroße Rechenzentren mit 5 bis 30 MW Leistung in zentralen urbanen Lagen eine besonders innovative Anlagelösung. Diese dürften eine Schlüsselrolle bei der Deckung des künftigen Rechenbedarfs spielen, selbst wenn sich konkrete Einsatzszenarien für Rechenzentren weiterentwickeln.

Aktives Management der Assets entscheidend
Die Ansiedlung neuer Rechenzentren in städtischen Räumen erfordert innovative Konzepte. Zugleich zwingen lange Genehmigungsverfahren die Branche dazu, bestehende Standorte für mögliche Sanierungen und Nachverdichtungen neu zu bewerten.

Für Investoren bedeutet das: Um in den kommenden zehn Jahren im Investitionsumfeld von Rechenzentren erfolgreich zu sein, wird nicht nur technisches Know-how verlangt, sondern ebenso Kompetenz in Energieentwicklung, Standortplanung und der  Kundenakquise.

Wir erwarten eine anhaltende Nachfrage nach neuen und sanierten Rechenzentren in dicht besiedelten städtischen Gebieten, getrieben von Cloud-Services und dem rasanten Wachstum KI-gestützter Anwendungen. Auf das mittelgroße Marktsegment fokussierte Infrastrukturinvestoren mit Erfahrung im Bereich Rechenzentren sind daher gut positioniert, um vom künftigen Greenfield- und Brownfield-Wachstum zu profitieren.

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*) Varun Sablok, Managing Director Nordamerika bei Igneo Infrastructure Partners (Teil der First Sentier Group)