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Gastbeitrag: Die Digitalisierung sorgt für neue Anforderungen an Immobilien

Die fortschreitende Digitalisierung verändert den Immobilienmarkt nachhaltig. Ob flexible Bürolösungen, durch E-Commerce ausgelöste Multi-Channel-Konzepte im Einzelhandel oder kleinere und smarte Logistikimmobilien, die technische Entwicklung erfordert eine neue Generation von Immobilien. Institutionelle Investoren, die diese Trends bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen, sind klar im Vorteil im Wettbewerb um Nutzer, Mieter und spätere Immobilienkäufer.

Karl-Josef Schneiders

Im Vergleich zu den USA, Großbritannien, den skandinavischen Ländern oder Australien nutzt Deutschland noch lange nicht all die Chancen, die die vielfältigen Digitalisierungsprozesse für den Immobilienmarkt bieten. Investoren, die diese Trends frühzeitig erkennen und entsprechend in zeitgemäße Liegenschaften investieren, sorgen zum einen für hohe Akzeptanz der Objekte bei Mietern und somit für einen gesicherteren Cash-Flow und zum anderen für bessere Voraussetzungen für eine positive Wertentwicklung.

Flexible Büroflächen sind gefragt
Die Bürofläche pro Mitarbeiter hat sich in Europa seit den 90er-Jahren im Schnitt um 15% reduziert. Trotzdem ist die Leerstandquote in den europäischen Büromärkten niedrig, da sich auch das Angebot verändert hat.

Eine moderne Büroimmobilie zeichnet sich nicht nur durch eine hohe Energieeffizienz aus, sondern auch durch die aufgrund der Digitalisierung mögliche äußerst flexible und offene Raumkonzeption. Denn der Zugriff auf Daten ist per festen und mobilen Endgeräten in Kombination mit WLan von fast überall aus machbar. Dadurch haben viele Mitarbeiter beispielsweise keinen festen Arbeitsplatz mehr, sondern wählen ihren Arbeitsort je nach Bedarf flexibel. Konzentriertes Arbeiten erfolgt in einer abgeschirmten Workbooth, der inhaltliche Austausch findet auf Gemeinschaftsflächen statt, Orte der sozialen Begegnung sorgen für die informelle Kommunikation, und Ruhezonen stehen für Entspannung in den Pausen zur Verfügung. Hinzu kommt der Trend zum Homeoffice.

Darüber hinaus sind Business-Center und jüngst das Co-Working Bestandteil dieser Flexibilisierungstrends, die der in vielen Arbeitsumgebungen fast uneingeschränkte Zugriff auf Daten ermöglicht hat. Anbieter von Co-Working-Arbeitsplätzen setzen auf die Nachfrage von jungen Firmengründern. Doch auch Mittelständler und große Unternehmen nutzen mittlerweile solche Flächen, um zum Beispiel kurzfristig ins Leben gerufenen Projektgruppen Raum zu geben. Diese Konzepte werden sicher auch in Zukunft über alle Unternehmensgrößen hinweg temporären Flächenbedarf abfedern.

Früher waren Büroimmobilien in der Regel auf unterschiedliche Branchen wie Banken, sonstige Dienstleister oder staatliche Mieter ausgerichtet und wurden häufig als Single-Tenant-Objekte oder für eine begrenzte Zahl von Mietern errichtet. Solche Liegenschaften sind nur durch teure Umbaumaßnahmen auf die heute oft benötige Flexibilität mit entsprechender digitaler Struktur umzurüsten. Wer heute investiert, sollte die Anforderungen von morgen berücksichtigen. Der Erfolg von Immobilien hängt vor allem an zentralen Standorten wie London, Paris oder den deutschen Top Standorten auch davon ab, wie gut sie für Co-Working und zahlreiche Branchen genutzt werden können.

Vom Online-Shop zu Show-Rooms und Pick-up-Points
Der E-Commerce hat den Einzelhandel revolutioniert. Derzeit ist der Trend zu beobachten, dass sich der Online-Handel und der stationäre Handel immer enger miteinander verzahnen und dabei den traditionellen Einzelhandel in den Innenstädten langsam verdrängen. So steigen vormals reine Online-Händler wie Zalando oder Amazon in den stationären Handel ein. In den Filialen können Zustellungen schneller abgewickelt, Retouren angenommen, persönliche Beratungsgespräche geführt oder lokale Veranstaltungen durchgeführt werden. Zudem dienen diese Shops dazu, die Kunden gezielter auf Produkte und Dienstleistungen zu lenken: anfassen, ausprobieren und kaufen.

Auch im Segment der Fachmarktzentren, in dem der Bedarf europaweit anzieht, setzen sich neue Strukturen durch. Kunden schätzen einfach erreichbare, gute Lagen für einen Einkauf in attraktivem Ambiente, das auch hochwertige gastronomische Angebote enthält. Besonders beliebt sind kleinere Fachmarktzentren mit lokaler Abdeckung, die eine wachsende Anzahl von Mietern beherbergen, die bisher ihre Standorte in den Innenstädten oder Einkaufszentren gewählt haben. Während für die Kunden bei solchen Einzelhandelsformaten häufig die Möglichkeit des „One-Stop-Shoppings“ sowie die kostenfreien Parkplätze entscheidend sind, werden Investoren und Mieter durch verhältnismäßig niedrige Kosten, die flexible Flächengestaltung und die bessere Logistikstruktur angezogen.

Generell werden die angemieteten Flächen immer kleiner. Unternehmen wie beispielsweise Media Markt, Saturn oder Ikea eröffnen Läden im Mini-Format, in denen nur noch wenig Waren ausgestellt werden. Diese Shops dienen in erster Linie der Beratung und Bestellung. Zudem können online georderte Waren hier abgeholt werden („Pick-up-Points“). Das sogenannte „Downsizing“ hat für Investoren und Mieter eine Reihe von Vorteilen. Die Genehmigungshürden für Mini-Geschäfte sind im Vergleich zu Großflächen am Stadtrand niedriger. Außerdem sind sie eine Antwort auf die abnehmenden Umsätze pro Fläche, die der E-Commerce ausgelöst hat. Zudem kommen „Showrooms“ auf, in denen die Ware nur noch präsentiert und ausprobiert werden kann. Eine Bestellung kann nach dem Besuch solcher Showrooms dann per Internet erfolgen, und die Ware wird dem Kunden direkt nach Hause geliefert.

Was bedeuten diese Trends für Immobilieninvestoren? Research und Asset Management werden immer wichtiger für nachhaltige Einzelhandels-Investitionen. Nur wer die Entwicklungen im Einzelhandel dauerhaft im Fokus hält, wird die von den Händlern gewünschte Flächennachfrage bedienen können.

Logistikimmobilien rücken immer näher an die Stadtzentren
Der große Erfolg des Versand- und Online-Handels sorgt für steigenden Flächenbedarf im Logistiksektor. 2017 erreichte der Flächenumsatz in Europa ein neues Allzeithoch. Gleichzeitig haben sich die Anforderungen an diese Immobilien verändert. Dabei spielt nicht nur der B2C-Online-Handel eine wichtige Rolle, sondern auch die Tatsache, dass Unternehmen immer häufiger direkt beim Produzenten bestellen (B2B).

Da die Ansprüche von Produzenten, Logistikern und Konsumenten an Tempo und Flexibilität stetig steigen, erfordert die Abwicklung des Online-Handels indes nicht nur mehr, sondern vor allem neue Typen von Logistikimmobilien. Der Endkunde ist König der Lieferkette. Er wird Produkte künftig vermehrt on demand auf seine Wünsche abgestimmt nachfragen. Eine reine Bereitstellung von Waren durch Hersteller und Logistiker reicht nicht mehr aus. Daher werden sowohl große Warenbestände als auch lange Transportwege überflüssig.

Deswegen müssen Logistikgebäude sowohl dichter an die Innenstädte als auch an die Produktionsstätten heranrücken. Insbesondere für die kleineren und zentrumsnahen Lagerflächen werden zudem leistungsfähige Glasfaserverbindungen benötigt, um hohe Datenmengen verarbeiten zu können.

Schlüsselaspekte für Immobilieninvestoren
*Bei der Umsetzung von Handelsimmobilien sollte der Investor selektiv vorgehen. Gut positionierte, kleine, zentrale Flächen, moderne Einkaufszentren, die Erlebnisse bieten, wie auch Fachmarktzentren in guten und urbanen Gegenden bieten Chancen, während Warenhäuser und ältere Einkaufszentren vielfach vor größeren Herausforderungen stehen.
*Bei Büroimmobilien sind neue Anforderungen an die Konzeption der Immobilien wie auch die neuen, flexiblen Arbeitskontexte zu beachten. Co-Working ist als neues Nachfragesegment in den Asset-Businessplänen zu berücksichtigen.
*Logistikimmobilien werden in Kernportfolios in der Zukunft eine größere Rolle spielen.

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*) Karl-Josef Schneiders ist Head Global Real Estate EMEA bei Credit Suisse Asset Management Global Real Estate.